Korruption bei der türkischen Polizei: Ankara feuert Polizisten und Richter
Mit Massenversetzungen reagiert die türkische Regierung auf die Korruptionsermittlungen. Betroffen sind fast 500 Polizisten und Mitarbeiter der Justiz.
ISTANBUL afp/rtr | Die türkische Regierung geht weiter gegen mutmaßliche Gegner in Polizei und Justiz vor. In der Hauptstadt Ankara wurden am Mittwoch rund 470 Polizisten zwangsversetzt, wie türkische Medien berichteten. Zuvor waren 96 Richter und Staatsanwälte ihrer Posten enthoben worden. Die Massenversetzungen sind Teil der Reaktion von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan auf Korruptionsermittlungen gegen seine Regierung.
Istanbuler Staatsanwälte hatten Mitte Dezember die Korruptionsvorwürfe publik gemacht. Erdogan sieht in den Vorwürfen den Versuch von Anhängern des islamischen Predigers Fethullah Gülen, seine Regierung zu stürzen.
Der Ministerpräsident hat in den vergangenen Wochen mehrere tausend Polizisten und Juristen versetzen lassen. Dabei soll es sich um mutmaßlichen Anhänger Gülens handeln. Kritiker befürchten jedoch, dass mit den Massenversetzungen die Korruptionsermittlungen gestoppt werden sollen. Schon vergangene Woche waren rund 20 Staatsanwälte versetzt worden, darunter jene, die an den Istanbuler Ermittlungen beteiligt waren. Auch in der Finanzverwaltung und beim Staatssender TRT gab es Versetzungen.
Die jüngsten Versetzungen von Juristen wurden vom Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte (HSYK) angeordnet, in dem die Regierung durch Neubesetzungen in der vergangenen Woche ihren Einfluss ausgebaut hatte. Unter anderem traf es einen leitenden Staatsanwalt im westtürkischen Izmir, der dem Justizministerium vorgeworfen hatte, ihn zur Einstellung von Korruptionsermittlungen dort aufgefordert zu haben. Die Regierung wies die Vorwürfe zurück. Auch Polizeibeamte, die an der Aufdeckung des mutmaßlichen Korruptionsfalles in Izmir mitgearbeitet hatten, wurden versetzt.
Unabhängigkeit der Justiz
Das türkische Parlament debattiert derzeit in Ankara über einen Gesetzentwurf der Regierung, der nach Meinung von Kritikern den HSYK noch stärker den Weisungen des Justizministeriums unterwerfen würde. Nationalistenchef Devlet Bahceli kritisierte, in der Türkei stehe die Justiz inzwischen unter der Kontrolle der Regierung. Dagegen hatte Erdogan am Dienstag der EU bei einem Besuch in Brüssel versichert, er respektiere die Unabhängigkeit der Justiz.
Erdogan hat nach dem Treffen mit Spitzenvertretern der EU das Vorgehen seiner Regierung im Korruptionsskandal verteidigt: „Wenn wir die Justiz als eigenständige Gewalt betrachten, hätten wir ein Land, in dem die Justiz herrscht und nicht die Demokratie.“ Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, bei derartigen Problemen einzugreifen.
Der türkische Ministerpräsident monierte auch die öffentliche Kritik von EU-Politikern an seiner Regierung. „Statt diese Kommunikation über die Medien zu führen, sollten wir dies in bilateralen Gesprächen der zuständigen Minister klären.“
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