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Klage der Herero gegen DeutschlandVölkermord? Nicht zuständig

Vor einem Jahr haben die Nachfahren der Opfer des Genozids Klage in New York eingereicht. Die Bundesregierung ignoriert sie.

Vertreter der Herero und Nama in Trachten bei einer Anhörung im Verfahren gegen die Bundesregierung in New York Foto: dpa

In der an Volten wahrlich nicht armen Geschichte der deutschen Auseinandersetzung mit dem kolonialen Genozid in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, steht dieser Tage eine für die Bundesrepublik Deutschland unangenehme Konfrontation an. Es geht um die Zulässigkeit der Klage, die Vertreter der betroffenen Volksgruppen Herero und Nama vor einem Jahr in New York gegen Deutschland einreichten.

Seit Herbst 2015 verhandelt Berlin mit der namibischen Regierung über eine Anerkennung des Völkermords, eine Entschuldigung und auch finanzielle Leistungen. Da sie sich nicht angemessen an den Gesprächen beteiligt sahen, verklagten Vertreter von Herero und Nama im Januar 2017 in New York die Bundesregierung auf eine offizielle Beteiligung an den Verhandlungen und auch auf Reparationen.

Um die Zulässigkeit dieser Klage zu prüfen, hat die zuständige Bezirksrichterin Laura Swain bereits drei Mal zu Anhörungen geladen. Offizielle Vertreter Deutschlands erschienen zu keinem dieser Termine. Deutschland verneint die Zuständigkeit des Gerichts, da es dem Grundsatz der Staatsimmunität widerspreche. Danach können „hoheitliche“ Akte eines Staates nicht durch Gerichte eines anderen Staates überprüft werden, im vorliegenden Fall etwa die Taten deutscher Soldaten im Krieg.

Unter Hinweis darauf verweigerte der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) bereits im vergangenen Sommer die Zustellung der Klageschrift an die Bundesregierung. Als Justizsenator obliegt ihm normalerweise diese Aufgabe. Das Auswärtige Amt konnte sich so auf den Standpunkt stellen, von der Klage nicht zu wissen und deshalb in New York auch nicht zu erscheinen. Der angesetzte Anhörungstermin im Juli fiel aus. Auch im Oktober erschien Deutschland nicht offiziell, worauf Richterin Swain eine erneute Anhörung für den 25. Januar 2018 ansetzte, und erklärte, dann notfalls auch ohne Deutschlands Anwesenheit entscheiden zu wollen.

Jürgen Zimmerer

ist Professor für Globalgeschichte (Schwerpunkt Afrika) an der Universität Hamburg und Leiter der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“.

Um die Gerichtspapiere zuzustellen, bedienten sich die Anwälte der Herero und Nama daraufhin des US-Außenministeriums, und in der Tat übermittelte die US-Botschaft in Berlin am 15. November die Klageschrift. Das heißt: Sie versuchte es, denn die Annahme wurde wieder verweigert. Das Auswärtige Amt erklärte: „Die Bundesrepublik Deutschland beabsichtigt nicht, sich in dieser Angelegenheit der US-Gerichtsbarkeit zu unterwerfen. Sie betrachtet somit die Übermittlung der Dokumente (…) nicht als rechtswirksame Zustellung.“

Das hätte es gewesen sein können. Es handelt sich um eine stringente Position. Wie tragfähig sie wirklich ist, können nur Gerichte feststellen, aber einer solchen Feststellung will sich die Bundesregierung nicht aussetzen. Das ist ärgerlich und auch beschämend, bedenkt man, dass der Hintergrund dieses Streits ja der 2015 von der Bundesregierung vollmundig angekündigte Versuch ist, historisches Unrecht zu bewältigen.

