US-Sanktionen gegen Saudi-Arabien: Mehrdeutige Signale

Laut der CIA soll der saudischen Kronprinz den Khashoggi-Mord abgesegnet haben. Die US-Regierung verhängt Sanktionen – aber nicht gegen ihn.

Ein Mann geht von einer Straße aus in ein Haus

Das letzte Bild des lebenden Jamal Khashoggi: vor dem saudischen Konsulat in Istanbul 2018 Foto: imago

KAIRO taz | Ein Bericht des US-Geheimdienstes CIA bezichtigt den saudischen Kronprinzen Muhammad Bin Salman oder auch MBS, wie er kurz genannt wird, den Mord an dem saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 abgesegnet zu haben.

Viele der Details des Berichts waren bereits zuvor bekannt. Dennoch hat es eine neue Qualität, wenn der Kronprinz von Washington höchstöffentlich und höchstoffiziell zum internationalen Paria erklärt wird.

Da ist es nicht so entscheidend, ob MBS namentlich auf der Liste der 76 saudischen Staatsbürger steht, die nun offiziell mit einem US-Einreiseverbot belegt wurden. Es ist eine öffentliche internationale politische Hinrichtung des Kronprinzen. Welcher Staatschef möchte sich jetzt noch mit ihm ablichten lassen?

Wenn es denn so einfach wäre. Denn wer mit Saudi-Arabien politisch kooperieren und wirtschaftlich ins Milliardengeschäft kommen will, der kommt an MBS im Moment kaum vorbei. Schon seit Jahren regiert de facto nicht der greise König, sondern der 35-jährige Kronprinz das ölreiche Land. Es gibt da eine schöne Anekdote von einem der Besuche des ehemaligen US-Präsidenten Barack Oba­ma im saudischen Königspalast 2016.

Obama saß damals dem König Salman Abdulaziz gegenüber. Ein paar Sessel weiter links saß der scheinbar unbeteiligte Kronprinz mit seinem iPad. Immer wenn Obama dem damals 80-jährigen König eine Frage stellte, zögerte der mit seiner Antwort, während MBS eifrig auf seinem Tablett schrieb. Immer wenn der fertig war, blickte der alte König von seinem eigenen iPad auf und antwortete Obama.

Der Kronprinz hat noch Trümpfe im Ärmel

Der König hat schon vor Jahren die Regierungsgeschäfte an seinen Sohn abgegeben. Er ist nur noch Makulatur. Insofern ist Bidens neue Linie, in Zukunft nur mit dem König zu sprechen, nicht die wirkliche Lösung. Das wissen beide Seiten.

Ist die Ankündigung, den Kronprinzen aus den zukünftigen US-Beziehungen auszuklammern, also nur ein US-Lippenbekenntnis oder versuchen die USA tatsächlich, die Königsfamilie Saud dazu zu zwingen, einen neuen Kronprinzen aus dem Hut zu ziehen?

Die Familie Saud weiß sehr genau, dass ihre Sicherheit seit Jahrzehnten von US-Schutz abhängig ist. Aber hat die Familie Saud die Macht, sich tatsächlich gegen den im Königreich allmächtigen MBS zu entscheiden? Schließlich hat der seine letzten Jahre damit verbracht, seine internen Widersacher aus dem Weg zu räumen. Andererseits hat sich der Kronprinz in dieser Zeit auch viele Feinde im Land gemacht, die auf ihre Chance lauern und jetzt Rückenwind aus Washington wittern.

MBS selbst wird zunächst versuchen, das Ganze auszusitzen und abzuwarten. Er hat auch noch einige Karten auszuspielen. Nicht nur das Öl und Mil­liar­den­aufträge mit der US-Waffenindustrie. Er weiß auch, dass er als Partner gebraucht wird, um den unseligen Krieg in Jemen zu beenden.

Petrodollars stimmen milde

Und dann gibt es noch seine größte Trumpfkarte: MBS könnte ankündigen, den Arabischen Emiraten zu folgen und diplomatische Beziehungen zu Israel aufzunehmen. In der Hoffnung, dass er sich dann über Nacht vom Paria doch noch zum westlichen Darling verwandeln und den Mord an Khashoggi vergessen machen könnte. Es ist eine Trumpfkarte, die er wegen des internen Widerstands im Königreich aber nicht so leicht ausspielen kann.

Auf der Liste der saudischen Bürger, die mit einem US-Einreiseverbot belegt wurden, stehen nicht nur Individuen, die laut der CIA mit dem Mord an Khashoggi in Verbindung gebracht werden, sondern auch solche, die gegen anderen Dissidenten und Menschenrechtsaktivisten in Saudi-Arabien vorgegangen sind. Es ist eine Liste, die Washington auch für viele andere arabische Regime aufstellen könnte.

Die Zeiten sind vorbei, in denen Donald Trump den arabischen Autokraten einen Freifahrtschein für Menschenrechtsverletzungen gegeben und einige von ihnen öffentlich zu seinen „Lieblingsdiktatoren“ erklärt hat.

Offen ist, ob Joe Biden nur seinen Ton ihnen gegenüber verändert und sie verbal hier und da bloßstellt oder ob er dem Taten folgen lässt. Die Petrodollars vom Golf haben schon so manchen US-Präsidenten milde gestimmt. Und die arabischen Autokratien selbst? Die waren schon immer beides: äußerst fragil und unglaublich zäh zugleich.

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