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zwischen den rillenDreck ist ein Grundrecht

Fünf Jahre nach dem Debüt seiner Zweitband Mint Mind hat der Hamburger Gitarrist Rick McPhail in neuer Besetzung den Nachfolger „Thoughtsicles“ eingespielt. Die Musik klingt wie Indierock vor 30 Jahren: schön dreckig. So unkalkuliert dreckig, wie er früher tatsächlich mal war. Ende der 1980er Jahre, als US-Indie­labels wie SST und Touch & Go die Musik zur Zeit veröffentlichten.

Von deren Klassikern dürfte der US-Künstler McPhail einige Exemplare kennen. Nun hat er deren Attitüde der Einfachheit halber selbst angewandt. „Thoughtsicles“ holt die 1980er aber nicht als lahme Retro-Übung zurück; die Songs wirken so rau, garagig, eben dreckig, manchmal gar angepisst, wie viele Indierockbands aus jener Epoche. Mit dem Herzen tief im US-Hardcore verwurzelt, merkte man Bands wie Minute­men, Hüsker Dü oder Sonic Youth musikalisch ihre Werte-Sozialisation nicht an. Es war eine Zeit nach dem Alten und vor dem Neuen.

Mint Mind schleudern in ihrem Remake den alten Dreck wieder auf, tanzen kann man dazu famos. Zum Auftaktsong „Alcoholicity“ etwa, in dem McPhail davon singt, zu viel getrunken und dann Mist gebaut zu haben, an den er sich nicht mehr erinnern kann. Die Hookline von „Brother, you’re not my brother“ ist dann eine auf dem Silbertablett gelieferte Einladung zum gemeinsamen Intonieren; „I love a Good Queue“ eine bitterböse Abrechnung mit Leuten, die ihre Bandshirts bei H&M kaufen, ohne zu wissen, wen sie da am Leib tragen. „Is it from H&M? / You never listen to them? / They sang about love and how much it hurts / but to see you in that shirt with that Gucci purse“ heißt es da an jene Leute gerichtet, die Joy-Division-T-Shirts des schwedischen Modekonzerns tragen.

Meckern und Zwinkern

Neben dem mit einem Augenzwinkern versehenen Meckern über die kleinen Alltagsdinge, die McPhail nerven, macht er auch ganz ironiefrei seinem Ärger Luft. „A road best traveled“ ist eines der Stücke, in denen McPhail Stellung bezieht: „There’s not a reason in the world for supremacy / Where you’re born’s is just the luck of the drawn“ singt der gebürtige Amerikaner, der in Maine an der Ostküste aufwuchs, damals, in den 1980er Jahren. Hast du wirklich etwas für die Freiheit dieses Landes getan, fragt er weiter. Und schließt: Abgesehen davon, dass du denkst, deine Hautfarbe sei etwas Besonderes – mir bedeutet sie nichts.

In „The hassle from the Man“ rechnet McPhail wiederum mit korrupten Politikern ab, die offenbar eine andere Verfassung gelesen haben, vermutet er, treten sie doch die Grundrechte mit Füßen. Der Song, der auf einem dröhnenden, von Bongo-Trommeln getragenem Instrumental fußt, ist obendrein einer dieser ins Psychedelische gehende musikalischen Ausbrüche, wie sie auf „Thoughtsicles“ hie und da zu finden sind. Nicht zuletzt in dem Titelstück, das durch seine zehneinhalb Minuten schon fast Tool-Ausmaße hat. Epik bleibt die Ausnahme, musikalisch und die Dauer betreffend sowieso. Wenn überhaupt, dann machen Mint Mind mit „Thoughtsicles“ eine Hommage an den kaputten Rock und Postpunkstil einer vergangenen Dekade, aber sie experimentieren auch mit dem Format des Albums. McPhail nutzt hierbei Entfaltungsmöglichkeiten, die er mit seiner Hauptband Tocotronic und auch bei seinem früheren Nebenprojekt Glacier (of Maine) nicht hatte, hier über die Musik weitgehend aus. Im Homestudio eingespielt, ist „Thoughtsicles“ auf McPhails eigenem Label The Upper Room veröffentlicht, auch bei Artwork und Videos folgt der Künstler der alten Hardcore-Devise „DIY or Die“. Diese Methode ist nicht einfach nur charmant und nostalgisch, das kommt richtig gut: US-Underground mit 80er-Schlagseite steht Indierock auch 2020 ­ausgezeichnet. Kevin Goonewardena

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