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Kommentar Berlinale und #MeTooEine stimmige Geste

Kommentar von Tim Caspar Boehme

Mit verschiedenen Aktionen reagiert die Berlinale auf die #MeToo-Debatte. Das ist gut und richtig. Aber trotzdem bleiben einige Fragen offen.

#MeToo hat Konsequenzen für die Berlinale Foto: dpa

D ie Berlinale reagiert auf #MeToo. Sie bietet während des Festivals ein Beratungsangebot an, dazu Podiumsveranstaltungen zu Themen wie sexuelle Gewalt in der Filmbranche, so die Ankündigung auf der Pressekonferenz vergangenen Dienstag. Das ist allemal geboten und zu begrüßen.

Doch wie jetzt bekannt wurde, hatte die Berlinale schon längst reagiert. Festivalleiter Dieter Kosslick wurde am Samstag in der Neuen Osnabrücker Zeitung mit den Worten zitiert, man habe „in diesem Jahr Arbeiten von Leuten nicht im Programm, weil sie für ein Fehlverhalten zwar nicht verurteilt worden sind, es aber zumindest zugegeben haben“.

Als Geste ist das stimmig, auch wenn es streng genommen allein dieses Festival betrifft und die grundsätzliche Frage unbeantwortet bleibt, ob man künftig immer darauf verzichten sollte, Werke von Personen zu zeigen, die in dieser Form straffällig geworden sind. Die Berlinale tut in jedem Fall gut daran, solchen Leuten nicht eigens ein Forum auf dem roten Teppich zu bieten.

Eigenartig ist nur, dass dieser Schritt nicht gleich bei der offiziellen Präsentation des Festivals erwähnt wurde. Kosslick mag die Entscheidung im Vorfeld in Interviews angedeutet haben, so eindeutig wie jetzt war er da aber nicht geworden. Das nährt am Ende Zweifel daran, wie selbstbewusst man wirklich zur eigenen Position steht.

Ein weiterreichendes Zeichen kommt parallel von Bundeskulturstaatsministerin Monika Grütters. Ihre Ankündigung, eine Anlaufstelle für Missbrauchsopfer aus der Kreativbranche zu finanzieren, setzt ein klares politisches Signal für den ­Stellenwert der #MeToo-Debatte, die längst über die Grenzen des Filmgeschäfts hinaus alle Bereiche der Gesellschaft erreicht hat. Prinzi­piell ist das Angebot für alle Kultursparten gedacht, Grütters hat nach eigenen Angaben bisher mit Vertretern aus Film, Theater, Tanz und Musik gesprochen.

Das ist ein wichtiger Auftakt, wenn auch bloß ein Anfang. Immerhin: Er ist gemacht.

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Kulturredakteur
Jahrgang 1971, arbeitet in der Kulturredaktion der taz. Boehme studierte Philosophie in Hamburg, New York, Frankfurt und Düsseldorf. Sein Buch „Ethik und Genießen. Kant und Lacan“ erschien 2005.
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11 Kommentare

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  • Als Homosexualität noch strafbar war, wurden auch keine Werke von Schwulen gezeigt.

    • @J_CGN:

      Hmm, Homosexulität und sexuelle Gewalt gleichgesetzt, auch nicht gerade die neueste Idee.

  • Ogottogott... diese ganze #MeToo Debatte mag ja gerne `positiv aufklärerisch´ wirken, zumindest im Feld der geographischen Kultur westlichen Denkens. Jedoch? In all den historischen Bereichen "dunklen Denkens " religiöser und machtpolitischer Doktrinen, wo der antike Status des Krieger-Mannes (ob mit Keule, Schwert oder Schiessgewehr..) das Sozial/sexuelle Machtidol an sich ist.. um zu herrschen... ( und um die Frauen und Kinder zu erniedrigen und zu vergewaltigen..) , dort wird die #MeToo Debatte zu einer westlichen Lächerlichkeit , wird als Symbol männlicher Schwäche gesehen! Die bisherige #MeToo Debatte leidet, m.E. bisher unter der Abwesenheit einer Dimension des Antimilitarismus !

    Ich meine auch, das die Hollywood Filmindustrie viel zu sehr den männlichen Idealfiguren des Kriegers und MuchoMan und deren Kampfszenen verhaftet ist! ..eben `oldfashioned creation of male warrior heroes´! Die futuristische Kraft Europäischen Films liegt, m.E. in der humanen Erzählungsszenerie, ohne Verherrlichung des männlichen, historisch/heldischen Kriegerideals.. Klar: das ist auch ein Lernprozess in der Europäischen Filmindustrie... und manche tun sich schwer damit..

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    "...und die grundsätzliche Frage unbeantwortet bleibt, ob man künftig immer darauf verzichten sollte, Werke von Personen zu zeigen, die in dieser Form straffällig geworden sind." Wie daneben ist DAS denn?

    Resozialisierung funktioniert anders.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      "Resozialisierung"? Geht's noch?!

       

      Wie soll das denn z. B. bei Herrn Polanski aussehen? Kann mann/frau wirklich noch Filme von so einem "Menschen" ansehen?

      • @Frau Kirschgrün:

        Ja. Die Filme sind durchaus sehenswert. Zumindest aus künstlerischem Aspekt und auch weil sie Werk nicht nur von Polanski alleine sind.

         

        Das Zeigen / Sehen von Kunst an das korrekte Verhalten von Schaffenden zu knüpfen ist moralisierend.

         

        Oder würden Sie auch keinen Roman z.B. eines Betrügers oder gar Mörders lesen wollen, nur weil diese Person ein Verbrechen begangen hat?

         

        Diese Symbolhandlungen sind schlicht verstörend und voraufklärerisch.

        • @J_CGN:

          Na dann…

          Wenn Sie das trennen können…

          Woran soll dann das Schaffen gemessen werden? Die Kunst heiligt alle Mittel? Eindeutig NEIN.

          • @Frau Kirschgrün:

            Der Schritt vom Verurteilten zum Verdächtigen ist schon gemacht. Wenn nun die bloße Anschuldigung ausreicht um aus Ausstellungen und Präsentationen ausgeschlossen zu werden will ich nicht wissen, wo das hingeht. Vor allem wenn ein Werk schon bekannt und berühmt ist, bevor unschöne Dinge über den Schaffenden bekannt werden, müssten sie mir mal erklären, wie dieses das Werk beeinflussen kann.

            • @hopfen:

              UND @STRUPPI

              Der "Künstler" beeinflusst das Werk doch wohl mit seiner gesamten Persönlichkeit – und wenn die, sagen wir mal zweifelhaft ist, dann ist das ganze Werk doch von dieser Persönlichkeit durchzogen, auch wenn es gut "getarnt" ist. Ein Kinderschänder ist doch ein Kinderschänder, der wird doch nicht ein Kein-Kinderschänder, nur weil Ihnen sein Film gefällt?!

               

              Wie wichtig ist ein Film im Vergleich zum Kindeswohl? Eines "weiblichen" Kindes?

               

              Wieso hat der Mann/Künstler mehr Daseinsberechtigung als die Unversehrtheit eines Kindes? Egal ob "vor" oder" nach" dem Film.

               

              Das verstehe ich nicht. Wieso reist er nicht mehr in die USA ein? Das hat doch massive Gründe, wenn ein Mensch seit Jahrzehten nicht mehr in sein Heimatland fährt, denn er weiß natürlich, dass der Knast auf ihn wartet, und er weiß warum das so ist!

               

              Kleine Frauen (Mädchen) sind halt auch Frauen.

               

              Genau – wie im MIttelalter: die Frauen und Mädchen sind Freiwild und stehen weit unter Mann/Künstler.

          • @Frau Kirschgrün:

            Niemand heiligt etwas. Aber die gesellschaftliche ächtung als Strafe für vergehen, die z.t. nicht einmal juristisch aufgearbeitet wurden, erinnert an das Mittelalter.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      JA! Recht haben sie, Hr/Frau @VIRILIO !