Initiative „Volksentscheid retten!“: Klatsche nach zehn Monaten

Berlins Innensenator hält das Volksbegehren „Volksentscheid retten!“ teilweise für rechtswidrig. Die Initiative wirft ihm vor, die Prüfung verschleppt zu haben.

Protest der Initiative volksentscheid retten!

Ist auch schon ein halbes Jahr her: Protest von Mitgliedern der Ini „Volksentscheid retten!“ im Oktober vor dem Roten Rathaus Foto: dpa

Erneut hat die Innenverwaltung wesentliche Teile eines geplanten Volksbegehrens für gesetzeswidrig erklärt – und damit wieder den Zorn einer Initiative auf sich gezogen. Das Volksbegehren „Volksentscheid retten!“ verstößt laut der Zulässigkeitsprüfung der Verwaltung in einem zentralen Punkt gegen das Grundgesetz. Genau dieser ist für die gleichnamige Initiative aber offenbar unverzichtbar.

Die Initiative hatte im Juli 2016 rund 70.000 Unterschriften bei der Innenverwaltung eingereicht. Damit nahm sie deutlich die erste Hürde zur Einleitung eines Volksbegehrens. Ziele der Initiative sind niedrigere Hürden für Volksbegehren und Volksentscheide sowie die Zusammenlegung von Volksentscheiden mit Wahlen. Diese Punkte stufte die Innenverwaltung als zulässig ein.

Die Initiative will jedoch auch erschweren, dass das Abgeordnetenhaus Gesetze ändert, die per Volksentscheid verabschiedet wurden – wie etwa das 2014 beschlossene Tempelhofer Feld-Gesetz, das von der damaligen SPD-CDU-Koalition 2016 modifiziert wurde. Die Bürger sollen solche Veränderungen mit einem erneuten Referendum verhindern können. Diese Regelung „verstößt allerdings gegen das Grundgesetz“, teilte die Innenverwaltung der Initiative wenige Tage vor Ostern mit. Die Verwaltung beruft sich dabei auf eine Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofes von 2009, laut der das Parlament bestimmte Volksentscheide „jederzeit“ ändern oder aufheben können muss.

„Für uns ist wichtig, dass ein Einspruchsreferendum eingeführt wird“, betont Mareike Witt, Mitglied der Initiative, gegenüber der taz. Vorbild sei dabei Hamburg, wo es dieses fakultative Referendum seit 2009 gibt. Bis zum 31. Mai muss die Ini­tia­tive nun entscheiden, wie sie mit dem Ergebnis der Prüfung umgehen will – die ursprünglich auf 14 Tage begrenzte Prüfungsfrist hat die Innenverwaltung am Donnerstag auf Bitte der Initiative verlängert.

„Wir werden uns mit der Mitteilung der Verwaltung intensiv auseinandersetzen“, kündigt Mareike Witt an. Verändert die Initiative den Gesetzentwurf nicht, wird ihn der Senat aller Voraussicht nach dem Verfassungsgerichtshof vorlegen, der ihn dann abschließend auf seine Zulässigkeit prüfen muss.

„Für uns ist wichtig, dass ein Einspruchsreferendum eingeführt wird“, betont Mareike Witt von der Initiative

Der Entwurf der Initiative „Volksentscheid retten!“ ist bereits der zweite, der in der noch kurzen Amtszeit von Innensenator Andreas Geisel (SPD) langwierig geprüft und schließlich in wesentlichen Punkten als gesetzwidrig eingestuft wurde. So war es Ende Februar bereits der Initiative „Volksentscheid Fahrrad“ ergangen: Das Land dürfe Fahrradstraßen und andere Radwege nicht so einrichten wie im Entwurf vorgesehen, da dafür die Gesetzgebungsbefugnis fehle, lautete damals das Ergebnis der Prüfung.

Die Radlerinitiative warf Geisel eine Verzögerungstaktik vor, die „angesichts des Rekordhochs an getöteten Radfahrern“ nicht hinnehmbar sei. Die Innenverwaltung hatte neun Monate für die Prüfung gebraucht, obwohl bereits im Oktober 2016 ein beauftragtes Gutachten vorlag, wie die taz Anfang Januar enthüllt hatte.

Die Initiative will die Quoren für Entscheide absenken: Statt einem Viertel der Wahlberechtigten müsste ein Fünftel zustimmen. Mit einem fakultativen Referendum sollen die Bürger vom Parlament veränderte Volksentscheide blockieren können.

Dafür muss die Verfassung geändert werden. Deswegen müssen in der ersten Stufe 50.000 statt 20.000 Unterschriften gesammelt werden, in der zweiten 500.000 statt 170.000.

Die gleiche Kritik äußert nun Mareike Witt: „Die Prüfung ist vom Senat verschleppt worden.“ Obwohl laut Witt das vom Senat in Auftrag gegebene verfassungsrechtliche Gutachten bereits im Oktober vorlag, kam erst im April die Mitteilung der Verwaltung. „Das sind über zehn Monate, normalerweise werden zwei Monate benötigt.“

Die Initiative hatte eine Abstimmung über ihren Gesetzentwurf am Tag der Bundestagswahl Ende September angestrebt, um nicht am Quorum zu scheitern. Dieses ist für verfassungsändernde Initiativen deutlich höher als für einfache. „Diese absichtlich lange Prüfung hat das verhindert“, so Witt. Diese Taktik des Senats sei ein weiterer Beleg dafür, „dass unser Volksbegehren nötiger denn je ist: Die Prüfung durch den Senat muss befristet werden.“ Auch das steht im Entwurf der Initiative.

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