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Erfassung von rechten StraftatenWar das jetzt schon Rassismus?

Die Aussagekraft von Kriminalitätsstatistiken sei mangelhaft, lautet das Fazit einer Fachtagung. Ideen, wie das zu ändern sei, hatten die Experten allerdings nicht.

100 Prozent rechtsextrem. Zumindest bei den NSU-Morden gibt es wohl keine Schwierigkeiten bei der Klassifizierung – im Nachhinein. Bild: dpa

BERLIN taz | Alle Jahre wieder legen die Länderpolizeien ihre Kriminalitätsstatisken vor, das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden fasst die gemeldeten Daten zusammen und erstellt daraus eine Gesamtstatistik. Auch Verfassungsschutzämter, Staatsanwaltschaften und NGOs sammeln fleißig Straftatendaten, die Statistiken dienen als Grundlage für die polizeiliche und politische Kriminalprävention.

Das Problem: die Aussagekraft der zu Rate gezogenen Daten ist begrenzt. Denn alle Dienstellen haben ihre eigenen Parameter, nach denen sie Straftatendaten erfassen und sortieren. Schwierig wird es da insbesondere im Bereich von rechtsextremistischen Straftaten: wann fällt in welcher Behörde ein Delikt unter diese Kategorie – und wann nicht?

Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung sah Diskussionsbedarf und lud am vergangenen Freitag zur hochrangig besetzten Fachtagung „Zur kriminalistischen Erfassung rechtsextremer Straftaten“ nach Berlin. Das Bundeskriminalamt (BKA) war vertreten, ebenso das Bundesamt für Justiz und das brandenburgische Innen- sowie das thüringische Justizministerium.

Der derzeitige Zustand sei unbefriedigend, stellte Bert Götting vom Bundesamt für Justiz gleich mal zu Beginn klar. Für seine Statistiken gebe es keine einheitlichen Erfassungsschlüssel, da alle Beteiligten von Polizei über Verfassungsschutzämter, Staatsanwaltschaften und NGOs mit unterschiedlichen Begriffen arbeiten würden.

Wann etwa sei eine Tat als rechtsextrem, fremdenfeindlich, rassistisch oder antisemitisch einzustufen? Ebenso fehlten im juristischen Bereich Verlaufsstatistiken zu Ermittlungs- und/oder Strafverfahren.

Das BKA benennt eigene Defizite

Auch Kriminaldirektor Jürgen Peter vom BKA benannte schonungslos eigene Defizite. So habe die „Jansen-Liste“ die Sicherheitsbehörden „aufgerüttelt“. Etwa 4.000 zurückliegende Straftaten würden nun neu untersucht. Seit etlichen Jahren recherchieren und veröffentlichen Frank Jansen und seiner Kollegin Heike Kleffner mutmaßlich rechtsextreme Straftaten – und kommen stets zu anderen Ergebnissen als die Polizeien.

Frank Zobel von ezra sagte, dass nach seiner Erfahrung viele rechte Übergriffe gar nicht angezeigt würden, weil kein Vertrauen in die Polizei bestehe. Was solle etwa ein mutmaßlich misshandelter Asylbewerber davon halten, wenn im Büro des Beamten ein Werbung für Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ mit dem handschriftlichen Zusatz „Der Mann hat Recht“ hänge?

Zustimmendes Kopfnicken schließlich, als Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stifttung anmerkt, dass Statistiken „gut geführt“ werden müssten, „weil sie auch die Politik beeinflussen“. Bliebe die Frage nach dem „wie“. Und die blieb offen. Immerhin: die Missstände sind benannt.

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9 Kommentare

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  • Ich stimme Ihnen voll und ganz zu. Viele Menschen haben Angst vor der Polizei und es muss anders sein. Man sollte sich in der Gegenwart von Polizisten sicher und geschützt füllen.

     

    Warum gibt es zuletzt ständig Diskussionen rund um die Polizei? Brauchen wir eine Reform der Polizei?

     

    Das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit und Bevölkerung ist stark geschädigt, unter anderem durch die Schüsse am Gesundbrunnen. Auch die umstrittene Partei NPD hat sich zuletzt öffentlich geäußert, dass deren Mitglieder und Anhänger die Informationen von einigen Polizisten bekommen. Datenschutz??? Es finden oft Polizeikontrollen und Durchsuchungen statt, die durch die ausländische Herkunft der Betroffenen erst zu Stande kommen, wodurch mehrere Gesetze missachtet werden. Es gibt weitere negative Beiträge in der Presse.

