Vater wegen Mord an Arzu Ö. vor Gericht: Anstifter oder Unbeteiligter?
Weil Arzu Ö. als Jesidin einen nicht-jesidischen Bäcker liebte, wurde sie von ihren Geschwistern ermordet. Nun steht auch ihr Vater vor Gericht.
DETMOLD dpa | Mehr als 14 Monate nach der Ermordung de18-jährigenr Arzu Ö. aus Detmold hat vor dem Landgericht der Prozess gegen ihren Vater begonnen. Zum Auftakt am Montag gab Fendi Ö. zwar zu, seine Tochter mehrmals verprügelt zu haben. Er habe aber seine fünf erwachsenen Kinder nicht angestiftet, Arzu umzubringen. Die Anklage wirft dem 53-Jährigen Körperverletzung und Anstiftung zum Mord vor.
Seine fünf erwachsenen Kinder waren im Mai 2012 zu Haftstrafen verurteilt worden. Sie hatten ihre Schwester Arzu im November 2011 entführt und getötet. Der Richter sprach damals von einem klaren „Ehrenmord“. Dem Vater droht eine Verurteilung zu lebenslanger Haft. Hintergrund der Tat war die Beziehung Arzus zu einem Nicht-Jesiden. Die Familie Ö. gehört zur Glaubensgemeinschaft der Jesiden, die Beziehungen zu Nicht-Jesiden ablehnt.
Arzu habe sich im Sommer 2011 sehr ungehorsam benommen, habe Probleme mit der Polizei und der Schule gehabt, hieß es in einer am Montag von dem Verteidiger verlesenen Erklärung von Fendi Ö. Dann habe sich der Verdacht der verbotenen Beziehung bestätigt. Da habe er sie geschlagen – aber: „Mit der Tötung von Arzu habe ich nichts zu tun. Sie war aus unserer Familie ausgeschlossen, damit war die Sache für mich erledigt.“
Eine ehemalige Freundin Arzus sagte vor Gericht, ihre Klassenkameradin sei am 1. September 2011 zu ihr gekommen und habe geweint. Sie sei vom Vater und einem Bruder verprügelt worden. Sie habe Angst, von ihrer Familie verschleppt zu werden. Danach erstattete Arzu Anzeige und ging in ein Frauenhaus.
Staatsanwalt Christopher Imig hatte in der Anklageschrift angeführt, Fendi Ö. sei außer sich vor Empörung gewesen darüber, dass Arzu von zu Hause geflohen und ihn bei der Polizei wegen Körperverletzung angezeigt habe. Da habe er sich entschlossen, Arzu umzubringen. Die Familie habe ihn davon abhalten wollen. Da habe er den Kindern gesagt: „Dann müsst ihr es tun.“ So habe er einen Gesichtsverlust in der jesidischen Gemeinschaft vermeiden wollen. Imig will Fendi Ö. auch anhand von Telefon-Verbindungsdaten eine Beteiligung nachweisen.
Geladen sind 28 Zeugen. Ursprünglich sollten auch die fünf Verurteilten vor Gericht erscheinen. Sie haben jedoch die Aussage verweigert. Auch mehrere geladene Verwandte des Angeklagten wollen nicht aussagen. Zudem sind drei Sachverständige geladen. Vorgesehen sind insgesamt vier Verhandlungstage.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker