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NSU-Prozess in MünchenLiese 1111 mag Pornos

Ermittler werten das Youtube-Konto der NSU-Angeklagten Beate Zschäpe aus – und finden auch Beiträge über Taten der Rechtsterroristen.

Steht auf Youtube: Hauptangeklagte Beate Zschäpe mit ihrem neuen Anwalt Mathias Grasel Foto: reuters

MÜNCHEN taz | | 2011 flog das NSU-Trio und dessen mutmaßlich zehnfache Mordserie auf, die Ermittlungen aber dauern bis heute an. Das neuste Ergebnis: Laut einem Bild-Bericht wertete das BKA inzwischen das Youtube-Konto von Beate Zschäpe aus, Name „Liese 1111“.

Die Ermittler hatten schon 2012 ein Rechtshilfeersuchen an die US gestellt – nun liegen offenbar die Daten vor. Demnach sollen mit dem Account insgesamt 784 Beiträge angeschaut worden sein, fast die Hälfte über die Pornoindustrie. Darunter aber auch eine „Aktenzeichen XY“-Sendung von Mai 2008 über den Mord an der Polizistin Michele Kiesewetter in Heilbronn. Der Fall war damals noch ungelöst – bis sich 2011 der NSU dazu bekannte. Auch Beiträge über Banküberfälle, die mutmaßlich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begingen, standen auf der Liste.

Zschäpe schweigt bisher zu den Vorwürfen. Dass mutmaßlich sie die Videos ansah, wäre aber ein weiteres Puzzlestück für die Anklage, dass sie über die Taten des NSU Bescheid wusste. Die 40-Jährige las den Bild-Artikel am Mittwoch fast ungerührt in einer Pause des Münchner NSU-Prozesses, besprach ihn mit ihrem Neuverteidiger Mathias Grasel. Das BKA wollte sich wegen der laufenden Ermittlungen nicht äußern.

Auch im Prozess wurde Zschäpe belastet und ihr Aggressivität attestiert. Ein 61-Jähriger berichtete über den vierten Unterschlupf des 1998 untergetauchten Trios, eine Wohnung in der Wolgograder Allee in Chemnitz. Dort, so der Zeuge, habe auch seine Mutter gewohnt. Zschäpe habe er ab und an im Treppenhaus getroffen. Als sich seine Mutter mal bei der Nachbarin über laute Musik und aus dem Fenster geworfene Zigarettenkippen beschwerte, habe Zschäpe sie angefahren: „Sie soll sich um ihr eigenes Zeug kümmern.“ Die Angeklagte folgte dem erneuten Vorwurf der Aggressivität mit genervter Miene.

Dreister Auftritt

Ein früherer Neonazi-Freund versuchte dagegen, Zschäpe in Schutz zu nehmen – mit einem der bisher dreistesten Auftritt vor dem NSU-Prozess. Marco B., früherer Kader des „Thüringer Heimatschutzes“, erschien vor Gericht im Anzug, mit Krawatte und schnittig gegeltem Seitenscheitel. Zschäpe habe sich damals in der rechten Szene „nicht nach oben hervorgetan“, behauptete er.

Nicht mal, ob Zschäpe zur Kameradschaft Jena gehörte, wollte er sagen – ein kaum strittiger Fakt. Auch habe er keinen besonderen Draht von Zschäpe zu Mundlos und Böhnhardt damals gesehen. An Namen mochte sich Marco B., trotz jahrelangen Engagements in der Szene, ohnehin fast nicht erinnern.

Dafür kanzelte er die NPD als zu lasch ab. Der „Heimatschutz“ dagegen, so B., habe sich „frei“ und „gauweit“ organisiert. Man habe sich für ein „besseres Deutschland“ eingesetzt, für ein Land mit Umweltschutz, ohne Kriegseinsätze oder, ergänzte er nassforsch, „für ein Land, in dem es keine dreijährige Gefangenschaft ohne Urteil gibt“ - ein Verweis auf die Inhaftierung Zschäpes.

Richter Manfred Götzl platzte mehrmals der Kragen. „So nicht“, polterte er. „Was sollen diese Mätzchen?“. Marco B. entgegnete, Götzl solle seine Fragen „anders stellen“. Der Richter zürnte: „Es geht hier nicht darum, was Sie wollen.“ Nur: Wesentliche Erkenntnisse erhielt er von Marco B. nicht mehr.

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5 Kommentare

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  • Es wäre ausreichend, harte Beweise - statt windiger "Indizien" - für die Schuld der Hauptangeklagten zu haben, um derart forsche Artikel schreiben zu können, die ihr "Aggressivität" attestieren. Waren die beiden Uwes tatsächlich die Täter der ihnen zur Last gelegten Taten? Bis heute gibt es dafür keine gerichtsfesten Beweise - keine Fingerabdrücke, keine DNA. Lediglich ein Springquell von "Beweisen" post mortem, die allesamt als von den Sicherheitsbehörden manipuliert und "gepflanzt" anmuten - NSU-Leaks hat viele dieser Manipulationen bereits entlarvt. In der Jungen Welt schreibt der auch in der TAZ geschätzte Autor Hajo Funke vom "tiefen Staat" im Zusammenhang mit dem NSU. Aber in der linken TAZ weiterhin nur "business as usual"? Bitte aufwachen!

  • 6G
    65572 (Profil gelöscht)

    Ich wußte gar nicht, daß es 784 Dokumentationen über die Pornoindustrie gibt. Das Zschäpe sich mit dieser Problematik auseinandersetzte, ...interessant.

  • 2G
    23879 (Profil gelöscht)

    Es interessiert mich nicht, ob sich Frau Zschäpe Pornos angesehen hat. Auch eine Angeklagte hat Anspruch auf Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte. Die Überschrift ist nichts weiter als ein billiger Klick-Generator auf BLÖD-Niveau. Hat die Taz das nötig?

    • @23879 (Profil gelöscht):

      Was die TAZ schon aus einer gesellschaftskritsichen Perspektive untersuchen sollte!

       

      Zudem: Was hat angeblicher Pornokonsum hier für eine Verfahrensrelevanz?

       

      Könnt man doch auch mal beleuchten?

  • Ach Herr Litschko,

     

    war es nicht "das der Z. zugeordnete" Konto?

     

    Das sich die Z. "mutmaßlich" ansah; "mutmaßlich Bescheid wuste"?

     

    Nur mal zur Erinnerung, das ist kein Gespräch mit Tee bei einer Problemkerzensession, sondern eine Verhandlung nach StPO, die fordert aber für die vom GBA erhobenen Tatvorwürfe ganz altmodisch den "Strengbeweis". Keine Befindlichkeitsgeschichten!

     

    Obwohl, zugegeben, es ist schon gruselig sich die Z. beim Pornoglotzen vorzustellen.