Tod vor dem Roten Rathaus: Video zeigt Polizeischuss
Ein Beamter erschießt in Berlin einen nackten Mann mit Messer. Das war Notwehr, behauptet die Polizei. Ein Video zeigt, was passiert ist.
BERLIN taz | Ein Polizist hat am Freitagmorgen am Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus in Berlin einen offenbar verwirrten Mann erschossen. Im Internet kursiert ein Video von der Szene. Es ist eine verstörende Aufnahme. Sie zeigt, dass der Tod des Mannes nicht so unausweichlich war, wie die Behörden behaupten.
Passanten hatten die Polizei gerufen, weil ein nackter Mann mit einem Messer herumfuchtelte. Als die Beamten eintrafen, stach der Mann auf sich ein und blutete bereits aus mehreren Wunden. Die Polizisten holten Verstärkung. Einer der Polizisten steigt ins Becken - um den Mann von weiteren Selbstverletzungen abzuhalten, sagt Polizeisprecher Stefan Redlich.
Zu dem Zeitpunkt, als die Videoaufnahme beginnt, stehen mindestens ein Dutzend Polizisten sowie mehrere Sanitäter rund um den Neptunbrunnen. Passanten sind nicht zu sehen. Der nackte Mann geht im Brunnenbecken auf den Polizisten zu. Es fallen Rufe: „Messer weg! Messer weg!“
Der Mann geht weiter auf den Polizisten zu, der geht rückwärts. Der Polizist erreicht den Rand des Beckens, der Mann ist noch zwei Armlängen entfernt. Es fällt ein Schuss. Gleich der erste Schuss wird nicht etwa auf einen Arm oder ein Bein des Mannes abgegeben, sondern auf die Brust. Der Polizist steigt zügig über den Rand des Beckens aus dem Brunnen. Der Mann wankt kurz, bricht dann zusammen. Die Sanitäter ziehen ihn aus dem Wasser, tragen ihn weg.
Schuss in die Lunge
Doch die Hilfe kommt zu spät: Nach Polizeiangaben hat der Schuss die Lunge getroffen, der Mann starb kurz darauf im Rettungswagen. „Eine abschließende Bewertung gibt es noch nicht“, sagt Martin Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die Polizeipistole wurde sichergestellt. Wie immer in solchen Fällen wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den Beamten eingeleitet. Dieser sowie sein Kollege wurden zunächst von Psychologen betreut. Der Tatort wurde nach Spuren abgesucht.
„Auch nach Kenntnis eines Videos spricht sehr viel für Notwehr“, sagt Steltner. Tatsächlich spricht viel dafür, dass der Mann gefährlich war. Allerdings sollte ein Dutzend Polizisten mit ihm anders fertig werden, als ihn gleich zu erschießen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen