USA und Pariser Klimaabkommen: Mit Fake Facts zum Ausstieg
Donald Trump will das Pariser Abkommen zum Klimaschutz verlassen. Seine Begründung strotzt vor verdrehten Tatsachen und Fehlern.
Die lang erwartete Urteilsverkündung zum Klimaschutz durch Donald Trump strotzt dann auch vor Halbwahrheiten und verdrehten Tatsachen. In der knapp 30-minütigen Ansprache wiederholt der bekennende Klimaleugner immer wieder ein Thema: Der Vertrag ist unfair, weil er den USA Pflichten auferlegt, die andere Länder nicht haben; Klimaschutz ist eine Bürde für die US-Wirtschaft; und das Pariser Abkommen sei ein Mittel der anderen Staaten, die USA ökonomisch zu unterjochen.
Da sind die Fakten nicht mehr wirklich wichtig.
Trump erklärt, das Abkommen sei für Millionen von verlorenen Jobs in den USA verantwortlich – aber es ist überhaupt erst seit November 2016 in Kraft. Die Verpflichtungen der USA daraus im „Clean Power Plan“ wiederum greifen noch nicht – der Plan hängt in den USA vor den Gerichten fest. Dass die USA historisch weltweit am meisten Treibhausgas in die Luft geblasen haben, dass sie immer noch einen der höchsten pro-Kopf-Ausstöße aller Länder haben und auch absolut hinter China noch auf Platz zwei der Verschmutzer liegen, erwähnt er nicht. Wenn er von den „großen Verschmutzern“ redet, meint er nicht sein eigenes Land.
Er jongliert mit seltsamen Zahlen
Trump verspricht seinen Zuhörern, er werde aussteigen oder „einen besseren Deal verhandeln.“ Allerdings ist bislang niemand in Sicht, der mit ihm diesen Deal machen könnte. „Keine Nachverhandlungen“ ist der globale Konsens. Die Kündigung des Vertrages würde formell erst 2020 greifen, doch die darin enthaltenen nationalen Ziele zur CO2-Minderung sind rechtlich nicht bindend.
Trump jongliert mit seltsamen Zahlen. Das Abkommen werde in den USA bis 2025 insgesamt 2,7 Millionen Arbeitsplätze kosten, zitiert er die „National Economic Research Associates“ – keine international anerkannten unabhängigen Ökonomen, sondern eine Firma von Wirtschaftsberatern, die ihren Kunden aus der Industrie gern aufschreiben, was Umweltgesetze kosten. Laut „Source Watch“ hat das Institut etwa für die Kohleindustrie errechnet, dass Öko-Auflagen der Umweltbehörde EPA die Industrie 11 Milliarden Dollar jährlich kosten. Renommierte Forscher bei der OECD, dem Zusammenschluss der Industrieländer, haben dagegen Rechnungen präsentiert, dass Klimaschutz sich insgesamt für die G20-Staaten sehr schnell in Wachstum, Arbeitsplätzen und Modernisierung niederschlagen kann.
Pruitt flunkert zu China
Trump erweckt den Eindruck, China habe den besseren Deal bekommen. „Noch 13 Jahre“ dürfe das Land seine Emissionen steigern, klagt er – korrekt. Dass China erst vor wenigen Jahrzehnten mit der Industrialisierung begonnen hat und weniger als die Hälfte der Emissionen pro Kopf vorweist, sagt er nicht. Er beklagt sich, China und Indien „dürfen hunderte von zusätzlichen Kohlekraftwerken bauen, wir aber nicht.“ Das Abkommen selbst verbietet gar nichts – sondern die USA haben das in ihrem eigenen Klimaplan so festgelegt. Und gerade China und Indien haben im letzten Jahr den Bau von etwa 120 Kraftwerken gestoppt.
„China hat seine Emissionen nicht verringert“, sagt danach Scott Pruitt, der Chef der Umweltbehörde EPA zu CNN. Die Zahlen sprechen dagegen: Seit drei Jahren sinken die chinesischen Emissionen und Kohleverbräuche.
