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Gastbeitrag Festung EuropaJedes Maß verloren

Kommentar von Frederik von Harbou

Menschenrecht auf Auswanderung? Damit nimmt es das Auswärtige Amt inzwischen nicht mehr so genau. Abschreckung kennt keine Fakten mehr.

Es gibt kein Menschenrecht auf Einreise, aber jeder darf sein Land verlassen Foto: dpa

Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen.“ So steht es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Anders als das Recht, in einen beliebigen Staat auf der Welt einzureisen oder einzuwandern („Immigration“), stellt das Recht zur Ausreise und Auswanderung („Emigration“) nämlich ein universell anerkanntes und auch für Deutschland verbindliches Menschenrecht dar. Um das Menschenrecht der Ausreisefreiheit ist es in den letzten Jahren eher still gewesen.

Ganz anders zu Zeiten des Kalten Kriegs: Kennzeichen der Länder des Ostblocks war eine systematische Verletzung dieses Rechts. In der DDR war die ungenehmigte Ausreise nicht nur unter dem Begriff der „Republikflucht“ kriminalisiert, sondern aufgrund des sogenannten Schießbefehls auch lebensgefährlich. Vor dem Hintergrund der deutschen Teilungsgeschichte mit Hunderten Todesopfern kann von der Bundesregierung also ein besonderer Einsatz für das Recht auf Ausreise erwartet werden.

Umso schwerer wiegt es daher, dass das Auswärtige Amt eine Werbekampagne finanziert, mit der eine ausländische Bevölkerung über eben dieses Menschenrecht getäuscht wird. So geschieht es aktuell durch eine Annonce, die sich auf der Rückseite der Oktober-Ausgabe eines Magazins findet, das sich an die afrikanische Diaspora in Deutschland richtet: LoNam – das Afrika-Magazin. Dort steht über einer Karikatur, die die Bootsflucht eines dunkelhäutigen Migranten zeigt, der sich auf dem Weg in die EU in die Hände eines Schleppers (im Bild am Ruder sitzend als der Tod dargestellt) begeben hat, der Aufruf: „Say No to Illegal Emi­gration“ sowie auf Französisch, da die Zielgruppe des Magazins vorwiegend aus dem zweisprachigen Kamerun stammt: „Aufklärungskampagne gegen heimliche Auswanderung“. Der Hinweis auf die Finanzierung der Anzeige findet sich in der Fußzeile: „supported by Auswärtiges Amt“, Bundesadler und Deutschlandfarben sorgen für einen offiziellen Anstrich.

Foto: Arecc Cameroun / Afrika Medien Zentrum e.V.

Erstellt haben die Anzeige die in Kamerun ansässige „Organisation der Rückkehrer und zum Kampf gegen die heimliche Auswanderung aus Kamerun“, welche die Menschenrechtsmissachtung bereits im Namen trägt, und das Afrika-Medien-Zentrum aus Berlin. Mitte September 2018 stellten sie im kamerunischen Yaoundé das von der Bundesregierung finanzierte Projekt „Look I am back“ vor, mit dem Jugendliche von einer Ausreise abgehalten werden sollen. Als Teil dieser Kampagne findet die beschriebene Karikatur und menschenrechtswidrige Aussage damit nicht nur in der afrikanischen Community in Deutschland Verbreitung, sondern auch auf dem afrikanischen Kontinent selbst.

Neue Abschreckungspolitik

Das Beispiel zeigt, wie weit die Bundesregierung inzwischen im Namen einer neuen Abschreckungspolitik zu gehen bereit ist. Diese wird vom Auswärtigen Amt unter dem Posten „Auslandskommunikation zu Flucht und Migration“ seit dem Jahr 2015 forciert. Dabei bedient sich die Regierung ganz offiziell sogenannter Multiplikatoren aus der afrikanischen Diaspora.

Das „Kernprodukt“ der Strategie bildet seit Herbst 2017 die Website „Rumours about Germany – facts for migrants“. Nach eigener Darstellung versucht die Regierung hiermit „zu verhindern, dass sich Menschen mit verklärten Vorstellungen und falschen Erwartungen auf den Weg machen“ – Gerüchten und Fehlinformationen der Schleuser sollen die „nötigen Fakten“ entgegengesetzt werden.

Tatsächlich verloren auf dem Mittelmeer allein in diesem Jahr bereits 2.000 MigrantInnen ihr Leben, wofür neben der Reduzierung von EU-Rettungskapazitäten auch profitorientierte Schlepper verantwortlich sind. Während der Anspruch der Website – insbesondere insoweit auch über legale Zuwanderungsalternativen informiert werden soll – daher zu begrüßen ist, enttäuscht die Realisierung auf ganzer Linie.

Gerüchte statt Fakten

Ein Beispiel: Auf die Frage, ob man in Deutschland Sozialleistungen erhalte, erscheint als Antwort zunächst großformatig „Nein“, bevor im Text darunter zu lesen ist, dass Asylbewerber zwar „ein wenig Hilfe“ erhielten, allerdings vorwiegend als Sach- und nicht als Geldleistungen. Diese Aussagen sind falsch und irreführend. Asylsuchende erhalten in Deutschland Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Dass der Großteil davon als Sachleistungen erbracht wird, kann die Regierung laut der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei gar nicht belegen („Differenzierte Zahlen liegen nicht vor“). Damit streut das Auswärtige Amt Gerüchte, statt Fakten zu präsentieren.

