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Regelungen für jüdische FeiertageKeine Schabbatruhe

Das Tikvah Institut verlangt Regelungen, damit Jüdinnen und Juden in Deutschland ihrer Religion folgen können. Auch die Arbeitsruhe an Feiertagen.

Die Kölner Synagoge Foto: Zoonar/imago

Berlin taz | Alexandra Krionkov sagt, dass sie nicht sonderlich religiös lebt, aber doch manche jüdische Feiertage begehen möchte. Und da, erklärt die Berliner Jura-Studentin, gebe es Probleme. Etwa wenn Prüfungen auf einen Tag gelegt wären, an dem die Religion Schreiben und Arbeiten verbietet. Zwar könne man dann einen Ersatztag beantragen, doch dies sei damit verbunden, dass man sein Judentum offenbaren müsse. Das ist seit dem 7. Oktober nicht unbedingt beliebter geworden. Und sie beklagt: „Es gab Fälle, wo jüdische Studierende keinen Ersatztermin erhalten haben.“

Die Schwierigkeiten Krionkovs sind nur ein Beispiel für die Probleme vieler Jüdinnen und Juden in Deutschland, ihre Feiertage einzuhalten. Das wurde bei einer Tagung des Tikvah Institut in dieser Woche in Berlin deutlich. Eine Reform des Feiertagsrechts nicht nur in Berlin verlangte dort Tikvah-Geschäftsführer Volker Beck. Tatsächlich wirken manche der Regelungen, die in einem Dickicht aus Landesgesetzen und Verordnungen verankert sind, diskriminierend, der grundgesetzlich zugesicherten Religionsfreiheit zum Trotz.

In der Praxis kommt es immer wieder zu Konflikten. Der Richter Doron Rubin nannte den Fall eines jüdischen Arbeitslosen, der an einem hohen Feiertag zum Jobcenter gebeten wurde. Eine Absage wollte die Behörde nicht akzeptieren. Es gebe Fälle, in denen juristische Prüfungen an Universitäten auf einen Samstag gelegt würden, beklagte er.

In Bayern gilt Ostern als jüdischer Feiertag

Manche Regelung orientiert sich offensichtlich allzu sehr an christlichen Gepflogenheiten. Der Rechtswissenschaftler Christian Waldhoff verwies auf das bayerische Gesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage. Danach gilt auch das Osterfest als jüdischer Feiertag, obwohl es das im Judentum gar nicht gibt. An jüdischen Feiertagen wird der Hauptgottesdienst zwar gesetzlich geschützt, doch den legt das Gesetz umstandslos auf den Vormittag, wie im Christentum üblich – obwohl jüdische Gottesdienste nahezu ausschließlich am Nachmittag und Abend stattfinden.

Um dem Gesetz Genüge zu tun, müssten Juden dementsprechend ihre religiösen Grundsätze ändern. Ein striktes Schreib- und Arbeitsverbot an manchen Feiertagen kennt nur die jüdische Religion, Christentum und Islam belassen es bei Empfehlungen, sagte Beck. Deshalb sei die Furcht vor einer Ausuferung von Einzelregeln für jede Religion übertrieben. Es handelt sich um insgesamt 13 Feiertage und 52 Schabbat-Tage am Samstag im Jahr, an denen nicht gearbeitet werden dürfe.

Das Tikvah Institut schlägt eine gesetzliche Regelung vor, nach der Jüdinnen und Juden, so sie es wünschen, an arbeitsfreien Feiertagen auch nicht arbeiten müssen. Kinder müssten an Schulen frei bekommen, bei Prüfungen an Universitäten müssten Ersatztermine angeboten werden.

Sonntagsöffnungen für koschere Läden

Eine besondere Regelung sei auch bei den Ladenöffnungszeiten angemessen, da das jüdische Arbeitsverbot auch am Schabbat gilt. Da religiöse Jüdinnen und Juden an diesem Tag auch nicht zum Einkaufen gehen, wäre es angebracht, dass koschere Lebensmittelläden als Ersatz an Sonntagen öffnen dürfen. Dem allerdings würde beispielsweise die Berliner Landesverfassung widersprechen. Diese legt fest, dass der Sonntag als Tag „der Arbeitsruhe geschützt“ ist.

Von Berlin müsse ein Signal an Jüdinnen und Juden abgehen, „Ihr seid gewollt!“, verlangte Beck. Berlins Schulsenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) versicherte auf der Tagung, dass an Schulen alle jüdischen Feiertage bei Prüfungen Berücksichtigung finden würden. Und die Präsidentin der Berliner Humboldt-Universitär Julia von Blumenthal erwiderte auf die Kritik ihrer Studentin Alexandra Krionkov, es dürfe nicht sein, dass beide Prüfungstermine auf jüdische Feiertage fallen. „Fehler geschehen nicht willentlich“, sagte Günther-Wünsch.

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24 Kommentare

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  • Es leben schätzungsweise 225.000 jüdische Menschen in Deutschland- ich verstehe das es in der Praxis zu Konflikten kommen kann. Aber ich sehe auch Konfliktpotential wenn für jede Minderheit in jedem Land für alles mögliche Ausnahmeregelungen gemacht werden. Es gibt durchaus sehr viele Jobs bei denen man Samstags nicht arbeiten muss. Wenn es nun aber ein Job ist wo man dies tun muss, wie fair ist es dann gegenüber den anderen Arbeitnehmern wenn ein Angestellter nie Samstags arbeiten muss aber alle anderen schon? Und wie hier ja auch von einigen gesagt wird, gibt es auch Ersatztage für Prüfungen etc. oder Freistellungen für religiöse Feiertage. Bei Schichtdienstlern muss man eben wie alle anderen auch einen Urlaubstag nehmen. Wenn Universitäten bei Prüfungsterminen darauf achten sollen, dass sie nicht an jüdischen Feiertagen sein dürfen, dann müssen sie dies eben auch für muslimische, hinduistische etc Feiertage tun. Alles andere wäre dann auch wieder Diskriminierung. Und was ist denn mit Menschen die keiner Religion angehören?

    • @Momo Bar:

      Wenn man jüdischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erlauben würde, nie am Samstag arbeiten zu müssen, könnte man sie doch im Gegenzug dazu verpflichten, sonntags zu arbeiten.



      Wenn sonntags nicht gearbeitet wird, kämen als Alternativtermine der 24. und 31. Dezember in Frage, oder Brückentage.

      Ich denke, mit etwas gutem Willen auf beiden Seiten ließen sich da Regelungen treffen, mit denen alle zufrieden sind.

      Die Möglichkeit, an bestimmten Tagen Urlaub zu nehmen, besteht ja zusätzlich. Und für die Kinder an solchen Tagen schulfrei zu bekommen, sollte auch möglich sein.



      Ich hatte in der zweiten Grundschulklasse eine jüdische Mitschülerin, die an jüdischen Feiertagen schulfrei hatte. Das ist über 50 Jahre her und es gab keine Probleme, außer, dass unsere Klassenlehrerin sich nicht die Mühe gemacht hat, uns das zu erklären.

      Menschen, die keiner Religion angehören, haben zwar keinen Anspruch auf Sonderregelungen, aber sie kommen ja genauso in den Genuss ursprünglich christlicher Feiertage.

      Wo ist da eine Ungleichbehandlung?

      • @ PeWi:

        Erstmal fast alles was sie sagen habe ich auch geschrieben. Das es bereits Regelungen in Schulen etc gibt. Aber ich denke eben trotzdem das es in der Praxis in Unternehmen schon zu Problemen führt wenn ein Mitarbeiter nie Samstags arbeiten kann, aber alle anderen müssen. Das mag der Chef ok finden, die anderen Arbeitnehmer vielleicht weniger.



        "Wo ist die Ungleichbehandlung?" Sie haben es doch selber gesagt: Menschen die keiner Religion angehören, haben keinen Anspruch auf Sonderregelungen! Ich stimme da eher mit @ Janix überein das man den Menschen egal welcher Religion nicht das Gefühl geben sollte dies verschweigen zu müssen. Ob es nun aber der richtige Weg ist, dies wie hier im Artikel beschrieben zu tun bezweifle ich. Es kann im Alltag zu mehr Ablehnung führen. Und wie gesagt schaffen wir Ausnahmeregelungen für eine Minderheit, müssen wir das für alle tun.

        • @Momo Bar:

          "Menschen die keiner Religion angehören, haben keinen Anspruch auf Sonderregelungen!"

          Ja, aber es ist in der heutigen Zeit doch den allermeisten Menschen überlassen, ob sie religiös sind, oder nicht.

          Das ist wie bei anderen Dingen im Leben, fast jede Entscheidung hat Konsequenzen, die man als erwachsener Mensch aber auch in der Regel vorher kennt.

          Warum also soll ein bewusst nicht-religiöser Mensch Anspruch auf Sonderregelungen haben, die für religiöse Menschen gedacht sind?

          Zumal Atheisten hier inzwischen ja keine Minderheit mehr sind.

          Wer in Hessen arbeitet, muss das auch an Allerheiligen tun, wo diejenigen, die in Rheinland-Pfalz oder Bayern arbeiten, frei haben.

          Trotzdem hat noch niemand in Hessen dafür einen Ausgleichstag gefordert.

          Anstatt alles gesetzlich regeln zu wollen, oder mit empörtem Anspruchsdenken aufzutreten, sollte man manche Dinge in Ruhe und wie unter vernünftigen Menschen besprechen.

          Natürlich ist man da vom guten Willen des Chefs oder des Profs abhängig, erreicht aber oft mehr, wenn man sein Anliegen in Ruhe und mit Gründen vorträgt.

          • @ PeWi:

            Aber genau das meine ich doch, dass hier eben nicht gesetzlich geregelt werden soll wie es in dem Artikel ja suggeriert wird. Das sind persönliche Anliegen eines Mitarbeiters die er bevor er einen Job antritt mit dem Arbeitgeber besprechen kann, so wie es ja auch andere tun weil sie z.B. aufgrund von Kindern an bestimmten Tagen nicht arbeiten können. An Universitäten wird das ganze schwieriger- wenn die Uni für einen Klausurtermin alle religiösen Feiertage von allen Anwesenden (nicht nur jüdischen) bedenken muss bei der Terminfindung, dann noch ein Raum und Personal an dem Tag zur Verfügung stehen muss wird es schwierig. Kann man eventuell mit zwei Terminen lösen wenn Räume und Personal vorhanden sind. Aber wie gesagt diese religiöse Ausnahmeregelung muss dann auch für alle Religionen gelten.



            Und Berlin hat einen Ausgleichsfeiertag eingeführt, weil es das Bundesland mit den wenigsten Feiertagen war. Der 8. März ist nun Feiertag auch für alle die nicht religiös sind.

    • @Momo Bar:

      Ersatztermine gibt es ja in der Regel. Krank werden kann ja auch mal sein.



      Wir sollten eher ansetzen, dass niemand in Deutschland das Gefühl haben sollte, man müsse Judentum oder welche Religion auch immer verschweigen.



      Denn einen Grund verlangen darf eine Uni m.E. ja schon, sonst ginge der Ausnahmecharakter vollends flöten.

  • Die Büchse der Pandora....

  • "Zwar könne man dann einen Ersatztag beantragen, doch dies sei damit verbunden, dass man sein Judentum offenbaren müsse."



    Ich kann diese Hemmungen durchaus verstehen. Aber ein Recht auf einen religiösen Feiertag haben zu wollen, ohne sich zu dieser Religion öffentlich bekennen zu wollen, ist ein gewisser Widerspruch.



    "In der Praxis kommt es immer wieder zu Konflikten."



    In den aufgeführten Fällen bleibt leider offen, ob den jeweiligen Behörden die Gründe für die Terminschwierigkeiten bekannt waren. Das erschwert eine Meinungsbildung.

  • Ist die Religionsfreiheit bedroht, wenn man nicht jedem Feiertag nachgehen kann?



    Wohl eher nicht, denn es gibt auch katholische oder protestantische Feiertage, die nicht in allen Bundesländern begangen werden.

  • Ich finde die Forderungen absolut nachvollziehbar und wünsche viel Erfolg bei der Realisierung. Allerdings glaube ich nicht daran - unsere Politik kümmert sich lieber um andere Dinge als um jüdische Feiertage im eigenen Land.

  • Weiß das Institut nicht, dass Kinder jetzt bereits auf Antrag an religiösen Feiertagen von der Schulpflicht befreit werden?

    Das nutzen Muslime, das nutzen Katholiken, das können selbstverständlich auch Juden nutzen.

  • In der Bibel steht: Am siebten Tage sollst Du ruhen, das ist durch Christus auch nicht aufgehoben worden. Dieser siebte Tag ist der Samstag. Sonntag ist nach dieser Zählung der 1. Tag, dann stimmt auch der Mitt-woch plötzlich wieder.

    Also sollte man sich jüdisch-christlich eigentlich auf den Samstag einigen.

    Dass man nicht Freitag, Samstag _und Sonntag reklamieren kann, sondern sich entscheiden muss, halte ich ansonsten für eigentlich zumutbar. Wie gesagt, biblisch-christlich lässt sich der freie Sabbat auch ableiten.

