Energie aus Gülle und Mais: Der Aufstand der Biogasbauern
Die Bundesregierung hat die Förderung für Biogas zusammengestrichen. Die Branche ist sauer. Sie klagt nun vor dem Bundesverfassungsgericht.
Seit 2009 ist die Anlage im schleswig-holsteinischen Labenz am Netz, Wilke – stämmig, wohlbeleibt, blond – ist ihr Geschäftsführer. Nach seinen Angaben versorgt sie 6.000 Haushalte mit Strom und 450 Häuser mit Fernwärme. Herzstück sind drei Gärbehälter mit 25 bis 32 Meter Durchmesser, Betonwänden und rotbraunen Plastikdächern, die Mützen von Mainzelmännchen ähneln.
Außer mit Gülle füttern Wilkes Leute die Anlage vor allem mit Mais, der noch mehr Energie pro Kilogramm liefert. Das entstehende Methan wird unter dem Dach aufgefangen und in Motoren verbrannt, die Generatoren antreiben. Die Abwärme erhitzt Wasser für die Heizungen.
Bisher war das ein sicheres und lukratives Geschäft. Denn wegen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) musste der örtliche Netzbetreiber die gesamte Stromproduktion 20 Jahre zu einem festen Tarif kaufen. Dieser liegt weit über dem Marktpreis und wird letztlich von den Verbrauchern berappt. 2014 kostete Strom aus Biomasse nach Zahlen der Netzfirmen 2,6 Milliarden Euro.
Die Pflanzen für die Anlagen belegten 11 Prozent der deutschen Ackerfläche. Schließlich, so die Begründung, sei Biogas nicht so gefährlich wie Atomkraft und könne eine bessere Klimabilanz als zum Beispiel Kohle haben.
Es gibt weniger Geld
Doch jetzt erwartet Wilke nur noch eine schwarze Null in seiner Buchhaltung. Denn vor einem Jahr, im August 2014, ist das neue EEG in Kraft getreten. Es hat die Biogas-Produktion deutlich unattraktiver gemacht. „Wir werden in die Enge getrieben“, klagt der Unternehmer.
Die Reform hat die garantierten Preise für Strom aus Kraftwerken gesenkt, die nach der Gesetzesänderung ans Netz gegangen sind; deshalb werden kaum neue gebaut. Sie hat aber auch die Konditionen für ältere Anlagen verschlechtert. Die Labenzer bekommen jetzt nicht mehr den sogenannten Landschaftspflegebonus von 2 Cent je Kilowattstunde Strom. Den gab es, weil sie ihren Mais etwas umweltfreundlicher anbauen. Und die Kürzung galt dann sogar rückwirkend zum 1. Januar 2014, so dass Wilkes Firma 200.000 Euro zurückzahlen soll.
Außerdem muss der Netzbetreiber nicht mehr die gesamte Stromproduktion zu den hohen EEG-Preisen kaufen, sondern nur noch 95 Prozent der bisherigen Anlagenleistung. „Das kostet uns 10 bis 15 Prozent unseres Gewinns“, schimpft Wilke. Wie hoch der war, wolle er nicht sagen, wegen der Neider. Nur soviel: Insgesamt nehme seine Anlage wegen des neuen EEG pro Jahr 300.000 Euro weniger ein. Vielen der rund 8.000 Biogas-Kraftwerke in Deutschland gehe es ähnlich.
Verfassungsbeschwerde eingelegt
Deshalb ist Wilke jetzt wie rund 140 andere Biogasunternehmer im Verein Nachhaltige Energien. Der lud Ende Juli Journalisten – darunter auch den Autor dieses taz-Artikels – aus Berlin nach Labenz, um die Öffentlichkeit für die Branche zu mobilisieren. „Wir klagen jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht und fordern unser Recht“, sagt Wilke. Auch andere Anlagenbetreiber haben Verfassungsbeschwerden eingelegt.