Auch auf die Frage, ob deutsche Universitäten allen offen stünden, heißt es zunächst großformatig „Nein“ mit dem Hinweis, dass in der Regel ein Aufenthaltstitel erforderlich sei. Verschwiegen wird, dass dieser für ausländische Studierende unter gewissen Voraussetzungen (etwa Lebensunterhaltssicherung) erteilt werden muss. Noch gravierender: In einer früheren Fassung wurde – entgegen der Genfer Flüchtlingskonvention – behauptet, dass nur Personen Schutz gewährt würde, die in ihrem Land bereits verfolgt würden, nicht aber solchen, die wegen begründeter Angst vor Verfolgung Zuflucht suchen.

privat
Frederik von Harbou

Jahrgang 1981, arbeitet als Rechts­anwalt für Migrationsrecht in Berlin und als Postdoktorand an der Universität Gießen. Er ist außerdem wissen­schaftlicher Koordinator des Forschungs­projekts „Menschenrechtliche Heraus­forderungen für die Europäische Migrations­politik“ (Remap)

Die Kampagne fügt sich ein in die Anstrengungen der Bundesregierung wie auch der EU, Migrationsbewegungen nach Europa zu unterbinden. Dabei wird durchaus auch mit despotisch regierten Herkunfts- oder Transitstaaten kooperiert. Die Schicksale der Betroffener werden ebenso ausgeblendet wie die menschenrechtlichen Verpflichtungen. Die Politik der Abschreckung und Abschottung scheint damit kaum noch Grenzen zu kennen. Doch die Regierung irrt hier selbst bei rein strategischer Betrachtung: Mit Desinformationskampagnen verspielt sie ihre Glaubwürdigkeit, die sie von Schleppernetzwerken unterscheidet. Nachhaltig ist nur eine aufrichtige und menschenrechtskonforme Migrationspolitik.

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9 Kommentare

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  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Ermüdend naiver und allesdurcheinanderwerfender Beitrag. Ich bin sicher Sie könnten das besser, wenn Sie denn wollten, Herr von Harbou

    • @61321 (Profil gelöscht):

      Ermüdend vorhersehbare Kritik an einem gut geschriebenen Beitrag, welcher (ganz offensichtlich) inhaltlich nicht jedem gefällt. Ich bin sicher Sie würden das gerne besser können, Herr Haberer. Ich bezweifle dies allerdings stark.

  • Sollte auf dem Plakat besser stehen: L'UE te ne veut pas! -Die EU will Dich nicht?

  • Nachtrag, Teil II.

    Ein universalistisches Menschenrecht auf Einwanderung, zwischen feudalen und kapitalistischen Gesellschaften und Staaten, würde auch in der Realität zu einer millionenfachen Zuwanderung, aus den Weltarmutsregionen, in die Konsummetropolen und Reichtumsmetropolen, insbesondere auch weiterhin nach Deutschland, führen. Selbst bei einer Enteignung in der (umgekehrten) Spitze der Reichtums- und Wohlstandspyramide, in Deutschland und Westeuropa, wären diese Gesellschaften nicht mehr in der Lage, die kommenden, viele hunderten Millionen Menschen, aus den heutigen Weltarmutsregionen, aufzunehmen und auskömmlich zu versorgen.

    Die materielle Verwertung von dafür geeigneten Menschen hat im Kapitalismus stets den Vorrang vor ''offenen Grenzen für alle''.

    Für die Gleichstellung aller Menschen müsste man schon den Kapitalismus beseitigen und gleichwertige sozioökonomische Voraussetzungen weltweit schaffen! Erst dann, dabei in einem langen Übergangsprozess, auf der Grundlage gleichwertiger sozialer, ökologischer und ökonomischer Existenzbedingungen, enden auch die (kapitalistischen) sozioökonomischen Festungen.

  • Im Kapitalismus gibt es keine ''offene Grenzen'', ebenso wenig wie Gleichberechtigung!

    Mann/Frau müsste schon den Kapitalismus, auch in Deutschland und Europa, abschaffen!

    Es sei denn, es handelt sich bei den ökonomisch benötigten und in Folge aufgenommenen Menschen, um gut-qualifizierte und materiell hochproduktive Fachkräfte.

    Aus systemischen Konkurrenzgründen, zwischen westlichen Kapitalismus und östlichen Sozialismus, setzte sich die Bundesrepublik für ''offene Grenzen'' ein. Dabei ging es vor allem auch, bei der um westdeutschen Erwartungshaltung, aus Wirtschaft, Handel und Industrie, um den Erwerb von gut ausgebildeten und qualifizierten Fachkräften aus Mittel- und Osteuropa. Für das wirtschaftliche Ausbluten und die Liquidierung des östlichen Realsozialismus, dafür war man auch bereit, viele Millionen (sog.) ''Russlanddeutsche'' aus der (früheren) Sowjetunion aufzunehmen. Auch fanden mehr als eine Million Menschen, zuvor in ihrer Mehrheit beruflich qualifizierte und ausgebildete Ostdeutsche, ihre profitable Verwendung in der materiellen Wertschöpfungskette Westdeutschlands. Mit diesem auch ideologisch konservativen Potenzial wurde der Kapitalismus in Westdeutschland gestärkt. Auch konnte eine Rückvergütung, durch das westdeutsche Aufkaufen von ostdeutschen Mauerflüchtlingen und Häftlingen, den sozioökonomischen Verlust für Ostdeutschland nicht mehr ausgleichen.

    Heute gibt es weltweit keinen Realsozialismus mehr. Heute stehen alle feudalen und kapitalistischen Gesellschaftssystem untereinander im Konkurrenzkampf. Unter diesen Bedingungen kann es für die Mehrheit der ungenügend Qualifizierten kein Menschenrecht auf Einwanderung und Zuwanderung in die imperialistischen Wirtschaftsregionen Nordamerikas, Japans und EU-Europas geben. Auch die qualifizierten Arbeitskräfte stehen heute weltweit in sozioökonomischer Konkurrenz zueinander.

    Fortsetzung, Teil II.

  • Entscheidened ist doch erstmal, dass Leute, die ohne Qualifikationen aber dafür mit unrealistischen Erwartungen nach Deutschland oder andere reiche Länder der EU wollen, davon abgeschreckt werden sollen.

    Dass man sein Land nun in keine Richtung verlassen können soll, wird wohl niemand denken.



    Die Spitzfindigkeit (Emi- vs Immigration) ist typisch Anwalt.



    Und als solcher Migrationsrecht hat er einen massiven Interessenkonflikt.

  • Die Allgemeine Erklärung der Menschen Rechte wird in der "Wertegemeinschaft Europa" (Ohne ratifizierte Verfassung) von seiner "Christlichen und Sozialen Regierung" missachtet. Wir sind Exportweltmeister und garantieren in unserer Verfassung Artikel 3 Satz 3 die Rassenhygiene.



    Im Sprachgebrauch wird in einem Satz nicht einmal zwischen dem Rechtauf Asyl und Migration unterschieden. Das kommt davon, wenn an der Bildung gespart wird und 100 Jahre nach der Gründung einer Republik (2500 Jahre nach der Römischen Republik) das Volk, der Souverän falsch informiert wird!



    Regiert euch selbst! Wer nicht hinschaut, kann nichts sehen! Jetzt kandidiert eventuell sogar der deutsche General Manager von Blackstone als Kanzlerkandidat?

    Wer Europa bewahren will, muss Afrika retten. Guten Morgen Abendland!

  • Grundsätzlich basiert jede Migration auf UNGLEICHGEICHT.



    Die Ursachen dafür liegen in ungleichen Freihandelsabkommen z.B. der EU ./. Afrika, in finanziellen Abhängigmachungen durch z.B. IWF-Kredite und der damit verbundenen "Öffnung" afrikanischer Märkte für subventionierte Überschusswaren aus Europa.



    Damit verbunden ist die VERNICHTUNG lokaler Afrikanischer Märkte, wie Fischerei, Viehzucht, Kleidermanufakturen, Landwirtschaft u.s.w.

    Die hiesigen Hauptmedien verbinden nun das allgemeine Asylrecht gem. § 3 Abs. 1AsylG - also Verfolgung wegen



    - ihrer Rasse,



    - Religion,



    - Nationalität,



    - politischen Überzeugung,



    - Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe

    - KRIEG ist KEIN begründeter Asylgrund.

    und das beliebige Recht auf Einwanderung aus Wirtschaftlichen Gründen zu einem gemeinsamen Thema MIGRATION - unter einem CARITATIVEN Aspekt, wissen aber sehr genau, dass Nato-Kriege in Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, sowie Sanktionen aller Art z.B. Ukraine, Syrien, Iran, Venezuela existenzvernichtende Waffen sind und Menschen aus ihren eigenen Ländern vertreiben.



    Unser Mainstream weiß also sehr genau, dass sie die VERURSACHER der MIGRATION sind.



    Einzig unsere Konzerne freuen sich, da das Übelste des Neoliberalismus / Monetarismus - die "hohen LOHNSTÜCKKOSTEN" - durch Migration auf das marktkonforme Maß reduziert werden. Die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich - ist UNGLEICHHEIT - und gehört zum Wirtschaftskonzept. Ohne UNGLEICHHEIT Stimmt die Rendite nicht. Die Ursachen von MIGRATION zu beseitigen heißt, sich nicht egoistisch einzumischen - sondern KOOPERATION.

    • @Fantastin:

      Bitte lesen Sie den Aufsatz eines Betroffenen aus Gambia von letzter Woche und überprüfen Sie an dem Beispiel Ihre Glaubenssätze. Was sagt er, und was kommt nicht vor?

      www.taz.de/Archiv-...!5543474&s=gambia/