Lückenhafte Aussöhnung als Staatsräson

In Deutschland wurde die Vergangenheitsbewältigung nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem wesentlichen Element der deutschen Identität, die Anerkennung historischer Schuld und die damit verbundene Aussöhnung zu einem Teil der Staatsräson. Dies ermöglichte Deutschland nach dem Verbrechen des Dritten Reiches den Wiedereintritt in den Kreis der „zivilisierten“ Nationen, wie es hieß. Und in der Tat wurde hier Beachtliches geleistet. So stolz waren viele, dass deutsche Politiker in den letzten Jahren Deutschland der Türkei wiederholt als Vorbild für den Umgang mit einer genozidalen Vergangenheit empfahlen. 2016 erfolgte die offizielle Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern durch den Bundestag.

Dass diese Bereitschaft für den zehn Jahre zuvor von deutschen Truppen verübten Genozid in Deutsch-Südwestafrika nicht gilt, ist schwer zu vermitteln. Dass versucht wird, die Klage der Nachfahren der Opfer durch völkerrechtliche Winkelzüge ins Leere laufen zu lassen, statt mit ihnen einen offenen Dialog zu suchen, ist beschämend. Es braucht eine breite Diskussion der historischen Umstände und der Möglichkeiten des kritischen Umgangs damit. Die Frage nach der Pflicht zur Reparation bedarf der juristischen Klärung. Wenn man das nicht in New York will, hätte man das ja auch andernorts klären können. Das aber unterblieb. Die deutsche Regierung scheint an einer breiten, ergebnisoffenen Debatte und Auseinandersetzung kein Interesse zu haben. Die Klage der Herero und Nama gegen Deutschland ist eine Folge davon.

Interessanterweise lehnt Deutschland die Zuständigkeit des New Yorker Gerichts nun auch mit dem Hinweis ab, es handele sich um ein deutsches Problem, die Herero sollten in Deutschland ihr Recht suchen. Seiner eigenen Strategie des Ignorierens offenbar nicht mehr ganz vertrauend, beantragte Deutschland durch seinen US-amerikanischen Anwalt am 12. Januar 2018 in einem Schreiben an das New Yorker Gericht die Einstellung des Verfahrens. Über die Staatsimmunität hinaus verwies er auf den Umstand, dass Herero und Nama zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Verbrechen dem damaligen deutschen Recht unterworfen gewesen seien. Sie hätten deshalb auch heute zuerst Abhilfe in Deutschland zu suchen. Das sei aber nicht passiert. Auch deshalb sei das Verfahren einzustellen.

Die Begründung des deutschen Antrags zeigt überdies erneut, dass dem juristischen Begriff „Genozid“ eine Schlüsselbedeutung zukommt, etwa beim Vorwurf der Herero und Nama, sie seien im Zusammenhang mit dem Genozid enteignet worden. Das ist historisch zutreffend! Allein der Anwalt Deutschlands weist diesen Vorwurf, der wohl auch dazu dienen soll, Wiedergutmachungsforderungen zu begründen, dadurch zurück, dass er den Begriff des Genozids, der 1948 internationales Recht wurde, als nicht rückwirkend gültig erklärt. „Der juristische Begriff des Völkermordes“, so das Schreiben, „ist auf die mutmaßlichen Gräueltaten, die zwischen 1885 und 1909 stattfanden, nicht anwendbar.“

Es ist nur noch von „Gräueltaten“ die Rede

Auch dies verdeutlicht, warum Deutschland sich so schwer mit dem Begriff des Völkermordes tut. In Namibia kursiert das Gerücht, auch die deutsche Delegation bei den laufenden Regierungsverhandlungen würde vom Begriff des Völkermordes abrücken, stattdessen lieber von „atrocities“ (Gräueltaten) sprechen – ein Begriff, bei dem man keine juristischen Folgen befürchtet. Der deutsche Botschafter in Namibia sprach öffentlich in letzter Zeit ebenfalls von Gräueltaten statt von Genozid.