Ein riesiger Unterschied
„Mit Erneuerbaren können wir ein Prozent Wachstum befeuern“, sagt Trump. „Für die drei bis vier Prozent Wachstum, die ich erwarte, brauchen wir alle Energieformen“. Da ist der Präsident sehr optimistisch. Seit 2015 bewegt sich das US-Wachstum zwischen 0,8 und 3,5 Prozent.
Wieder seltsame Zahlen: Selbst wenn das Pariser Abkommen erfolgreich sei, so Trump, werde es „im Jahr 2100 nur 0,2 Grad weniger Erwärmung bringen“. Möglicherweise bezieht er sich auf eine sehr konservative Studie der Uni MIT. Die Experten vom „Climate Action Tracker“ aus verschiedenen Thinktanks sehen dagegen das Potenzial, dass die Erwärmung „mit Paris“ bei jetziger Anstrengung um 0,8 Grad geringer ausfällt als „ohne Paris“. Wenn das Pariser Ziel von höchstens 2 Grad erreicht wird, steigt die Differenz sogar auf 1,6 Grad – ein riesiger Unterschied zwischen Klimawandel und Klimakatastrophe.
Amerika bleibe ein „Anführer im Umweltschutz“, so Trump. Dort gebe es „die sauberste Luft, das sauberste Wasser.“ 2009 lebten aber nach einem Bericht der „American Lung Association“ 60 Prozent der US-Amerikaner in Gegenden, wo die Luftverschmutzung so stark war, dass sie krank machen kann. Die Werte haben sich allerdings seitdem in manchen Bereichen verbessert.
Die Länder haben sich ihre Ziele selbst gegeben
„Der Grüne Klimafonds verpflichtet die Industrieländer, 100 Milliarden Dollar im Jahr zu zahlen“, beschwerte sich der Präsident. Das ist schlicht falsch. Im Pariser Abkommen steht eine Zusage der Industrieländer von 2009, dass sie ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für Hilfen zum Klimaschutz in armen Ländern „mobilisieren“ wollen – aus staatlichen Hilfsgeldern, aber auch aus Krediten und Investitionen. Im „Grünen Klimafonds“ haben die Industrieländer 2014 insgesamt etwa zehn Milliarden Dollar versprochen. Die USA haben drei Milliarden zugesagt, bisher aber nur eine Milliarde gezahlt, der Rest wird nicht mehr fließen.
Während die USA „Milliarden und Milliarden“ gezahlt hätten, würden andere Länder nichts tun – wieder falsch. China etwa hat angekündigt, 3,1 Milliarden Dollar in Klimahilfen zu investieren, allerdings nicht über den „Grünen Klimafonds“. Deutschland hat eine Milliarde gezahlt, pro Kopf zwölf Dollar, deutlich mehr als die neun Dollar der US-Amerikaner. Den Rekord halten Schweden und Luxemburg mit jeweils fast 60 Dollar pro Einwohner. Die „Milliarden“ aus den USA seien an Länder geflossen, die gleichzeitig den USA die Jobs gestohlen hätte, so Trump weiter. Bisher flossen die Gelder des Grünen Fonds aber eher an Staaten wie Tadschikistan, Fidschi, Peru, Salomon-Inseln oder Malawi.
„Unsere Wirtschaft ist geschrumpft, während der Rest der Welt diese Klimaziele nicht einhalten muss“, sagte EPA-Chef Scott Pruitt. Fakt ist, dass im Pariser Abkommen jedes Land selbst seine Ziele definiert hat und sie gerade nicht von außen diktiert bekommt. Wer Klimaziele einhalten muss, hat sie sich selbst gegeben. Und wenn er sie nicht erreicht, gibt es keine Sanktionen. Nicht einmal, wenn er aus dem Abkommen aussteigt – und auch nicht, wenn er diesen Ausstieg mit windigen Argumenten begründet wie Donald Trump.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies