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Studie über nationale IdentitätDeutschland ist kein Vaterland

Wie wichtig ist Abstammung noch für das Deutsch-Sein? Eine neue Studie zeigt, dass Sprachkenntnisse den meisten Menschen in Deutschland als Kriterium wichtiger sind.

Ob schwarz oder weiß, laut Studie ist Deutscher, wer Deutsch spricht. Bild: dpa

BERLIN dpa | Deutsch-Sein ist für die meisten Bundesbürger nach einer neuen Studie nicht mehr eine Frage der Abstammung. Die Definition nationaler Identität hat sich in Deutschland grundlegend verändert, wie eine Studie des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung laut Spiegel ermittelte.

Als Kriterium fürs Deutsch-Sein steht an erster Stelle die Sprache: 96,8 Prozent der Befragten waren der Meinung, deutsch sei, wer deutsch sprechen könne. Am zweithäufigsten als Bedingung genannt (78,9 Prozent) wurde das Vorhandensein eines deutschen Passes. Lediglich 37 Prozent meinten, ein Deutscher müsse auch deutsche Vorfahren haben, schreibt das Magazin unter Berufung auf die Studie.

Zugleich förderte die Untersuchung aber auch Ressentiments zutage, besonders gegenüber Muslimen. So gaben 37,8 Prozent an, dass nicht deutsch sein könne, wer ein Kopftuch trage.

Die Studie „Deutschland postmigrantisch“ gehört zu den bislang größten Erhebungen auf dem Gebiet der Integrations- und Migrationsforschung in der Bundesrepublik. Insgesamt wurden 8270 Personen je 80 bis 100 Fragen gestellt. Die Ergebnisse werden am Mittwoch (3. Dezember) an der Berliner Humboldt-Universität vorgestellt.

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6 Kommentare

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  • Auh weih, der Artikel ist schon seicht genug aber der Kommentar von Soungoula schlägt alles" :

    "billigen Abstammungsphantasien"

    Erzählen sie sowas mal Franzosen, Polen, Russen, Slovenen, Chinesen, Türken und so weiter (den meisten Bewohner dieser Welt) und die werden sie für deppert halten...bzw. zutiefst beleidigt sein!

    Schon mal was von Ethnien, Völkern, Kulturen usw gehört. Ach so ,alles Nazi Parolen. Ach so

    Übrigens: Österreicher sind eigentlich Deutsche. Haben die früher auch nie bestritten. Erst nach 1945 wußten die das plötzlich nicht mehr und bekamen dann auch gleich den Opferstatus als überfallenes Land und so (so ähnlich!) Bitte etwas Geschichtskunde ansonsten schweigen und setzen!

    Ach und jetzt kommts (der Kracher):

    "ob man Deutscher ist, sollte man prinzipiell erstmal selbst entscheiden dürfen." und Tusch: Tata, tata,tata

    und weiter: "dass es auch so etwas wie graduelles Deutsch-sein geben kann."

    Oh man, lass es! Je mehr Du da radebrichst desto peinlicher wirds für dich.

    Also,

    für alle da draußen (Ausland) bin ICH Deutscher! Da kann ich einen drauf lassen oder auch nicht. Das machen die an meiner Herkunft (Abstammungsphantasien!), an meiner Sprache und an meiner Staatsangehörogkeit fest. Ich sehe auch so aus (ist natürlich ei n Klischee, blond ,groß, "kaukasisch" oder auch "europid" (meine Grossrasse) , die "germanische Bestie" halt (und hab in deren Augen wohl auch typisch deutsche Eigenarten ("Weltschmerz", Ernsthaftigkeit, Intelligenz, "Kultur" na und noch viele solcher Vorurteile).

    Na, was Ausländer halt so über Deutsche denken.

    Eigentlich ein spannendes Thema, außer wenn man da mit ideologisch beschränkten "Flachwichsern" drüber redet (es fühlt sich doch wohl keiner angesprochen?).

     

    deutsche Geschichte, deutsche Nationalität, deutsche Identität, (hatte mit Staatsbürgerschaft übrigens erst seit 1871 zu tun, aber auch da waren die staatsbürgerschaften noch vorwiegend bayerisch, preußisch usw....)

    • @Micha Meyer:

      Da hat ja jemand erstaunlich wenig verstanden von dem, was im Artikel steht und auch von dem, was in meinem Kommentar steht.