Was genau in den deutschen Vorschlägen an die namibische Regierung steht, ist unbekannt. Wenn Genozid dort deutlich als solcher benannt ist, ist diese Geheimniskrämerei, die der gesellschaftlichen Aussöhnung völlig unangemessen ist, noch bedauerlicher, denn sie schürt Misstrauen. Angemessener wäre es von Anfang an gewesen, den Genozid im Bundestag ohne Wenn und Aber anzuerkennen, wie man es im Falle Armeniens ja auch tat. Dieser Fehler ist kaum mehr zu korrigieren. Sehr viel Wohlwollen wurde verspielt, Prestige beschädigt.

Das Gericht in New York hat übrigens den deutschen Antrag auf Verfahrenseinstellung ausgesetzt, wegen eines Formfehlers. Ein derartiger Antrag bedürfe nämlich des Nachweises, dass man versucht habe, sich mit der Klägerseite zu einigen. Diese fehlten. Was nicht verwundert, ist doch ein Grund der Klage der Herero, dass die Bundesregierung nicht offiziell mit ihnen spricht.

Das Gericht in New York hat übrigens den deutschen Antrag auf Verfahrenseinstellung ausgesetzt, wegen eines Formfehlers.

Da nun aber die Bundesregierung in das Verfahren eingegriffen hat, wird auch erwartet, dass sie bei der nächsten Anhörung am 25. Januar präsent ist. Ihren Einstellungsantrag darf sie derweil bis zum 9. Februar nacharbeiten. Wenn sich auch dahinter eine tiefere deutsche Strategie verbirgt, dann entzieht sich diese dem Laien. Winkeladvokatentum wäre auch dies, mit dem Ziel, der Auseinandersetzung über die Ereignisse von vor 114 Jahren und ihren Konsequenzen aus dem Weg zu gehen. Beschämend!

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43 Kommentare

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  • Typisch. Hier kann man sehr gut an den Kommentaren erkennen, welche menschenverachtende Mentalität dahintersteht.

     

    Ein Genoizid ist mehr als Mord, sondern Massenmord, egal ob dahinter ein Totschlag, oder wenn man jemand absichtlich verhungern, oder durch Massenvergewaltigung oder in einem Völkerrechtswidrigen Überfall, Deutschlands dahinter steckte und steckt.

     

    Aber es gibt ja auch noch Menschen in diesem Land, die Juden den Holocaust nicht verzeihen"

     

    Das ganze läuft ja schon seit mindestens 1444 also mehr als 600 Jahre. Seit die ersten Sklavenschiffe in Lissabon angekommen sind.

     

    Aber unser Zorn ist schon verständlich also, wenn man bedenkt was wir gelitten haben. Was mussten unsere Eltern Tee pflücken für die Bonzen in Ceylon? Was haben unsere Eltern auf den Baumwollfeldern geschuftet für die Inder?

     

    Und die armen Sachsen in Kupferminen bei Dresden, nur damit die Kongolesen, 30 Elektrogeräte pro Haushalt haben, und die Kakao und Kaffee Plantagen in der Pfalz, Generationen von Pfälzern haben sich ihre Gesundheit ruiniert, für die ekligen afrikanischen Großkonzerne.

     

    Und die somalischen Fangflotten, die unsere Nordsee leer gefischt haben, deswegen mussten jetzt viele Ostfriesen Piraten werden.

     

    Und damals als die Herero Deutschland überfallen haben, und der Genozid an den Schwaben, das wirkt ja auch nach. So was kloppst Du dir nicht einfach aus den Kleidern, nach hundert Jahren tut das immer noch weh. Davon erholt man sich nicht so schnell. Wir stehen hier bis zu den Knien in ätzenden Chemikalien, damit man in Bangladesch für 7 Euro Jeans kaufen kann.

    Wie viele unserer Mädchen haben wir verloren, in den Diamant Minen bei Bielefeld, damit die Bonzen in Sierra Leone singen „DIAMONDS ARE THE GIRLS BESTS FRIENDS“

     

    Uns fliegen jetzt gerade 600 Jahre Kolonialismus, Ausbeutung, illegale Kriege um die Ohren, und wir müssen das irgendwie mit Anstand über die Bühne bekommen. Ohne zu verrohen, ohne zu Barbaren zu werden, wie unsere Vorfahren.

