Trend zu Kleidung mit Fell: Mode rückt Tieren auf den Pelz
Vegane Mode liegt zwar im Trend – aber dennoch werden auch immer mehr Pelze verkauft. Sind Kunstpelze ein guter Kompromiss?
BERLIN taz | „Feel good“-Fashion wollen Sandra und Anja Umann machen. Und das beziehen sie nicht nur auf die Kunden: Sie verwenden nur Stoffe aus Algen, Soja, Buche oder Eukalyptus. Wolle, Kaschmir und Leder, für die Tiere leiden müssen, sind tabu. Pelz sowieso. Die Mode der Zwillingsschwestern ist vegan.
Ein Massenprodukt ist Mode ohne tierische Produkte noch nicht, aber die Umanns sind fest davon überzeugt, dass sie sich am Markt durchsetzen wird, wenn das Design stimmt. Viele namhafte Designer wie die „Queen of Punk“ Vivienne Westwood oder Beatles-Tochter Stella McCartney gehen voran.
Stylist Armin Morbach, der die Tierrechtsorganisation Peta bei der Auswahl tierproduktfreier Labels für den "Vegan Fashion Award" beraten hat, liefert das ethische Argument dazu: „Man sollte sich überlegen, ob man seine Katze umbringt und im Nacken trägt.“
Tatsächlich berichten auch unabhängige Beobachter, dass sich immer mehr Menschen bewusster ansehen, wo ihre Kleidung herkommt, woraus und wie sie hergestellt ist. Umso überraschender ist es, dass es zugleich einen weltweiten Boom bei den lange verpönten Echtpelzen gibt. Von 2002 bis 2012 ist der Umsatz von 10 auf mehr als 15 Milliarden US-Dollar gestiegen, wie die International Fur Federation mitteilt.
Boom in China
„Das liegt vor allem an Asien“, sagt Marius Tünte, Pressesprecher des Deutschen Tierschutzbunds. Und dort vor allem an China. Nach den letzten verlässlichen Zahlen wurden dort 2009 mehr als 70 Millionen Tiere auf Farmen gehalten. Vor allem aber ist China der größte Importeur von Fellprodukten. Denn die allermeisten Pelze kommen laut der European Fur Breeders Association (EFBA) immer noch aus Europa. Allein in den Mitgliedstaaten der EFBA gibt es über 7.000 Pelzfarmen.
Und auch in Europa hat sich der Pelz wieder in der Mode etabliert: als Accessoire, als Kragen, Besatz oder Bommel auf den beliebten Strickmützen. Ein geschickter Schachzug der Industrie, finden Tierschützer. „Dadurch hat Pelz eine viel größere Zielgruppe bekommen, als der klassische Pelzmantel je hatte“, sagt Hendrik Haßel von der Tierrechtsgruppe Animal Equality. Inzwischen machen die Kleinteile mehr als die Hälfte des gesamten Umsatzes mit Pelzwaren aus.
In der kalten Jahreszeit profitieren auch Modehäuser davon: Sie werben mit „kuscheliger, warmer Wintermode“ für Pelze. Mit Erfolg. „Dahinter steckt eine Gefühlssehnsucht“, sagt der Trendforscher Peter Wippermann. Pelz also als äußerliche Ersatzbefriedigung für innere Wärme? Echtpelz wird wieder als etwas Natürliches wahrgenommen, während fake fur häufig als Plastikmüll verpönt ist. So verteidigt auch der italienische Designer Quentin Veron seine Echtpelz-Kollektionen: „Wir sollten nicht vergessen, dass Kunstfell die Umwelt verschmutzt und damit viele Tiere tötet.“
Tierleid und Chemie
Was bei der Produktion von Echtpelz aber nicht berücksichtigt oder unterschlagen wird: Tierleid und Chemie. Tierrechtlern zufolge kann das Töten von Tieren nicht nachhaltig im Sinne „grüner Mode“ sein. Zudem müssten die Felle chemisch behandelt werden, um deren Verfaulung vorzubeugen. Das sei weder natürlich, noch biologisch abbaubar. Die dabei freigesetzten Giftstoffe schadeten sowohl Arbeitern in Pelzfarmen, als auch Verbrauchern. Vorwürfe, die die Branche regelmäßig zurückweist.
Kunstpelz ist genauso kuschelig wie Echtpelz. Diese Analogie kann allerdings fatale Folgen haben: Die Verwechselbarkeit und Betrugsskandale. Kunstpelze haben inzwischen eine so hohe Qualität, dass der billig produzierte Echtpelz aus China häufig als Kunstpelz verkauft wurde. So haben die Drogeriemarktkette Müller und die Modekette Tom Tailor vor etwas über einem Jahr ihre Mützen aus dem Sortiment genommen, da es sich bei dem Besatz um Pelz von Marderhunden handelte.
Zwar muss Echtpelz – sperrig formuliert – als „textiler Bestandteil tierischen Ursprungs“ gekennzeichnet werden, umfassende Angaben zu Tierart und Herkunft lehnte der Deutsche Bundestag im Oktober jedoch ab.
Um Verwechselungen dennoch zu vermeiden, gibt es einige altbewährte Tricks. Zieht man beispielsweise die Härchen des Fells auseinander, sieht man entweder einen echten Lederansatz oder Kunststoff. Tierschützer raten allerdings dazu, die Finger von Produkten zu lassen, bei denen man sich unsicher ist, ob es sich um Echt- oder Kunstfell handelt.
Siegel für „gute“ Pelze?
Ließe sich mit einem Siegel Abhilfe schaffen? Susanne Kolb-Wachtel vom Wirtschaftsverband Deutsches Pelzinstitut nennt das finnische „Certified Farm Label“ und das „Origin Assured Label“ für Wild- und Farmfelle, die aus Ländern kommen, wo es Tierschutzgesetze gebe. Tierschützer sehen in den Siegeln allerdings einen Marketingtrick, Tierleid zu rechtfertigen. Peta und die finnische Organisation Oikeutta eklaimille stellten Recherchen zu den Labels an und dokumentierten immer wieder ausgeprägte Krankheiten, Kannibalismus und Selbstverstümmelungen der Tiere.
Die einfachste Art, das Tierleid zu vermeiden, folgt letztlich dem Zitat des Zoologen Bernhard Grzimek: „Der einzige, der einen Ozelotpelz wirklich braucht, ist der Ozelot.“
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