Ihr wichtigstes Argument: Die Reform des EEG verletze das Grundrecht auf Eigentum. Denn das alte Gesetz habe ihnen „vermögenswerte Rechte“ – den Anspruch auf den Landschaftspflegebonus zum Beispiel – gegeben. Die würden nun unzulässig beschnitten. Wilke formuliert das so: „Wir haben die Anlagen nach dem alten EEG kalkuliert und uns auf die Zusagen des Gesetzgebers verlassen. Jetzt stehen wir im Regen und viele Anlagen vor der Insolvenz.“
Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium dagegen bezeichnet die Reform als „verfassungskonform“. Die alten Förderbedingungen würden „im Wesentlichen“ weiter gelten.
Biogas hat eben kaum Freunde. Verbraucherschützer und Wirtschaftsbosse mögen es nicht, weil es die teuerste erneuerbare Energie ist: 2014 kassierten Biogasanlagen den Netzbetreibern zufolge mit 21 Cent pro Kilowattstunde mehr als doppelt so viel wie Windkraftwerke an Land. Die Biogas-Anbieter argumentieren dagegen, dass sie die Lücken schließen könnten, die entstehen, wenn kaum Wind weht oder die Sonne nicht scheint. Aber bislang laufen die meisten Biogasanlagen so gut wie immer und sind nicht sehr flexibel.
Treibhausgase vom Mais-Acker
Auch die Klimabilanz ist laut Umweltbundesamt nur halb so gut wie die von Windenergie, da Treibhausgase entstehen, wenn etwa Mais für Biogas angebaut wird. Und das ist Standard. Wilke etwa lässt in sein Kraftwerk nur rund 32 Prozent Gülle – 50 Prozent sind Mais, der Rest andere pflanzliche Stoffe.
Manche Entwicklungsaktivisten sagen, Pflanzen wie Mais sollten lieber gegessen als verheizt werden. Dann sänken die Lebensmittelpreise, so dass sich mehr Menschen weltweit genügend Nahrung kaufen könnten. Doch diese These ist umstritten, da von hohen Agrarpreisen ausgerechnet die größte Gruppe der Unterernährten profitiert: Bauern in Hungerländern.
Den Mais für die Biogasanlage in Labenz baut zum Beispiel Tilmann Hack an. Ein schlagfertiger Landwirt mit Brille und norddeutschem Akzent. Die Vielfalt auf seinen Feldern ist gering: Auf einer Hälfte pflanze er Mais, auf 35 Prozent Weizen, auf dem Rest Raps, und der komme nur alle 6 Jahre auf dasselbe Feld, so Hack. Das dürfte die intensive Landwirtschaft mit ihren monotonen Feldern und ihrem hohem Pestizid- und Düngereinsatz sein, die das Bundesamt für Naturschutz maßgeblich dafür verantwortlich macht, dass Tier- und Pflanzenarten aussterben.
Biogas oder Bio-Landwirtschaft
Gleichzeitig trügen solche Betriebe dazu bei, dass kaum noch Bauern auf die pestizidfreie Biolandwirtschaft umstellen, kritisiert Agrarexperte Martin Hofstetter von der Umweltorganisation Greenpeace. Wegen der EEG-Subventionen könnten konventionelle Biogas-Landwirte mehr Pacht für ihre Äcker zahlen als Biobauern und ihnen so das Land wegschnappen. Analysen des bundeseigenen Thünen-Forschungsinstituts zeigen, dass in Landkreisen mit besonders stark gestiegenen Pachtpreisen der Bioanteil an der Agrarfläche besonders niedrig ist.
Das liegt auch daran, dass die Stromverbraucher wegen des EEG nach Berechnungen der Forscher den Maisanbau für Biogasanlagen mit bis zu 2.000 Euro pro Hektar bezuschussen. Ökolandbau hingegen finanziert der Staat je nach Bundesland mit maximal 500 Euro je Hektar Ackerland. Selbst Hack räumt ein: „Die Biobauern haben es einfach schwer.“
Dennoch hofft auch er, dass die Biogas-Leute wenigstens bei den Verfassungsrichtern auf Gegenliebe stoßen. Doch bisher ist unklar, ob Karlsruhe die Klagen annimmt. Und bis ein Urteil fällt, kann es Jahre dauern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Missbrauch in der Antifa
„Wie alt warst du, als er dich angefasst hat?“