    • 6G
      69842 (Profil gelöscht)
      @Illoinen:

      Ich persönlich habe nie jemanden beraubt oder ausgebeutet, ich bin niemandem etwas schuldig und niemand wird mich von dieser Haltung abbringen.

  • @THE SWISS

    Es ist nicht passiert, nichts passiert einfach so, sondern es wird gemacht, weil man es kann, oder will, oder wollte.

     

    Wenn einer einen Mord begeht, ist das auch nicht einfach so "passiert", sondern bis heute verjährt Mord nicht.

  • 9G
    97256 (Profil gelöscht)

    wir gäbet nix

  • 8G
    82732 (Profil gelöscht)

    Propagiert hier die Taz eigentlich, dass Sachen die vor 100 Jahren in Afrika passiert sind, unter US-amerikanische (also böse kapitalistische) Bezirks-Gerichtsbarkeit fallen sollen!?

     

    Wann verhandelt eigentlich das Amtsgericht Poppenbüttel, sagen wir mal, das was mit den Indianern passiert ist !?

    • 9G
      97796 (Profil gelöscht)
      @82732 (Profil gelöscht):

      Vielleicht ist Poppenbüttel tatsächlich zuständig. Die Versklavung der Afrikaner haben schließlich Europäer zu verantworten.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Die Herero und Nama sind kein völkerrechtliches Subject mit dem Deutschland verhandeln könnte, man sollte sie zu den Verhandlungen als Beobachter zu lassen, dass gebietet schon der Respekt.

    Das Problem ist die Klage orientiert sich -mutmaßlich - an den Klagen der Zwangsarbeiter. Das waren direkt Betroffene. Die hier klagenden sind die Ur-Ur-Enkel der Opfer, würde hier rechtgegeben könnten Deutsche Frankreich wegen Napoleon, Schweden wegen des 30-Jährigen Krieges verklagen. Außerdem muss die damalige rechtliche Situation betrachtet werden, die betreffenden Völker haben Verträge mit dem deutschen Reich abgeschlossen und diese dann einseitig gewaltsam aufgekündigt - ist zynisch ich weiß, vor Gericht aber relevant. Außerdem wird es schwierig sein nachzuweisen, dass ein Herero ermordet und nicht "legal" im Kampf umkam, etc. Recht hat soviel mit Gerechtigkeit zu tun, wie Donald Trump mit Klimaschutz. Die Deutsche Regierung hat die Verhandlungen verbockt, aber eine Klage ist der falsche Weg und könnte im krassesten Fall sogar nach hinten los gehen, insbesondere wenn die damalige rechtliche Situation betrachtet wird die Beschlagnahmung, Internierung und Zwangsarbeit erlaubte. Es bleibt zu hoffen, dass das Gericht die Klage abweist und im Gegenzug die Bundesregierung die Herero und Nama in die Verhandlungen einbindet.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Ich finde es schon irgendie anmaßend, wenn sich ein amerikanisches Bezirksgericht in diesem Fall für zuständig erklärt. Immerhin weigert sich die US-Regierung hartnäckig, sich oder irgendeine*n US-Bürger*in der internationalen Gerichtsbarkeit zu stellen. Mit was für einem moralischen Recht kann man dann einem amerikanischen Gericht irgendeine internationale Zuständigkeit zusprechen?

  • "den Begriff des Genozids, der 1948 internationales Recht wurde, als nicht rückwirkend gültig erklärt. „Der juristische Begriff des Völkermordes“, so das Schreiben, „ist auf die mutmaßlichen Gräueltaten, die zwischen 1885 und 1909 stattfanden, nicht anwendbar.“"

     

    Wenn ich diese Logik und Argumentation stringent fortführte und der Begriff des Genozids nicht rückwirkend anwendbar sei, könnte ich auch den Holocaust nicht mehr als solchen Genozid klassifizieren, da der Begriff auch nicht 1 Minute oder 3-8 Jahre rückwirkend sein könnte.

     

    Ist das nicht eine Verharmlosung des Menscheitsverbrechens Völkermord an den Juden Europas, "liebe" Bundesregierung?!

     

    Neben der Idiotie für ein Völkerrechtssubjekt de lege scripta und stricta Restriktionen einzufordern die sie im eigenen Recht auch nie erhalten könnte, da die BRD Adressat dieser Grundrechte ist aber niemals Träger, ist es wirklich (k)eine Kunst sich so vollständig zu verbiegen und die eigene, strafbewährte Staatsraison auf dem Niveau von "der Hund hat meine Hausaufgaben gefressen" zu kompromittieren.

  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    Die Schuldigen sind nicht mehr da. Also bleibt wohl nur die Frage: Wieviel?

  • ist

    auch

    martinus

    luther

    geladen,

    der urvater

    des hasses

    gegen

    anders-

    gläubige und

    minderheiten?

  • Ich hätte gerne mal näher erläutert bekommen wer die Vertreter der Herero und Nama sind, die in New York vor Gericht gezogen sind.

    Ist das ein Vorsitzender eines Trachtenvereins oder ein offizieller und legitimierter Vertreter einer Volksgruppe oder handeln die Kläger mit Rückendeckung des Namibischen Staates.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...lese ich hier die Kommentare, so sehe ich, die Deutschen haben seit 1945 nichts, aber auch gar nichts dazugelernt.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Die meisten, die hier schreiben, dürften erst 1960 und später geboren worden sein.

      • @Nicky Arnstein:

        Die Kolonialzeit wird erst seit kurzem vermehrt kritisch aufgearbeitet und diskutiert.

      • @Nicky Arnstein:

        Das mag ja sein, aber ich kann auch aus der Geschichte lernen, ohne das alles selbst mitgemacht zu haben. Gleichzeitig wird dieser ganze faschistoide Krempel natürlich tradiert und verschwindet nicht einfach, weil der Nationalsozialismus gescheitert ist. Schon allein deswegen nicht, weil viele große oder kleine Fische nahtlos in die Bundesrepublik überführt worden und dort weiter ihr Unwesen trieben. Das macht dann eben auch was mit den Nachgeborenen. Dieses reflexartige Zurückweisen, als bräuchte man nur lange genug zu warten und schon ist die Sache erledigt. Das sind die gleichen Spielchen, die schon alle vor 1945 geborenen getrieben haben.

    • 9G
      97796 (Profil gelöscht)
      @81331 (Profil gelöscht):

      Stimmt. Die Deutschen waren 1945 genau so demokratisch, sozial engagiert, kritisch, unmilitärisch und pazifistisch wie heute. Das haben Sie fundiert herausgearbeitet.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Wer sagt Ihnen, dass die Kommentatoren deutsch sind?

  • Den "komplett falschen Weg" hat aber Deutschland in erster Linie eingeschlagen und nicht die Herero bzw. die Nama. Wir schreiben mittlerweile das Jahr 2018 - also genügend Zeit gehabt, endlich mal für diese Untaten einzustehen.

     

    Sonst sind die Bundesregierungen ja auch nicht so zurückhaltend, wenn es um Volkermorde anderer Länder in deren Vergangenheit geht.

