Amazon erzwingt höhere Verlagsrabatte: Und immer droht das Monopol
Amazon setzt die Verlage unter Druck und streitet um Rabatte. Aber es geht um mehr als nur einen Teil des Kuchens.
Amazon weitet seine Kampfzone auf dem Buchmarkt weiter aus und nimmt den E-Book-Sektor schärfer ins Visier. Seit Jahren versucht der Onlinehändler den Buchmarkt zu dominieren und streitet mit erpresserischen Methoden um horrende Preisrabatte mit den Verlagen.
Nachdem bekannt geworden war, dass Amazon sich auf dem US-Markt einen Kampf mit dem Buchkonzern Hachette um die Ausdehnung der Rabatte für E-Books von 30 auf 50 Prozent liefert, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung, dass dies in Deutschland und Europa gerade auch passiert. Nämlich bei der schwedischen Bonnier-Gruppe, zu der in Deutschland Verlage wie Carlsen, Ullstein, Piper, Aladin, ArsEdition etc. gehören.
Es ist ganz einfach. Amazon möchte künftig bis zu 50 Prozent statt 30 Prozent an den E-Books verdienen und lässt gleich mal seine Muskeln spielen: Amazon straft während der Vertragsverhandlungen die Verlage und Autoren mit längeren Lieferzeiten ab und suggeriert, entsprechende Bücher seien nicht vorrätig.
So wie in den USA, wo die Auslieferung von Büchern der Hachette-Gruppe nur mit großen Verzögerungen vonstatten ging, weil die Gruppe den Bedingungen von Amazon nicht zustimmte. Bei einem Streit im Jahr 2010 mit den amerikanischen Macmillan Publishers, entfernte Amazon gar kurzerhand den Buy-Button für die Bücher der Gruppe.
Die Macht, den Markt zu verwüsten
Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, warnt vor einem drohenden Monopol. Amazon habe die Macht, den deutschen Buchmarkt komplett zu verwüsten. Mit drastischen Folgen nicht nur für die Verlage, versteht sich, sondern auch für die Autoren.
In einer Presseerklärung warnt der Börsenverein: „Es bestätigt sich das, was der Börsenverein seit Langem befürchtet und immer wieder thematisiert: Die wachsende Marktdominanz von Amazon stellt in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht eine Gefahr für den Buchmarkt dar.“ Der Internetriese möchte an Bonnier wohl ein Exempel statuieren, danach folgen andere Verlage.
Der taz liegen E-Mails von Amazon aus den vergangenen Tagen an Kleinverlage vor, die klarmachen, dass die E-Book-Offensive Teil einer Gesamtoffensive ist, denn Amazon möchte nun auch Kleinverlage mit höheren Rabatten für ihre gedruckten Bücher belegen. Amazon möchte die Bar-Sortimenter als Bezugsquelle umgehen und Direktverträge mit Verlagen schließen.
Das ist nicht neu, diese Taktik spielt Amazon seit vielen Jahren. Neu ist, dass es nun auch Verlage trifft, die wegen ihrer Größe bisher unterhalb des Radars waren. Bis zu 55 Prozent sollen sie an Amazon abdrücken, üblich sind 40 Prozent Buchhandelsrabatt, zudem sollen sie eine Jahresgebühr dafür zahlen, dass Amazon an ihren Büchern verdient. Das klingt schizophren, aber so ist das nun mal, wenn man mit Amazon Geschäfte macht.
Subventionierung des eigenen E-Reader
Amazon schreibt immer noch Verluste, verbrennt mit der Subventionierung seines Kindle Fire HD enorme Summen, die Anleger wollen eine höhere Rendite sehen. Seit Beginn des Jahres fällt die Aktie drastisch. Amazon-Chef Jeff Bezos nahm bisher Verluste billigend in Kauf, um neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Zudem ist der E-Book-Reader Tolino mittlerweile eine echte Konkurrenz für Amazons Kindle. Im dritten Quartal 2013 ist der Marktanteil von Amazon um fünf Prozent auf 43 gesunken, der Tolino hat bereits einen Marktanteil von 37 Prozent. Warum verweigern sich die deutschen Verlage nicht einfach geschlossen Amazon? Die Verlage halten sich bedeckt. Leicht könnte der Verdacht unerlaubter Absprachen entstehen und das Kartellamt alarmieren. Einige knicken vielleicht auch sehenden Auges ein.
Kiepenheuer-&-Witsch-Vertriebschef Reinhold Joppich hingegen rät im Börsenblatt den Verlagen, sich nicht auf das perfide Spiel von Amazon einzulassen: „Wenn sie uns boykottieren, dann stellt sich Amazon selbst an den Pranger.“ Börsenverein-Geschäftsführer Alexander Skipis fordert auch politische Maßnahmen, nämlich Amazon zur Öffnung der Kindle-Formate für andere Händler zu verpflichten und ein neues Kartellrecht für den digitalen Markt zu entwickeln.
Die Perspektive umkehren, könnte also ein Aufruf lauten. Es geht nicht darum, wer den größten Teil des Kuchens abbekommt, sondern um eine Weichenstellung für die Entwicklung des Buchmarkts. Und damit um die Frage, wie wir produzieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative