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US-Truppenabzug aus SyrienHeftige Kritik an Trumps Entscheidung

Präsident Donald Trump hat den Rückzug der US-Truppen aus Syrien angeordnet. Dafür erntet er viel Kritik, vor allem aus den eigenen Reihen.

Bisher mag niemand Trumps Entscheidung – außer Putin Foto: ap

Washington dpa/afp | Mit seiner Entscheidung für einen Truppenabzug aus Syrien stößt US-Präsident Donald Trump auf Kritik und Unverständnis in der eigenen Partei. Mehrere republikanische Senatoren und Abgeordnete bezeichneten den Schritt als schweren Fehler und warnten vor bösen Folgen eines überstürzten Rückzugs – auch für die Sicherheit der USA. Von den Demokraten kam ebenfalls Kritik. Die russische Regierung begrüßte Trumps Entschluss dagegen.

Die USA haben in Syrien etwa 2000 Soldaten, die offiziell zur Ausbildung und Beratung der syrischen Oppositionstruppen dort sind. Am Mittwoch hatte die US-Regierung überraschend den Truppenabzug verkündet. Man habe bereits damit begonnen, Soldaten aus Syrien abzuziehen, teilte das Weiße Haus mit. Die USA hätten das „territoriale Kalifat“ der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) besiegt. Das bedeute nicht, dass die weltweite Koalition im Kampf gegen den IS oder ihre Kampagne beendet sei. Nun beginne aber die nächste Phase dieses Einsatzes.

Trump selbst schrieb auf Twitter: „Wir haben den IS in Syrien geschlagen, das war der einzige Grund, während der Trump-Präsidentschaft dort zu sein.“ In einer Videobotschaft auf Twitter verteidigte er sein Vorgehen am Mittwochabend (Ortszeit): „Wir haben gegen den IS gewonnen“, sagte er. „Nun ist es Zeit für unsere Soldaten, nach Hause zu kommen.“ Sie seien Helden.

Der Fernsehsender CNN berichtete, Trump habe bei seiner Entscheidung weder Außenminister Mike Pompeo noch Verteidigungsminister James Mattis einbezogen. Die „New York Times“ schrieb, Vertreter des Pentagons hätten bis zuletzt vergeblich versucht, Trump von seinem Entschluss abzubringen. Regierungsvertreter erklärten auf Nachfragen von Journalisten, der Zeitplan für den Abzug werde noch erarbeitet. Auch andere Fragen zu Details ließen sie unbeantwortet.

Republikaner und Demokraten in Aufruhr

South Carolinas republikanischer Senator Lindsey Graham – zuletzt eigentlich ein eifriger Verteidiger Trumps – beklagte sich in diversen Tweets über die Entscheidung des Präsidenten. Der IS sei keineswegs besiegt. Ein Abzug der US-Truppen sei ein großer „Obama-mäßiger Fehler“ und helfe dem IS bei seinem Bestreben, sich in der Region wieder auszubreiten.

Der republikanische Senator aus Florida, Marco Rubio, sprach von einem überstürzten Abzug und einem schrecklichen Fehler, der das Land noch auf Jahre verfolgen werde. Die Entscheidung sei gegen den Rat von Militärs gefallen und werde schwerwiegende Folgen für die USA haben. Colorados republikanischer Senator Cory Gardner rief Trump dazu auf, von seiner Entscheidung abzurücken. Auch Republikaner im Repräsentantenhaus äußerten sich besorgt und irritiert.

Die Frontfrau der Demokraten in der Kammer, Nancy Pelosi, bezeichnete es als voreilig, einen Sieg über den IS zu verkünden und die US-Truppen aus Syrien abzuziehen. Auch diverse Sicherheitsexperten sprachen von einem unüberlegten und waghalsigen Schritt, der dem noch längst nicht besiegten IS in die Hände spiele – wie auch der Regierung des syrischen Machthabers Baschar al-Assad, dem Iran und Russland.

Die britische Regierung warnte in einer Regierungserklärung am Mittwoch, es gebe im Kampf gegen die IS-Miliz „noch viel zu tun“. Die Dschihadisten würden auch ohne Territorium weiterhin eine „Bedrohung“ bleiben. Aus Moskau kam prompt Lob für Trumps Entschluss. Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums sagte Medien zufolge, nun gebe es eine echte Perspektive für eine politische Einigung. Die amerikanischen Truppen hätten sich in Syrien ohne eine entsprechende Aufforderung der syrischen Regierung und ohne UN-Mandat aufgehalten.

Krieg in Syrien hält an

Die USA stehen an der Spitze einer internationalen Koalition, die in Syrien den IS bekämpft. Ihr wichtigster Verbündeter ist die Kurdenmiliz YPG, die dort die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) anführt. Lange Zeit galten die kurdischen Kämpfer als für den Westen verlässliche Bodenkräfte in Syrien – und damit als Ausnahme.

Die SDF-Kräfte haben einen Großteil des früheren Herrschaftsgebietes des IS eingenommen und gehen im Osten des Landes weiter gegen die Dschihadisten vor. Seit Wochen laufen in der Nähe der Grenze zum Nachbarland Irak Kämpfe um eine der letzten IS-Bastionen im Land. Die USA unterstützen die SDF-Kämpfer mit Luftangriffen. Experten gehen jedoch weiterhin davon aus, dass Tausende IS-Kämpfer in Syrien sind, unter anderem in schwer zugänglichen Wüstengebieten. Ein Sprecher des US-Außenministeriums hatte noch am Dienstag erklärt, es habe zwar große Fortschritte gegeben, aber „der Job ist noch nicht erledigt“.

Die Dschihadisten beherrschen in Syrien zwar nur noch ein kleines Gebiet, sie sind aber weiterhin aktiv. IS-Zellen konzentrieren sich auf Anschläge. Nach einem Rückzug der US-Truppen könnte der Weg frei werden für eine neue Militäroffensive der Türkei. Die Regierung in Ankara droht schon seit langem mit einer weiteren Operation gegen die YPG. Die Türkei sieht in ihr einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und bekämpft sie deshalb.

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21 Kommentare

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  • Der Trump zieht das durch, was bei uns die linken fordern (Wenn auch aus vielleicht anderen gründen). Was soll man dazu denken?

  • Die Position der orthodoxen "Linken" ist zu den syrischen Kurden etwas schizophren: auf der einen Seite forderten sie vehement den Abzug der USA aus Syrien (natürlich nicht den von Russland) aus Syrien, trotz der de facto Unterstützung der YPG durch die USA; auf der anderen Seite beklagen sie jetzt, dass beim angekündigten Abzug der USA, die Kurden dem Despoten Erdogan ausgeliefert seien...auf eine Erklärkng dieses Spagats kann man gespannt sein. Mal sehen , ob Putins Glückwunsch an Trump zum Abzug von dieser sog. "Linken" thematisiert wird.



    Aber wie immer, die orthodoxe Linke opfert lieber das kurdische Volk auf dem Altar der Ideologie, als dass sie den Verbleib ihres Hauptfeindes, die USA, und ihrer Truppen und damit das Überleben von Rojawa fordern würden.



    odoxe

    • @Rinaldo:

      "Die Position der orthodoxen "Linken" ist zu den syrischen Kurden etwas schizophren..."

      Nein. Weder Amerikaner noch Türken haben in Syrien etwas verloren. Das ist logisch.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Eben. Nur Putin!

        • @Rudolf Fissner:

          Ohne die Dummheit des Westens hätte Putin nie die Gelegenheit bekommen, sich in Syrien festzusetzen. Das Beste für Syrien wäre natürlich, wenn alle fremden Truppen das Land verlassen.

          Jetzt geht es aber gerade um die Kurdengebiete. Und dort sind die aktuellen Kandidaten nun mal Amerikaner und Türken.

    • @Rinaldo:

      Wieso nennst du andere Leute Schizophren?

      Was haben sie dir getan und was sind orthodoxe Linke?

      Alle sind Menschen sind gleich ;o)

  • "Eine international anerkannte Exil-Regierung, deren Ruf nach brüderlicher Hilfe als Rechtsgrund man hätte vorschieben können, gibt es auch nicht."