  • Juristisch hat Deutschland völlig Recht. Und vor Gericht hat der Fall auch überhaupt nichts zu suchen. Das ist einfach der komplett falsche Weg. Deutschland sollte natürlich seine Schuld anerkennen und auch seine Verantwortung für die heute lebenden Herero und Nama. Ganz sicher gibt es auch weiterhin einen tatsächlichen Schaden für diese Menschen. Wenn diese von ihrer eigenen Regierung nicht angemessen beteiligt werden sollte Deutschland darauf dringen. Wenn die Entschädigungszahlungen nicht bei ihnen ankommen kann man sich der Hilfe örtlicher NGOs bedienen. Dass man im Auswärtigen Amt meint man müsse um Geld und Worte feilschen ist allerdings erbärmlich.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Benedikt Bräutigam:

      ...Sie haben aber schon verstanden, dass die BRD nicht mit den Herero und Nama verhandeln will?

      Problem liegt also nicht bei der namibischen Regierung, sondern einzig und allein bei der Regierung der BRD.

      • @81331 (Profil gelöscht):

        Warum sollte mit obskuren Stammesfürsten verhandelt werden, die keine dokumentierte Legitimation haben?

        Es entspricht demokratischen Gepflogenheiten, dass die beteiligten Staaten für Ihre Bürger verhandeln. Nicht irgendwelche Privatpersonen.

        Mag sein, dass sich diese Gruppen nicht durch ihren Staat vertreten fühlen, aber welchen Wert hat eine Verhandlung mit nicht-legitimierten Dritten???

      • 9G
        97796 (Profil gelöscht)
        @81331 (Profil gelöscht):

        Verhandlungen wären ein Schuldeingeständnis. Und da ich nichts getan habe: Not in my name.

      • @81331 (Profil gelöscht):

        Das ist traurig. Und ein Grund andere Parteien zu wählen, wenn Ihnen die Arbeit der Regierung nicht gefällt. Aber daraus können Sie doch keinen Rechtsgrundsatz ableiten.

         

        Richtig ist, wie mehrfach erwähnt und vom Autor auch zunächst noch korrekt dargestellt (wenngleich hernach unter Berufung auf sein Laientum beweint), dass ein US-amerikanisches Gericht keine für die BRD bindenden Urteile sprechen kann. Es ist also völlig egal, was das Bezirksgericht dort ausurteilt. Das Urteil ist gegen die BRD nicht vollstreckbar (welchen Gerichtsvollzieher wollten Sie auch wohin schicken?).

         

        Daher ist der - einzige - korrekte Weg natürlich der einer freiwilligen staatlichen Verpflichtung zu Reparationsleistungen. Das ist aber ein politischer, kein rechtlicher Prozess.

        • @Hanksson:

          Ich stimme Ihnen zu, der rechtliche Weg scheint mir dergestalt nicht weit zu reichen. Dieser Schritt zeigt aber eben auch die Verzweiflung der Klagenden, irgendwie an Deutschland heranzukommen. Da die so adressierten das Kind nicht beim Namen nennen wollen und lieber darauf setzen, dass sich schon niemand so besonders für irgendwelche afrikanischen Länder interessiert, bietet ein Prozess zumindest eine mediale Bühne.

  • Prinzipiell ist es nachvollziehbar, daß auch "späte Nachkommen" Mord und Totschlag aufgeklärt haben wollen. Nur, bis zu welcher Zeit soll man denn da zurückschauen und wer will entscheiden, bei welcher Jahreszahl da eine Grenze gezogen werden soll ? Und daß da eine Grenze gezogen werden muß, steht außer Frage, sonst kommt irgendeiner und möchte für die Christenverfolgung vor zweitausend Jahren eine Entschädigung. Also wo soll die Grenze sein und wie würde man begründen, daß eine grauenhafte Mördertat verfolgt würde und die andere, einen Monat vor der Grenze, eben dann gerade nicht ? Ich kann die Hereros verstehen und finde das erlittene Unrecht auch zutiefst bedauernswert, aber ebenso könnte ich den französischen Angriff auf Deutschland 1870 zum Thema machen. Und spätestens da würde sich doch jeder an den Kopf tippen, oder ?

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Thomas Schöffel:

      ...bis zu welcher Zeit?!