      Die Frage, was „Deutschsein“ ausmacht, ist nun einmal nicht so eindeutig zu beantworten, wie Sie es gerne haben möchten. Und schon gar nicht gibt es so etwas wie „eigentliches Deutschsein“ - z.B. bei Österreichern – woran genau sollte man das festmachen? Wieso sind Österreicher „eigentlich“ Deutsche, dann aber wiederum doch nicht so richtig? Und wenn das Deutschsein bei den Österreichern irgendwann aufgehört hat, wie kann es dann etwas Dauerhaftes und Herkunftsbasiertes sein?

      Bei Ihnen läuft es alles am Ende doch wieder auf Dasselbe hinaus: Genealogie. Und genau das funktioniert als Kriterium eben kein bisschen. Deshalb ist es nämlich nichts anderes als eine Phantasie. Wer noch offen von „Großrassen“ spricht, der muss wohl anderen nicht vorwerfen, ideologisch zu sein oder wirres Zeug zu reden. Bleiben Sie ruhig im 19. Jahrhundert, dort sind Sie in bester Gesellschaft.

      Wir in der Gegenwart entwickeln uns inzwischen weiter und verabschieden uns von solchen vereinfachten Formelparolen, die zu nichts führen und in sich bei näherer Betrachtung überhaupt nichts erklären.

  • Einerseits ein sehr beruhigendes Ergebnis, dass die riesig überwältigende Mehrheit das Deutschsein nicht mit billigen Abstammungsphantasien verknüpft, sondern mit einem Kriterium, das wandelbar ist und das potenziell jeder für sich mit der Zeit annehmen kann: der Sprache.

     

    Andererseits ist es natürlich doch ein wenig schräg, denn Österreicher und viele Schweizer sprechen z.B. auch Deutsch, sind aber keine Deutsche. Oder Menschen, die Deutsch als Fremdsprache im Ausland lernen, und sehr gut sprechen (davon gibt es immer noch viel mehr, als man glaubt!).

    Dazu hat zwei Folgerungen:

    Erstens: implizit scheint dazu auch noch der Gedanke zu hören, dass die Deutschsprecher auch selbst sich als Deutsche fühlen sollten (was Österreicher ja bekanntlich nicht tun). Eine durchaus sympathische Idee, denn ob man Deutscher ist, sollte man prinzipiell erstmal selbst entscheiden dürfen.

    Zweitens: Deutsch-sein anhand von Sprachkenntnissen unterstützt den Gedanken, dass es auch so etwas wie graduelles Deutsch-sein geben kann. Je mehr man Deutsch spricht, desto mehr bewegt man sich in diese Richtung. Und das Etwas-anderes-als-Deutsch-sein bleibt dabei unberührt und keineswegs ausgeschlossen. Man kann ja weiterhin auch andere Sprachen sprechen (auch muttersprachlich, wenn man Deutsch später lernt) und deshalb mehr als nur Deutsch sein.

     

    Alles in allem geht es also sehr in Richtung eines sehr freundlichen, flexiblen und nicht kategorisch-verbohrten Zugehörigkeitsbegriffs.

    Fehlt nur noch, dass wir endlich verstehen, dass Deutsch-sein und Deutschsprechen nichts damit zu tun haben muss, dass es keine anderen Sprachen geben kann oder soll. Deutschland ist schließlich mehrsprachig, ob wir wollen oder nicht.

    • @Soungoula:

      Da haben Sie intuitiv die Inkonsistenz der Kategorie "Nationalität" erfasst. Nationalität bzw. Nation ist tatsächlich eines dieser Konzepte das, je mehr man darüber nachdenkt und die an sich selbst gestellten Elemente konsequent weiterdenkt, sich als unhaltbar erweist. Ein Lesetipp hierzu: "Nation und Nationalismus" von Eric Hobswam. Sehr fundiert, aufschlussreich und gleichzeitig sehr unterhaltsam.

      • @Flujo:

        "Intuitiv" vielleicht nicht unbedingt - ich beschäftige mich seit langem wissenschaftlich mit solchen Fragen des Zusammenhangs zwischen Sprachauffassungen und Konzepten wie "Nation", "Ethnie" usw.

        Aber ja, Hobsbawm lesen schadet nix.

  • "96,8 Prozent der Befragten"

    Ein Ergebnis, das jedem ZK zur Ehre gereicht hätte.

     

    Wenn die Sprache das entscheidende Kriterium ist, bin ich Deutscher, Engländer, Franzose, halber Spanier und halber Russe.

    Wow!