    Das stimmt nicht. Und wer entscheidet ob ein Rechtsgrund legitim oder vorgeschoben ist?

    de.wikipedia.org/w...ionale_Anerkennung

    • @Hauke:

      Das war übrigens als Antwort auf Reinhardt Gutsche weiter unten gedacht, Herr Gutsche hat es ja auch gefunden.

    • @Hauke:

      Legitimität

      Zitat @HAUKE: „Und wer entscheidet ob ein Rechtsgrund legitim oder vorgeschoben ist?“

      Die Antwort lautet: Das Völkerrecht.

      • @Reinhardt Gutsche:

        Die Frage war natürlich rhetorisch, Recht ist immer auch auslegungssache. Und gerade darüber was vorgeschoben oder legitim ist, entscheiden Menschen.

        Ich hab reingeguckt ins Völkerrecht und die Antwort die ich gefunden habe, war nicht so eindeutig wie Sie es hier darstellen wollen. (Ich denke ihre Idee ist, dass nur solche Akteure in Syrien sein dürfen, die von Assad eingeladen worden sind).



        Wenn eine Regierung einen Genozid an Teilen der eigenen Bevölkerung begeht, muss kein anderer Staat tatenlos zuschauen, auch wenn es keine Rückendeckung durch den Sicherheitsrat gibt. Und dann ist da eben noch die Sache, dass viele Länder das Assad-Regime gar nicht mehr als Regierung anerkennen.

        • @Hauke:

          Casus belli

          Zitat von @HAUKE: „Wenn eine Regierung einen Genozid an Teilen der eigenen Bevölkerung begeht, muss kein anderer Staat tatenlos zuschauen, auch wenn es keine Rückendeckung durch den Sicherheitsrat gibt.“

          Ein drohender Genozid „an Teilen der eigenen Bevölkerung“, was dann so was wie ein partieller Selbst-Genozid wäre, ist aber von den USA noch der Türkei als Begründung für ihre jeweilige militärische Intervention angeführt wurde. Auch nicht vom Hauptsponsor der Anti-Assad-Koalition Saudi-Arabien, wo sich dann der Bock zum Gärtner gemacht hätte. Das offizielle Kriegsziel der USA ist die Bekämpfung des Deasch, dasjenige der Türkei der Kurden, die wiederum Verbündete der USA sind, aber kein Regime-Change in Damaskus zu Ziel haben, sondern die Errichtung eines eigenen Staates. Wenn es die USA auch offiziell darauf abgesehen hätten, das Assad-Regime manu militari zu „changen“ wie einst deijenigen im Irak oder Libyen, dann müßten sie auch offiziell dessen Verbündeten Rußland den Krieg erklären. Na dann, gute Nacht, Europa!

  • Es geht schlicht und einfach darum der Türkei einen Angriff auf die Kurden im Irak zu ermöglichen, ohne selber in die Kämpfe involviert zu werden und dem Herrn Erdogan einen Gefallen zu erweisen. Die Kurden, die jahrelang mit den USA gegen den IS gekämpft haben, werden von Trump zum Abschuss freigegeben. Das haben die Herren wohl in Argentinien besprochen. Die Kurden werden von den Amerikanischen Präsidenten gern geopfert, wenn es in in ihr Kalkül passt.

    • @ecox lucius:

      Ich denke ein großer Faktor ist auch Trumps Mauer, die nun schon wieder nicht im Budget steht und wegen der er von vielen Amerikanern gewählt wurde. Trump geht sehr weit um von seinen Misserfolgen abzulenken. Ihm sind schon die Amerikaner, die ihn nicht gewählt haben egal, über den Tod von kurdischen Allierten verliert der Mann sicher keine Sekunde Schlaf.

      • @Hauke:

        Ist das nicht ein bisschen weit hergeholt? Es war doch klar, dass die USA die linke YPG nur so lange unterstützen, wie sie gebraucht wird.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Ja, das war zumindest wahrscheinlich. Es hätte auch die Möglichkeit gegeben einen säkularen, demokratischen Player mit Einfluss auf Syrien, den Irak und die Türkei langfristig an sich zu binden,. Aber ich hab auch nicht wirklich geglaubt, dass das in den USA Viele vorhaben. Aber die YPG wird doch weiter gebraucht, Trumps "Wir haben den IS in Syrien geschlagen" ist doch Blödsinn, ISIS is immernoch da.



          Der Abzug findet überstürzt statt, man hätte zumindest noch Zugeständnisse von Russland/Assad/Iran/Türkei oder sogar ISIS herausholen können. Die können doch alle ihr Glück kaum fassen. Oder vielleicht mal den eigenen Außen- oder Verteidigungsminister fragen können.

          Warum sollte Trump Erdogan einfach so einen Gefallen tun wollen?

          • @Hauke:

            Militärisch ist der IS in Syrien erledigt. Assad hat die letzten Zufluchtsorte in seiner Zone erobert und die Amerikaner waren in letzter Zeit auch sehr aktiv.

            Alle derzeitigen Machthaber in Syrien werden aufpassen, dass der IS nicht wieder aufsteht. Die Gefahr liegt also nicht in Syrien. Sie besteht darin, dass sich die übrig gebliebenen Kämpfer neue Wirkungsfelder suchen werden. Daran ändern aber auch US Truppen nichts.

  • "könnte der Weg frei werden für eine neue Militäroffensive der Türkei"

    Schöner Euphemismus. Liest man über ihre Truppenbewegungen etwa auf r/syriancivilwar scheint als ob Erdogan nur von Trump ersehnten Weihnachtsbilder mit "glücklichen Heimkehrern" abwartet, bis er Rest des syrischen Nordens zu einer Art Nordzypern umgestaltet wird.

    Vom Regime selbst sind nun ebenfalls entsprechende Bewegungen bekannt, wenig verwunderlich angesichts der Ölquellen direkt jenseits des Euphrates, die derzeit in SDF-Hand liegen.

    Drollig ist ja, das selbst in Trumps Mitarbeiter offenbar keine Ahnung haben, was er sich dabei denkt…



    twitter.com/christ...075495819338571776



    … und wie seine Jünger ihn, der niemand geringeren als John Bolton wieder zum National Security Advisor machte, als "Kriegsgegner" bezeichnen, wo der Abzug genau das Gegenteil bewirken wird.

  • Allerdings stellt sich die allem vorangehende Frage, was, the hell, die US-Truppen in Syrien überhaupt zu suchen haben, d. h. mit welcher völkerrechtlichen Rechtfertigung sie dort eigefallen sind. In der UNO-Charta ist jedenfalls nichts zu finden, was dazu herangezogen werden könnte, so wenig wie eine eindeutig „alle notwenigen Maßnahmen“ vulgo militärische Gewalt billigende Resolution des Sicherheitsrates. Und eingeladen wurden sie weder von der nach wie vor in Damaskus regierenden und von der UNO als legitim anerkannten Assad-Regierung. Eine international anerkannte Exil-Regierung, deren Ruf nach brüderlicher Hilfe als Rechtsgrund man hätte vorschieben können, gibt es auch nicht. Also was nun?

    • @Reinhardt Gutsche:

      "Allerdings stellt sich die allem vorangehende Frage, was, the hell, die US-Truppen in Syrien überhaupt zu suchen haben, d. h. mit welcher völkerrechtlichen Rechtfertigung sie dort eigefallen sind. In der UNO-Charta ist jedenfalls nichts zu finden, was dazu herangezogen werden könnte, ..... "

      Die Antwort ist sehr einfach. Zumindest aus offizieller NATO Sicht:



      Wir sind die Guten und die Guten stehen über dem Völkerrecht. Aber schon die Frage nach der völkerrechtlichen Legitimation ist aus der Sicht der westlichen Glaubensgemeinschaft Häresie.

  • Doch Putins Dackel ???

    • @Opossum:

      Was gibt es für die USA in Syrien noch zu gewinnen? Sie sitzen dort zwischen allen Stühlen. Also im Zweifelsfall gesichtswahrend gehen und Ärger mit Erdogan vermeiden. Im schlimmsten Fall läuft der zu Putin über...