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Kommentar Brandanschlag in TröglitzDie Barbarisierung des Abendlandes

Michael Bartsch
Kommentar von Michael Bartsch

Gewaltdelikte und verbale Pöbeleien gegen Flüchtlinge und Ausländer nehmen exponentiell zu. Die NPD hat dafür den Boden bereitet.

Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und Innenminister Holger Stahlknecht in Tröglitz Bild: dpa

D ie brennende Asylbewerberunterkunft in Tröglitz weckt Erinnerungen an die pogromartigen Attacken auf Ausländerunterkünfte in Hoyerswerda und Rostock 1991. Doch anders als damals entlud sich in dieser Karfreitagnacht nicht der Gefühlsstau von der Einheit enttäuschter Ossis gegenüber den noch Schwächeren. Mit der exponentiellen Zunahme von Gewaltdelikten und verbalen Pöbeleien gegen Flüchtlinge und Ausländer gehen gleich mehrere giftige Saaten der vergangenen Jahre auf.

Die NPD hat dafür den Boden bereitet. Als politische Kraft beinahe bedeutungslos geworden, genießt sie paradoxerweise mit dem wachsenden Flüchtlingsstrom späte Erfolge. Die Tröglitzer Drohungen und Proteste wurden maßgeblich vom NPD-Funktionär Steffen Thiel organisiert. Und den geistigen Brandstiftern kommt überall in Deutschland und Europa ein Klimawandel entgegen. Studien belegen die weite Verbreitung von Nationalismus und Ressentiments gegenüber dem Fremden.

„Wohnzimmer-Rassismus“ nennt das beispielsweise eine ausländische Dozentin an der TU Dresden. Was vor Pegida noch mit einem Tabu belegt war, gilt inzwischen als selbstverständliche freie Meinungsäußerung. Ein Pegida-Plakat „Was früher normal war, gilt heute als rechts“ stellt die Tatsachen genau auf den Kopf. Was lange als rechtsextrem galt, zählt inzwischen zur Normalität! Deshalb soll die „Lügenpresse“ Leute, die kaum noch kaschierten Hasspredigten applaudieren, ja auch nicht als Nazis bezeichnen dürfen.

Diese Rechtsverschiebung geht einher mit der Radikalisierung und Barbarisierung des öffentlichen und politischen Diskurses. Wir entsetzen uns über die Gräuel von islamistischen Attentätern und Terrormilizen und bemerken nicht, wie wir sie gedanklich und verbal längst kopieren. Im anonymen Internet gibt es die Hemmschwellen öffentlicher Plätze nicht mehr, da kann jeder zur Vergasung Andersdenkender aufrufen. Ein kleiner Schritt nur noch bis zur tatsächlichen Ausführung eines Brandanschlages.

Keiner dieser „Verteidiger“ des christlich-deutsch-provinziellen Abendlandes hat je das biblische Neue Testament gelesen. Bei Matthäus 25 verheißt Jesus denen ewige Belohnung, die Hungrige gespeist und Obdachlosen Unterkunft gewährt haben. „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!“, mahnt er. Es ist mehr als eine Spekulation, dass die alarmierende Entfernung von solchen europäischen Wurzeln, die schleichende Barbarisierung ihre Ursache letztlich in der ökonomischen Radikalisierung hat. Man muss kein Marxist sein, um eine solche These für plausibel zu halten.

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Michael Bartsch
Inlandskorrespondent
Seit 2001 Korrespondent in Dresden für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Geboren 1953 in Meiningen, Schulzeit in Erfurt, Studium Informationstechnik in Dresden. 1990 über die DDR-Bürgerbewegung Wechsel in den Journalismus, ab 1993 Freiberufler. Tätig für zahlreiche Printmedien und den Hörfunk, Moderationen, Broschüren, Bücher (Belletristik, Lyrik, politisches Buch „System Biedenkopf“). Im Nebenberuf Musiker.
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14 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Damals , am 11.04.1968 , war es Springers BLÖD , die in Gestalt des jungen Neo-Nazis Josel Bachmann dem Rudi Dutschke zweimal in den Kopf und einmal in die li. Schulter schoss (# Die Boulevardzeitung Bild etwa schrieb am 7. Februar 1968: „Man darf auch nicht die ganze Dreckarbeit der Polizei und ihren Wasserwerfern überlassen.“ # , siehe : http://de.wikipedia.org/wiki/Rudi_Dutschke ).

    Das heutige "Pegida-Rassismus-Nazi-Syndrom" ist vielfach gefährlicher : Es braucht keine Springer-Presse zu seinem Entstehen und Wachsen . "It's economics , stupid !" - hier : die dumpfe Wut der Millionen Abgehängten , "Überflüssigen" , Perspektivlosen , Abstiegsgefährdeten .

    Und kleine dumpfe "Bachmanns" stehen parat . Kein VS , BKA und LKA hat sie auf dem Bildschirm , ... k a n n sie alle darauf haben .

  • Falsch!

    Fremdenfeindlichkeit gab es schon lange vor der NPD und gäbe es auch ohne sie. Erinnert sei an das unsägliche „Mir san mir!“, mit dem sich manche Angehörige eines bestimmten deutschen Volksstammes gegenüber allen anderen abgrenzen wollen.

     

    Meine Großeltern, heimatvertriebene Sudetendeutsche, hatten das Pech, nach 1945 zunächst in einem Dorf unterzukommen, in dem es wahrscheinlich schon jahrelang keinen Zuzug gegeben hatte. Oft wurde in ihrer Gegenwart getuschelt „Nehmt die Wäsche von der Leine, die Zigeuner kommen“ oder „Sollen die doch zurückgehen, was wollen die hier“. Als ob die Vertriebenen eine Wahl gehabt hätten!

     

    Später traf ein ähnliches Schicksal Russlanddeutsche. Sie wurden dank jahrelanger Sowjetpropaganda schon in ihrer russischen Heimat als „halbe Nazis“ schräg angesehen und hier in D. als „Russen“ bezeichnet, was abwertend gemeint war.

     

    Man könnte meinen, dass es bei manchen Zeitgenossen ein „Fremdenfeindlichkeits-Gen“ gibt. NPD & Co. machen sich dieses nur für die eigenen Zwecke nutzbar!

    • 1G
      1714 (Profil gelöscht)
      @Pfanni:

      Die Aussage, daß in einem Dorf die Kriegsflüchtlinge als "wäschestehlende Zigeuner" diffamiert wurden, wurde gestern morgen in einem Radiobericht aus Tröglitz gebracht. Merkwürdig, diese Überschneidung... Und: Fremdenfeindlichkeit gibt es in allen Kulturen, weltweit. Das wird nicht ausrottbar sein. Jedoch muß man das nicht gutheissen oder gar hoffähig machen. Das geschieht aber, wenn man es zur Alltäglichkeit herunterstuft: "Das sagen ja alle, also was soll's?" Ja, die NPD nutzt diese diffusen Ressentiments, CSU, AfD, CDU und SPD biedern sich an um --vermeintlich-- ein paar rechte Stimmen zu binden. Genau das, diese Verharmlosung, diese "Alltäglichmacherei" befördert Haß und Gewalt. Die Schwellen für Nazis werden immer niedriger. Auch durch Kommentare wie der von Ihnen.

    • @Pfanni:

      Ihr Text ist der hanebüchene Versuch einer Rechtfertigung für die Brandstiftung in Tröglitz und für die unsäglichen Machenschaften der NPD. Entweder checken Sie gar nichts, oder genau diese Schönrederei war Ihre eigentliche intention.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Die NPD mag die Saat ausgebracht haben, doch die CSU, AfD, CDU und auch die SPD hat dazu beigetragen, daß sie gut gedeiht und immer größer wird. Sarrazin ist immer noch in der SPD, die CDU bevorzugt (nur in Wahlslogans) Kinder statt Inder und von CSU und AfD braucht man gar nicht zu reden. Die Union will kein Einwanderungsgesetz und Gabriel besucht Pegida. Soll bei dieser Sachlage etwas anderes als Rassismus herauskommen???

  • Nichts ist die letzten 25 Jahre so mächtig aus dem Kraut geschossen wie die Adlaten des Kapitals und Ihre Gesellschaft verändernden Umtriebe. Soziales, Bildung und Kultur sind max. die Petersilie als Schmuckwerk noch geduldet am Rande des riesigen Schnitzels. Ich denke, es ist inzwischen einfach zu sinnbefreit wie irreführend, jedes Mal wenn die Rechten Kräfte um die NPD wieder zündeln und mordbrennen, dies abgetrennt von einer Politik der sogenannten etablierten Parteienlandschaft zu sehen. Ursache und Wirkung würde ich sagen.

  • Auch auf die Gefahr hin, dass Sie jetzt mit Unverständnis den Kopf schütteln: Ich finde es nicht nur schlecht, dass Rassisten sich jetzt freier äußern können. Das straft schließlich ihre Meinung Lügen, dass sie keine Meinungsfreiheit haben. Meinungsfreiheit heißt ja schließlich, dass auch fragwürdige, nicht mehrheitsfähige Meinungen geäußert werden dürfen. Gleichzeitig bedeutet es für uns die Verantwortung, immer wieder dagegen zu argumentieren und deren fragwürdige Ansichten immer wieder in Frage zu stellen.

     

    Auf der Seite der linken Aktivisten gibt es übrigens auch ziemlich viel Intoleranz. Neulich war ich in so einer Gruppe hier am Ort, um sie kennenzulernen. Im Gespräch meinte eine, die glaube ich auch neu war, dass sie auch auf der Demo letzte Woche war, aber nicht bis zu ihnen durchgekommen wäre, weil sie auf der anderen Seite des Platzes stand. Ich weiß nicht mehr genau, wie sie das ausgedrückt hatte; auf jeden Fall haben die anderen verstanden, dass sie auf der Gegenseite stand, also bei Pegida. Und so schallte es dann aus mehreren Mündern "Verräter!!"

     

    Wenn man sie danach fragen würden, würden sie wahrscheinlich sagen, dass das nur im Scherz war. Aber bei dem Nachdruck, der hinter dem Wort stand, als sie es ausriefen, war da zumindest in meinen Augen deutlich mehr Ernst dahinter als Spaß. Und ich habe mir nur gedacht, "Hallo?! Wo bin ich hier? Wollen wir wirklich so denken?!" Einen Verräter sieht man ja schließlich nicht mehr als Menschen an und spricht ihm seine Rechte ab. Machen die Rassisten nicht genau das Gleiche?

     

    Ich hoffe, dass es wieder zu mehr sozialer Gerechtigkeit kommt; dann wird sich die Unzufriedenheit von manch einem Pegida-Frustrierten auch wieder legen. Wenn sie auf gerechte Renten hoffen können, man vom Arbeitslosengeld auch einigermaßen leben kann und das Jobcenter Arbeitslose nicht unnötig gängelt, dann sind viele auch toleranter gegenüber noch Schwächeren. Und darauf kommt es an.

    • @Smaragd:

      Vielleicht sollten Sie sich mal Gedanken machen, wieso ein "Verräter" von Ihnen nicht mehr als Mensch angesehen wird.

       

      Selbst Rassisten sind Menschen und der Unterschied zu einem Rassisten ist bei mir z.B., dass ich Menschen nicht zu "Nicht-Menschen" erkläre. Das gilt sogar für Verräter.

      • @Age Krüger:

        Wahrscheinlich habe ich mich missverständlich ausgedrückt; das tut mir leid. Ich wollte sagen, dass ich es absolut falsch finde, Menschen ihre Menschlichkeit und damit ihre Rechte abzusprechen. Ebendies assoziiere ich aber mit dem Begriff des Verräters. Ich bin auch schwer am zweifeln, ob ich zu besagter Gruppe nochmal hingehen soll.

         

        @Rainer B.: Wo wollen Sie dann aber die Grenze ziehen? Wir können nicht jede Meinungsäußerung, die uns nicht passt, verbieten. Kontroverse Debatten gehören zu einer Demokratie dazu. Bei konkreten Gewaltdrohungen endet das Recht auf Meinungsfreiheit, und das Recht auf Demonstrationsfreiheit erlaubt keine Nazi-Umzüge durch jüdische Viertel. Gewalttätige Übergriffe und Brandanschläge auf geplante oder bestehende Flüchtlingsheimen sind Verbrechen und gehören bestraft. Aber wie steht es um latent rassistische Denkweisen?

         

        Ich hatte mal eine längere engagierte Debatte mit einer Rassistin über die Frage, ob nun alle Muslime schlecht sind oder eben auch nicht. Die Diskussion endete damit, dass sie mir vorwarf, mein Recht auf Meinungsfreiheit gar nicht zu nutzen und stattdessen einfach an dieser komischen Mainstreammeinung festzuhalten. Der musste ich erst einmal erklären, dass Meinungsfreiheit bedeutet, dass sie ihr Anliegen vertreten und dafür argumentieren darf, dass ich dann aber auch sagen darf, dass das, was sie da sagt, Mist ist. Redefreiheit bedeutet nicht, dass niemand uns kritisieren darf; sie erlaubt uns lediglich, für unsere Anliegen einzutreten.

        • @Smaragd:

          Wo man die Grenze zum Rassismus zieht, können Sie hier nachlesen:

           

          http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/18092/rasse-rassismus

           

          Darüber noch weiter zu debattieren, erübrigt sich. Das wäre so, als würden Irre sich streiten, wer den schönsten Wahn hat. Die könnten zwar am Ende darüber abstimmen, aber mit Kritik, Redefreiheit, Meinungsfreiheit und Demokratie hat das alles überhaupt nichts zu tun. Eine Grundvoraussetzung für Demokratie war und ist nicht zuletzt die Überwindung des Rassismus und die Anerkennung der Menschenrechte.

          • @Rainer B.:

            Beziehen Sie sich auf die (moralische) Verwerflichkeit rassistischer Aussagen, oder auf deren Legalität? Ich stimme Ihnen unumwunden und ohne jede Einschränkung zu, dass Rassismus Menschenrechte und damit auch die Demokratie unterminiert und damit moralisch in jedem Fall verwerflich ist.

             

            Meine Aussagen beziehen sich jedoch auf die Legalität rassistischer Aussagen. Ab wann sollte Ihrer Meinung nach ein Gericht sagen, "Für diesen Internetkommentar/dieses Buch etc. müssen Sie soundsoviel Strafe zahlen" oder "... bekommen Sie eine Bewährungsstrafe von ... Monaten"? Ich meine, soweit ich weiß, ist ja nicht mal Sarrazin für seine Aussagen angeklagt worden, obwohl ich gelesen habe, dass er in seinem Buch behauptet haben soll, dass Muslime genetisch bedingt weniger intelligent wären und so.

             

            Das ist ja Rassismus pur und gerade in Bezug auf unsere Geschichte äußerst problematisch. Er verdient in jedem Fall Kritik ohne Ende dafür, und ein Ausschluss aus der SPD wäre m.E. auch sinnvoll gewesen. Was ich sagen wollte, ist, dass ich es schwierig finde, hier eine juristische, strafrechtliche Grenze zu ziehen. Und darum geht es ja bei der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit: um Schutz vor Strafverfolgung, nicht um die Fragwürdigkeit bestimmter Aussagen. Rassistische Aussagen verdienen in jedem Fall ausdrückliche Kritik, aber längst nicht notwendigerweise (Gefängnis-)Strafen.

            • @Smaragd:

              Es gibt nach wie vor den Straftatbestand der Volksverhetzung. Die Frage, warum die einschlägigen Paragraphen hier praktisch nie angewendet werden, ist sehr berechtigt. Die Folgen davon können Sie zZt. in Tröglitz, in Sachsen, in Dortmund, in Mecklenburg-Vorpommern und an zahlreichen anderen Orten dieser Bundesrepublik tagtäglich beobachten. Das ist das erwartbare Ergebnis von mangelnder Aufarbeitung deutscher Geschichte, von Verharmlosung, Vertuschung, Schönrederei und populistischer Trittbrettfahrerei der sogenannten Mitte bei den Rechtsextremen. Schon Ovid mahnte: "Wehret den Anfängen!" und meinte damit, dass man sich beizeiten erheben muss und nicht erst, wenn es schon zu spät ist.

               

              http://de.wikipedia.org/wiki/Volksverhetzung

    • @Smaragd:

      Rassismus ist eben keine vertretbare "Meinung" und kann auch nicht durch Meinungsfreiheit gedeckt werden. Gerade auf dem Hintergrund der deutschen Geschichte kann es daran überhaupt keinen Zweifel geben.

  • Die NPD ist das Ausdrucksorgan für den Samen den Seehofer und die CSU in Bayern mit "Wer betrügt, der fliegt" und "Deutsch in den Wohnzimmern der Ausländer" gesät hat.... Dass die CSU oft mit dem Feuer spielt wissen wir ja... dieses Mal ist kräftig in die Hosen gegangen....