Proteste in Polen: „Freie Medien – freies Polen“
Zehntausende gehen in Warschau und anderen Städten auf die Straße. Die regierende PiS stört das weniger als die zunehmende Kritik aus der EU.
Die Bürgerrechtsbewegung „Komitee zur Verteidigung der Demokratie“ (KOD) organisierte die Demonstrationen in ganz Polen gegen das neue Mediengesetz, das den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter direkte Regierungskontrolle stellt. Trotz eisiger Kälte demonstrierten nicht nur in Warschau zwischen 10.000 und 20.000 Polen gegen die befürchtete Partei-Propaganda in Radio und Fernsehen. Auch in 18 weiteren Städten gingen Tausende auf die Straße, schwangen polnische und EU-Flaggen und forderten lautstark „freie Medien“.
Dem „kleinen Mediengesetz“, mit dem bereits das gesamte Führungspersonal von Fernsehen und Rundfunk ausgetauscht werden konnte, soll demnächst das „große Mediengesetz“ folgen, das den bisher als Handelsgesellschaft organisierten Öffentlichen Rundfunk in mehrere „nationale Kulturinstitute“ umgestalten soll. Die Folge wird sein, dass nicht nur die Chefs von Radio und Fernsehen direkt vom Schatzminister ernannt werden, sondern auch alle Journalisten entlassen und – nach einer „Verifikation“ – entweder neu eingestellt werden, oder aber demnächst auf der Straße stehen und zusehen müssen, wo sie unterkommen.
Noch ist die Protestbewegung schwach. Die Bühne für die Redner ist viel zu niedrig, die Lautsprecher schlecht aufgestellt, so dass die begeisterten Demonstranten auch während der Reden vor dem Fernsehsender TVP Info ständig in ihre Vuvuzelas blasen. Vielleicht hören die neuen Mächtigen ja den Protestlärm, scheinen sie zu denken.
Unangenehm sind die Meinungen aus der EU
Doch Ewa Wanat, die einstige Chefredakteurin des öffentlich-rechtlichen Radios RDC, ist sich klar, dass „wir nur ein Zeichen setzen und uns gegenseitig unserer Solidarität versichern können“. Jaroslaw Kaczynski, den Parteivorsitzenden der rechtsnationalen Recht und Gerechtigkeit (PiS), der seit den Wahlen im Oktober 2015 den Regierungskurs in Polen bestimmt, werden die Proteste nicht beeindrucken. Im Gegenteil, die Anti-Regierungs-Demonstrationen sind für ihn ein „Beispiel für die gut funktionierende Demokratie in Polen“.
Unangenehm für die mit absoluter Mehrheit im Parlament regierende PiS sind weniger die Proteste im eigenen Land, sondern die Mahnungen aus der EU und der UN. Als EU-Parlamentspräsident Martin Schulz nun in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Polens Regierung erneut vorwarf, gegen demokratische Grundsätze zu verstoßen, protestierte sogleich eine ganz Phalanx PiS-treuer Journalisten, die auf neue Jobs im Staatsrundfunk hoffen. „Die polnische Regierung“, so Schulz im FAS-Interview, „betrachtet ihren Wahlsieg als Mandat, das Wohl des Staates dem Willen der siegreichen Partei unterzuordnen, inhaltlich und personell“. Dies sei eine „gelenkte Demokratie nach Putins Art, eine gefährliche Putinisierung der europäischen Politik“.
Zwar ist das in Polens politischer Landschaft kein neues Argument, werfen sich doch hier Regierung wie Regierungsgegner gleichermaßen vor, mit Putin unter einer Decke zustecken, alte Bolschewisten oder linke Vaterlandsverräter zu sein. Doch wenn ein Ausländer so etwas sagt, noch dazu ein EU-Politiker, müssen sich Polens Politiker tatsächlich damit auseinandersetzen. Und auch die EU-Flaggen auf Polens Straßen werden weiter wehen.
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