Festgesetztes Rettungsschiff in Italien: Indizien gegen die Seenotretter
Die italienische Staatsanwaltschaft wirft „Jugend rettet“ vor, sich mit Schleppern abgesprochen haben. Fotos und Abhörprotokolle sollen das belegen.
Dabei handelt es sich zum einen um Fotos von zwei „Iuventa“-Einsätzen vom Juni dieses Jahres. Darauf ist zu sehen, wie ein Beiboot der „Iuventa“ ein leeres Flüchtlingsboot schleppt. Die Polizei behauptet, das Schiff sei dabei in libysche Gewässer zurückgebracht worden, damit die Schlepper es erneut benutzen können. Auf anderen Bildern ist zu sehen, wie zwei Männer in einem Holzboot den Motor eines vollbesetzten Flüchtlingsbootes abbauen und mitnehmen. Die „Iuventa“ ist dabei vor Ort. Die Polizei sagt, deren Besatzung habe damit die Aktivitäten von Schleppern zugelassen.
Weiterhin zitiert die Polizei aus Abhörprotokollen. Demnach habe ein weibliches Besatzungsmitglied der „Iuventa“ gesagt, Fotos von Schleusern würden nicht an die italienischen Behörden übergeben, damit es nicht zu Festnahmen komme.
Die Staatsanwaltschaft folgert daraus, dass die „Iuventa“ sich mit Schleppern abgesprochen und teilweise agiert habe, ohne dass die Migranten in Gefahr gewesen seien. „Sie wurden von den Schleusern eskortiert und unweit der libyschen Küste der Besatzung der ,Iuventa' übergeben“, sagte der Staatsanwalt Ambrogio Cartosio der Zeitung La Repubblica.
„Kriminalisierungskampagne“ gegen Seenotretter?
Italienische Medien berichteten, die Justiz sei von der NGO Save the Children auf die Vorfälle aufmerksam gemacht worden. Save the Children ist selbst mit einem Rettungsboot vor Libyen aktiv. Die NGO lehnte eine Stellungnahme ab. Auch Jugend Rettet wollte am Donnerstag keine Stellungnahme abgeben.
Die italienische Regierung hat von den acht Seerettungs-NGOs im Mittelmeer verlangt, einen Verhaltenskodex zu unterschreiben. Jugend Rettet gehört zu fünf NGOs, die am Montag nicht unterzeichneten. Das Gleiche gilt für Sea Watch. Deren Schiff „Sea Watch 2“ liegt derzeit mit einem Motorschaden im Hafen von Valletta. Ihr Sprecher Ruben Neugebauer sagte am Donnerstag der taz, er sehe eine „Kriminalisierungskampagne“ gegen die Seenotretter. „Auch wenn die Justiz sagt, dass ihre Aktion nicht in einem Zusammenhang mit dem Kodex-Streit steht: Das riecht schon sehr danach.“
In der Vergangenheit seien die Vorwürfe der Zusammenarbeit mit Schleppern mehrfach erhoben worden, hätten sich aber stets als „heiße Luft erwiesen“. Es sei denkbar, dass nun neue Vorwürfe konstruiert würden. Die Fotos, die die italienische Justiz vorgelegt habe, könnten unter vielen Umständen entstanden sein, sagte Neugebauer.
Unterdessen setzten die NGOs SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen ihre Einsätze fort. Seit Dienstag nahm SOS Méditerrannée nach eigenen Angaben 272 Menschen und 8 Tote an Bord. Die Menschen seien erstickt und wiesen schwere Verbrennungen vom Gemisch aus Benzin und Salzwasser auf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Die Linke im Bundestagswahlkampf
Kleine Partei, großer Anspruch
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?