     

    Also bestehet es etwa Handlungsbedarf?

     

    Wenn ja, dann muss eine unabhängige Kommission eingeführt werden. Diese Kommission sollte nicht nur Statistiken erstellen und führen, sondern auch das Vorgehen der Polizei prüfen.

     

    Es geht aber auch um Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um ein(e) Polizist(in) zu werden. Das ist einer der wichtigsten Berufe in Deutschland. Als Polizist(in) trifft man täglich Entscheidungen, die ein oder mehrere Menschenleben betreffen. Als Mindestvoraussetzung, um bei der Polizei arbeiten zu dürfen (auch als Streifenpolizist(in)), sollte ein akademisches Studium sein, das mit Erfolg abgeschlossen worden sein muss. Das juristische, psychologische Wissen und Menschenkenntnis würden dann nicht erst in der Praxis erworben werden, sondern beim Amtsantritt vorhanden sein.

     

    Dementsprechend würden auch die Lohne und Gehälter der Polizisten steigen.

     

    Vielleicht kann irgend ein Polizist mir eine Frage beantworten. Welches Gesetz ein(e) Polizist(in) in Deutschland immer im Hinterkopf haben muss - bei jeglichem Handeln gegenüber jedem einzelnen Menschen?

    • @Stefan Mustermann:

      Also nur mit Studium zur Polizei? Okay, das dürfte den Personal- und Nachwuchsmangel, der dort herrscht, noch mal ganz immens vergrößern. Und das Gehalt müsste freilich auch noch spürbar aufgestockt werden, aber das ist ein anderes Kapitelchen.

       

      Im Übrigen sollten Menschen einfach mal mit der Polizei in Kontakt kommen (z.B. im Rahmen des Sozialkundeunterrichts an der Schule). Viele würden dann sehen, dass das keineswegs durch die Bank weg schnauzbärtige Dorframbos sind, sondern Leute, die einen ziemlich harten Job haben und - unbeschadet immer mal wieder auftretender schwarzer Schafe - einen sozialen Beruf ausüben...

  • Hervorhebenswert, wie weltfremd, abgehoben, wie super dämlich und Mega dümmlich uns eine linke Volkshetze Theorie nach der anderen generalisiert und automatisiert um die Ohren geschlagen wird. Wissen sie eigentlich, auf welchem Planeten sie leben.

    Ich will ihnen ein Beispiel geben. Kurz, nachdem ich an meiner jetzigen Stelle eingezogen bin, durfte ich folgendes Gespräch vom Fenster weg unvermutet hören. Jüngerer Türke unter mir zu seiner Freundin. "Ich habe dir doch gesagt, du sollst dich nicht mit diesem Neger treffen." Sie erklärt, es sei harmlos. "Bist du wahnsinnig. Du machst mich zu einem Idioten, dessen Freundin mit einem Neger spazieren geht." Ich möchte nicht wirklich schreiben müssen, was ich dann zu hören bekam.

    Ich habe mich gefragt, was soll ich machen. Ich bin weder ein Freund von solchen Türken, noch ein Freund von Fremdenfeindlichkeit, noch ein Freund von geschlagenen Frauen (als Thema). Ich will weder die linke Gesellschaftstheorie durcheinander bringen, noch eine Lanze für den Rechtsextremismus brechen.

  • Mir sollte eines klar sein. In jedem Fall, wenn ich nicht tolerant bin und mich dankend jasagend verhalte, bin ich exakt ein Rechtsradikaler. Mich entfernt von der homogenen realitätsfreien Gesellschaft, daß sich das Gutmenschen Syndrom bei mir insofern nicht ausbreitet, weil ich generell kein Freund solcher Geschichten bin. Ich bin weder ein Freund solcher Geschichten bei den Rechtsextremen, noch ein Freund solcher Geschichten bei den Linksextremen. Ich bin überhaupt kein Freund solcher Geschichten.

    Nun steht zu Anfang in dem Artikel, daß alle Jahre wieder entweder das Christkind kommt oder eine Kriminalitätsstatistik. Diejenigen die auf das Christkind warten, haben möglicherweise das Problem, sie glauben an Gott. Diejenigen die auf die Kriminalitätsstatistik warten, haben sehr wahrscheinlich das Problem, sie glauben an die Kriminalitätsstatistik.

    Beide Gruppen haben das gleiche Problem, und das ist wie Radio hören. Sie haben nie gelernt, einen anderen Sender einzustellen. Ich denke mir soeben wie ich schreibe, dann wäre es doch einmal an der Zeit. Wem aber soll ich das bei den vielen tauben Ohren sagen. Wahrscheinlich werden sie sogar dafür angestellt, nur einen einzigen Sender einzustellen. Das zu ändern, wäre dann allerdings auch an der Zeit.

    • K
      kronenleuchter
      @Picard:

      herr detzer, ich fürchte ihr problem ist, dass sie selbst nicht so genau wissen, was sie sagen wollen.

  • J
    Johny

    Soso. Der mutmaßlich misshandelte Asylbewerber geht also in die Polizeidienststelle, um einen offensichtlich rechtsradikalen Angriff anzuzeigen, sieht dort dann im Büro ein Plakat für Sarazins Buch mit handschriftlichem Vermerk (es scheint sich ja hier um wiederholte und tatsächliche Situationen handeln zu sollen. Bitte mal nennen!) und sagt dann "nee, war doch nix, danke, tschüß"? Wer soll das glauben?

     

    Sicher gibt es rassistische Straftaten von Biodeutschen (die rassistisch motivierten Straftaten von z.B. Türken werden dabei ja nicht erfasst, oder? das wäre ja rassistisch :) ) die nicht gemeldet werden, aber das wird keine große Nummer ausmachen.

     

    Andererseits werden da auch locker mal Ladendiebstähle und nichtgeleistete Unterhaltszahlungen einsortiert, wenn sie denn von "bekannten Rechtsradikalen" begangen worden. Wieso es rassistisch ist, wenn Kevin an Jaqueline, die einen Ariernachweis hat, für die gemeinsamen Kinder keinen Unterhalt zahlt, konnte mir niemand erklären bisher. Wieso Kevins Diebstahl in Horst Schmidts Spar-Markt ein rechtsradikales Verbrechen ist, auch nicht.

     

    Da defakto ohnehin bei diesen Taten und ihrer Statistik ausschließlich die deutsche Abstammung zählt und sie damit eine Sonderposition einnimmt (=nur hier wird die Abstammung bei Straftaten erfasst) halte ich das ganze vorgehen für rassistisch und unzulässig.

    • @Johny:

      Ist mir auch aufgestoßen, den Sarrazin wieder reinzuquetschen. Ihm indirekt zu unterstellen, dass er körperliche Gewalt gegen Nicht-Deutsche schätzt und begrüßt, ist schon sehr wagemutig.

  • Es geht immer NUR um rechte Straftaten. (Wobei natürlich rechts und rechtsradikal immer in einen Topf geworfen wird, pauschaler geht es nicht mehr.) Aber wie schaut es mit linksextremen Straftätern aus? Die Anschläge auf die Berliner S-Bahn waren wohl nicht schlimm genug um aus dieser linksextremen Wirrköpfe an den Pranger zu stellen? Was ist mit den Anschlägen auf die Bundeswehr in Havelberg? Was ist mit den Angriffen auf AfD-Wahlkampfstände? Warum ist die TAZ da so einseitg?

    Ich verstehe ich das nicht, die Welt ist dual aufgebaut und sollte auch so dargestellt werden. Deppen und Idioten gibt es sowohl auf der rechtsextremen als auch auf der linksextremen Seite. Und beide sollten von der Gesellschaft auf verurteilt werden. Beides !!

  • KG
    Kein Gast

    Eine Schwierigkeit ist mit Sicherheit auch das Überspannen des Bogens in die Richtung jede Dummheit als Rechts zu klassifizieren, so schafft man Konfliktherde, was praktisch sein mag für die Berufsecheuffierten, aber den Migranten nichts nutzt.

     

    Andererseits, das stimmt auch, gibt es gegenden, in denen man schon einen mit Sonnenbrand als Einwandererwelle biblischen Ausmaßes wahrnimmt.

     

    Grüße an die Clausewitzkaserne im schönen Osten!

    Da "durfte" ich lernen, was alles nicht "rechts" ist.

     

    Vielleicht kann man einen Mittelweg finden, bestehend aus 20 grüner ansicht, 2,375 % der Einstellung die man bei der ExNVA findet und den Rest der Definition überlassen wir den Migranten selber, die gehen nämlich gut mit sich ins Gericht.