Schwarz-rote Koalitionsverhandlungen: Ach Gott, die Mieten!
Das Thema Mietenpolitik spielt kaum eine Rolle. Im Wahlkampf war es eines der SPD-Kernthemen. Plötzlich erinnern sich die Genossen.
BERLIN taz | Peer Steinbrück erzählte im Wahlkampf fast immer die Geschichte von Karl aus Berlin, der 520 Euro für eine Wohnung zahlen sollte, die davor nur 400 Euro kostete. Bezahlbare Mieten war eines der Top-Themen im SPD-Wahlkampf. Es wird bei den Koalitionsverhandlungen unter anderem in der Arbeitsgruppe (AG) Verkehr verhandelt, die am Dienstag zum ersten Mal tagte.
Zuvor hatte Berlins Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) kritisiert, dass das Thema in den Kernforderungen der SPD, die der Parteikonvent am 20. Oktober beschlossen hatte, nicht prominent platziert sei: „Es taucht bisher nur in einem Nebensatz auf, muss aber eine herausragende Position haben.“
Florian Pronold, der für die SPD die AG leitet, erwiderte: „Es können nicht 180 Seiten Programm zu Kernforderungen werden.“ Auf den Weckruf Müllers hin versicherte er, dass Grundlage der Verhandlungen das gesamte SPD-Regierungsprogramm sei.
Dirk Kienscharf, städtebaulicher Sprecher der SPD in Hamburg, sagt: Bis jetzt hörte man davon wohl deshalb wenig, weil es anders als Altersarmut oder Mindestlohn nicht alle Deutschen betreffe. In Städten wie Hamburg, Berlin oder München fehlen laut dem Deutschen Mieterbund (DMB) bereits 250.000 Wohnungen.
Mieterbund: Mietpreisbremse wird kommen
Pronold erklärt die Zurückhaltung der SPD dagegen damit, dass es schon genügend Konflikte mit der Union gebe. „Und wo Unterschiede nicht so groß sind, muss man sie nicht größer machen.“ Denn Union und SPD wollen beide, dass die Miete nicht um mehr als 10 Prozent der Vergleichsmiete erhöht werden kann, wenn eine Wohnung weitervermietet wird. Die Mietpreisbremse werde im Koalitionsvertrag stehen, genau wie ein erhöhtes Wohngeld, ist sich Ulrich Ropertz vom DMB sicher.
Differenzen könnte es beim Mieterschutz geben. Hier will die SPD, dass die Miete gemindert werden kann, wenn saniert wird. Damit würde ein Gesetz zurückgenommen, das die Union erst dieses Jahr mit der FDP verabschiedet hatte. Dass es mehr Wohnraum geben muss, da sind sich ebenfalls beide Parteien einig. Bliebe die Frage, wie viel das kosten darf.
Mitte November soll das Thema in der AG Verkehr verhandelt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP