zwischen den rillen: Sie zielen aufs Herz, haben einen Überschuss an Ideen
Die Band Elephants On Tape – vier Musiker und eine Musikerin aus Leipzig, Hamburg und Weimar – hat ihr Debütalbum, „Lightweights“, mit einer Crowdfunding-Kampagne finanziert. Im Spendenaufruf-Video stehen die jungen Bandmitglieder in einem Raum mit vielen Lampen und beschreiben in eingeübten Sätzen, mit der hilflosen Gestik von Personen, die sich nur selten an eine Kamera richten, ihre Musik als „detailverliebte Independent-Popmusik“.
Für jeden gespendeten Betrag bekamen die Teilnehmer eine Gegenleistung; bei fünf Euro, der niedrigsten Option, gab es ein „dickes Dankeschön in Form von fünf Aufklebern“; für neunhundert Euro, zuzüglich Fahrtkosten, ein Privatkonzert. Unter den großzügigsten Spendern waren die Familien der Musiker. Die Kampagne war erfolgreich.
Diese zunächst einmal wenig aussichtsreich scheinende Vorgeschichte gilt es hervorzuheben, weil das fertige Album, das vor Kurzem erschien, an keiner Stelle amateurhaft oder dilettantisch daherkommt, sondern, ganz im Gegenteil, die Musik durch eine präzise Produktion und sauberes Sound-Design auffällt.
Die Lieder auf „Lightweights“ lassen sich in der Tat als „detailverliebte Popmusik“ zusammenfassen. „Detailverliebt“, weil sie voller klanglicher Verzierungen sind, Kleinigkeiten, die, so meint man zunächst, nicht notwendig wären, bis man begreift, dass dieser Überschuss an Ideen, dieses Aufeinanderschaufeln von Tonspuren ja gerade der Punkt ist.
Diese Zutaten sind selten zu orten und zu ordnen; ob ein Rauschen, ein Scharren, eine Sirene, eine Art Klettverschluss-Aufreißen oder ein sanftes Wabern nun einer Software entstammt, einem elektrischen oder einem akustischen Instrument, lässt sich kaum verifizieren. Ähnlich unidentifizierbar sind die Beats: Zwischen Elektronik und greifbarer Körperlichkeit erden sie das Sphärische.
Die sauber abgenommenen und gemischten Tracks klingen nicht nach dem, was man sich unter „Independent“ vorstellen könnte. Mit dem Begriff ist ja in der Regel nicht nur eine Vertriebsart gemeint, er funktioniert häufig auch als Chiffre für eine künstlerische Attitüde, mit niedrigen Produktionswerten und klangästhetischem Slackertum assoziiert. „Lightweights“ hingegen klingt nach High-End-Studio-Smoothness, es klingt nach Geld, und zwar nach mehr als den 7.000 Euro, die die Band von Eltern und Freunden für Aufkleber und Privatkonzerte bekommen haben.
So vielseitig Sound-Design und Mixing sind, so eindimensional ist häufig das Songwriting. Es ist der Band nicht immer gelungen, Gesangsfiguren zu schreiben, die der Qualität der Produktion ebenbürtig sind. Am interessantesten ist Lisa Zwinzschers Gesang da, wo er lediglich das Rohmaterial bildet für Dekonstruktionen, wo die Tonspur nachträglich zerschnitten wurde, gepitcht, gedehnt, über den Track verteilt. Denn unverfremdet verbinden sich ihre langgezogenen Noten, mit viel Luft intoniert, zu wenig aufregenden Melodien.
Zu lange dran gearbeitet
Einige Lieder klingen, als hätten die Musiker zu lange an ihnen gearbeitet. Als hätten sie die siebzigste Fassung eines Stücks auf das Album genommen, wo die zwanzigste nicht nur genügt hätte, sondern womöglich aufregender gewesen wäre. Denn so reizvoll es sein kann, ein Album für seine Produktionswerte zu hören, Elephants On Tape wollen ja nicht analytisch rezipiert werden, sie machen schließlich Pop, sie zielen aufs Herz.
Dass ihre Musik die erhoffte emotionale Kraft nicht immer entwickelt, liegt weniger an der Überproduktion und mehr an der unebenen Qualität des Songwritings. Vor allem im Hinblick auf die Gesangsfiguren kommt die Band in einigen Liedern nicht über generische Versatzstücke hinaus.
Das Cover des Albums ist da eine Veranschaulichung dieses grundsätzlichen Problems: Es zeigt eine Menge an Formen und Farben, in bunter Anordnung kreisend, um einen leeren Kern. Jan Jekal
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