    Die Viertagewoche Mo-Do lässt ansonsten Muslimen, Juden und Christen alle Freiheiten. Also Produktivität hoch, Ansprüche etwas runter und Profite der wenigen deutlich runter, dann klappt das auch mit der 4-Tage-Woche.

    • @Janix:

      Löhne runter nicht vergessen!

      • @Chris McZott:

        Produktivität hoch und Löhne runter oder was?

  • als Agnostiker fühle ich mich an jedem Karfreitag diskriminiert, mindestens

    • @Albrecht Thomas:

      Als Nihilist streite ich ab, dass es überhaupt Freitage gibt.

    • @Albrecht Thomas:

      Als Agnostiker genieße ich den Karfreitag und freue mich, dass ich an dem Tag Menschen treffen kann, die nicht arbeiten müssen, weil alle Menschen dann frei haben.

    • @Albrecht Thomas:

      Aber auch für sie ist Karfreitag ein gesetzlicher Feiertag, an dem sie als normaler Arbeitnehmer nicht arbeiten müssen. Und wenn sie in der Infrastruktur arbeiten (z.B. Feuerwehr, Krankenhaus, Wasserwerk, Busfahrer im ÖPNV, Fluglotsen und alle anderen, die auch Wochenend/Feiertagsschichten haben), bekommen auch sie als Agnostiker Feiertagszuschlag und einen anderen Tag dafür frei. Wo ist da die Diskriminierung?

    • @Albrecht Thomas:

      Weil Sie nicht arbeiten müssen?

  • Terminkollisionen gibt es viele,



    auch aus religiösen Gründen.



    Da sind Juden und Jüdinnen nicht die einzigen und schon gar nicht die größte Gruppe, die das betrifft.

    Wie oben erwähnt wird, gibt es in vielen Fällen die Möglichkeit, Ausweichtermine zu bekommen, und das unterstütze ich auch ausdrücklich. Dafür ist es dann nicht zu viel verlangt, das zu begründen.

    Im Zweifel bedeutet es, in einer Gesellschaft nicht in der Mehrheit zu sein, eben auch die eine oder andere Kröte schlucken zu müssen - das ist vielen sehr vertraut.



    Es allen automatisch von vornherein recht zu machen, ist schlichtweg ein Ding der Unmöglichkeit.

  • Problematisch ist auch, daß jüdische Feiertage schon am Vorabend beginnen, d.h. wenn die Oberkante der Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist. Das kann gerade im Spätherbst und vor allem im Winter schon recht früh sein, Arbeitsschichten bzw. Lehrveranstaltungen wären dann im Endeffekt an zwei Tagen nicht mehr uneingeschränkt möglich.



    Die Berliner Landesverfassung schützt nun den Sonntag als "Tag der Arbeitsruhe", aber eben nicht mit einem ausdrücklichen christlichen Bezug, schafft also eine - aus christlicher Tradition abgeleitete - säkulare Regelung. Hier die Schabbatruhe als explizit religiöse Regelung aufzurechnen, dürfte schwierig werden und vor Gerichten wohl auch kaum Bestand haben, zumal dann nicht nur koshere Lebensmittelgeschäfte, sondern grundsätzlich alle jüdischen Unternehmen die Möglichkeit erhalten müßten, am Sonntag zu öffnen.

    • @KatholischerVerbindungsstudent:

      PS das ist nicht nur seltsam seifig im Unterton (was wäre ein "jüdisches Unternehmen", was ein "katholisches"? Haben Sie da ein Thema?),



      sondern auch nicht stimmig:

      Die urchristliche Tradition ist eine andere, wie schon geschrieben, ein namentlicher Katholik hätte das wissen müssen.

      Warum da jemand öffnen könnte, ist offensichtlich unlogisch, da u.a. die Regelung heute auch für Spagettimonsterfreunde und Atheisten gilt. Es ging auch gar nicht um Geschäfte.

    • @KatholischerVerbindungsstudent:

      "...sondern grundsätzlich alle jüdischen Unternehmen die Möglichkeit erhalten müßten, am Sonntag zu öffnen."



      Und schon sind wir bei der Frage, was genau eigentlich ein 'jüdisches Unternehmen' ausmacht. Das geht in eine Richtung, die mir überhaupt nicht gefällt.

    • @KatholischerVerbindungsstudent:

      Frühe Christen haben am Samstag nicht gearbeitet, einige Denominationen halten es immer noch so.



      Den Sonntag braucht man für die Messe, sonst wird gearbeitet, schon aus Solidarität mit dem Pfaff, der ja auch arbeiten muss. ;-)