Klage gegen G20-Demoverbotszone: Polizei fürchtet linke Anwälte
Die Polizei wirft Juristen, die gegen das Demoverbot klagen, die Mitgliedschaft in linken Vereinen vor. Das ist auch für Olaf Scholz problematisch.
Die Polizei geht davon aus, die Jurist*innen würden ein riesiges linksradikales Netzwerk mobilisieren, wenn sie die Möglichkeit bekämen zu demonstrieren. Das geht aus der sogenannten Gefahrenprognose, einer schriftlichen Stellungnahme der Polizei hervor, die der taz in Auszügen vorliegt.
Die Antragsteller*innen hatten argumentiert, bei Rechtsbrüchen durch die Polizei müsste es jederzeit möglich sein, auch innerhalb der Demoverbotszone dagegen spontan zu demonstrieren. Die Polizei verwies daraufhin auf die frühere Mitgliedschaft der vier Antragsteller*innen bei der Initiative Hamburger aktive Jurastudent*innen und dem linken Netzwerk kritischer Jurist*innen, KritJur. Darüber hinaus problematisierte sie die Mitgliedschaft ihrer Anwält*innen beim Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), einem bundesweiten Zusammenschluss von Anwält*innen für Demokratie und Menschenrechte.
Am 7. und 8. Juli treffen sich in Hamburg die Staatschefs der größten Industrie- und Schwellenstaaten zum G20-Gipfel. Die taz berichtet dazu in einem laufend aktualisierten Schwerpunkt und ab dem 1. Juli mit täglich 8 Sonderseiten.
Die Polizei zieht aus dieser „Vernetzung“ den Schluss, dass „bei Spontanversammlungen damit zu rechnen ist, dass nicht nur eine geringe Teilnehmerzahl an solchen Versammlungen teilnehmen wird, und (…) dies auch in die ‚linke bis linksextremistische Szene‘ transportiert werden würde“. Mit ihrer Argumentation zielt die Polizei auf die persönliche Glaubwürdigkeit der Jurist*innen. Auf Anfrage wollte sie sich aufgrund des laufenden Verfahrens nicht äußern.
Polizei definiert den Rechtsstaat neu
Der RAV kritisiert, dass die Polizei das „zentrale rechtsstaatliche Prinzip“ der freien Anwaltswahl verletze. Sie unterteile Rechtsanwält*innen in „genehme“ und „gefährliche'“, dies setze „Grundregeln des Rechtsschutzes außer Kraft“.
Peer Stolle, Rechtsanwalt und Vorstandsvorsitzender des RAV, sieht das Vorgehen in einem größeren Zusammenhang: „Die Argumentation der Hamburger Polizeiführung schließt sich nahtlos an die Missachtung des Gewaltenteilungsprinzips in den vergangenen Tagen an, als sich die Hamburger Polizei über gerichtliche Entscheidungen schlicht hinweggesetzt hat.“ Dass die Polizei kein Protestcamp dulde, obwohl das Bundesverfassungsgericht anders geurteilt hatte, mache deutlich, dass sie geltendes Recht so lange missachte, bis die Rechtslage für sie passend sei.
Ihrem Schreiben angehängt hat die Polizei Screenshots der Anwaltssuche auf der Internetseite des RAV – als Beweis für die Mitgliedschaft der Kläger-Anwält*innen. Hätte die Polizei in diese Suchzeile den Namen von Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) eingegeben, wäre sie auch fündig geworden. Denn auch Scholz ist Mitglied des RAV.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ost-Preise nur für Wessis
Nur zu Besuch
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Etgar Keret über Boykotte und Literatur
„Wir erleben gerade Dummheit, durch die Bank“
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Verzicht auf Pädagogen in Bremer Kitas
Der Gärtner und die Yogalehrerin sollen einspringen
Grüne Parteitagsbeschlüsse
Gerade noch mal abgeräumt