      Großspurige den Genozid in Armenien anerkennen und die eigene Scheisse nicht sehen wollen, dass ist Deutschland im 21. Jahrhundert.

  • Das New Yorker Gericht ist da nicht zuständig. Aber auch ansonsten ist die Klage unbegründet. Es handelt sich um Ereignisse, die über hundert Jahre zurück sind. Alle beteiligten Personen leben nicht mehr. Selbst direkte Nachkommen dürften nicht mehr leben. Es gibt im Recht mit gutem Grund bestimmte Ansprüche, die entweder nicht vererbbar sind oder die nach 30 Jahren spätestens verjähren.

    Natürlich ist das für Anwälte ein gefundenes Fressen. Es wird mit Erfolgshonorar geklagt. Im Erfolgsfall bekommen die Anwälte einen Großteil der Entschädigung. Das ist ein unmoralisches Geschäftsmodell. Daher ist es nur richtig, dies zu ignorieren.

    Die koloniale Geschichte Deutschlands aufzuarbeiten ist sicher nicht verkehrt. Das geht aber nicht vor einem Gericht in New York, sondern durch Historiker in Namibia und Deutschland. Der Abschluß eines solchen Prozesses kann dann durchaus eine Erklärung des Bundestags sein. Hier aber geht es weder um historische Aufarbeitung noch um Entschädigung von Opfern. Hier geht es schlicht um unmoralischen Profit.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Velofisch:

      ...Genozid ist Mord, und Mord verjährt nie.

      • @81331 (Profil gelöscht):

        Die Ahndung jeder Straftat endet mit dem Tod des Täters. Aber es geht hier nicht um Strafrecht sondern um Zivilrecht - allenfalls Verwaltungsrecht.

      • @81331 (Profil gelöscht):

        Tja, also.. nein. Wie @Kater schon erwähnt hat: Es geht darum, dass die strafrechtliche Verfolgbarkeit eines Mordes nicht verjährt. Allein: Selbst wenn man den Genozid als Mord anerkennen wollte (was naheliegt, wobei auch Totschlag in Betracht kommt), so sind die Mörder von damals längtst tot.

         

        Die zivilrechtlichen Ansprüche verjähren allerdings durchaus, und zwar (§ 199 Abs. 2 BGB) nach dreißig Jahren.

      • 9G
        97796 (Profil gelöscht)
        @81331 (Profil gelöscht):

        Doch, auch Mord verjährt. Vielleicht nicht rechtlich, aber durchaus natürlich. Und zwar wenn der oder die Täter sterben.

      • 6G
        69842 (Profil gelöscht)
        @81331 (Profil gelöscht):

        Und gegen wen wollen Sie strafrechtliche Ermittlungen aufgrund dieses nicht-verjährten "Mordes" führen, da Sie ja so ein Jura-Experte sind? :D

        • @69842 (Profil gelöscht):

          Schreibt Virilio, dass sie_er das will?

      • @81331 (Profil gelöscht):

        Hier geht es nicht um Strafverfolgung.

  • Welcher Staat unterwirft sich bitteschön der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates? Man denke sich einfach mal den umgekehrten Fall.

     

    Die Aufgabe der Herero und Nama einzubinden obliegt deren Regierung, dafür gibt es diese schließlich.

    • @insLot:

      Jein. Die Aufgabe obliegt auch durchaus der Regierunger der BRD. In der Entwicklungszusammenarbeit oder humanitären und Sicherheitspolitik ist es völlig normal, dass wir auch "regierungsfern", also mit nicht-staatlichen Akteuren zusammenarbeiten.

       

      Es ist nur einfach politisch ein Affront sondersgleichen, wenn die BRD jemanden an den Tisch holt, den der eigentlich verantwortliche Verhandlungspartner nicht mit einbinden möchte. Das ist aber eine Frage der Diplomatie und keine des Rechts. Schon gar nicht, und insoweit haben Sie vollkommen Recht, eine der staatlichen Souveränität.