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zwischen den rillenSchlafwandler und Symphoniker des Folk: Violent Femmes, Eels, Lambchop

TYPISCH TAPSIG, SCHWER PERSÖNLICH

Geht die Tür auf und jemand sagt: „Das ist ja Musik wie früher.“ Und plötzlich wird einem bewusst, dass man in dem Alter ist, in dem Musik mit einem zusammen graue Haare bekommt.

Allerdings würde man sich wünschen, sich so gut gehalten zu haben wie die Violent Femmes. Auf „Freak Magnet“ hören sie sich lange nicht so tot an, wie man dachte, dass sie sein müssten. Vielmehr klingen sie so lebendig wie ein zauseliger Landkommunarde mit Redneck-Vergangenheit, wie nur Gordon Gano klingen kann.

Gano und seine Femmes gehören zu jenen Helden, die einem damals in den synthieverseuchten Frühachtzigern den Glauben an die Gitarre wiedergaben. Außerdem waren diese Spinner aus Milwaukee mit ihren Songs übers Onanieren herrlich deplatziert auf einem Planeten, der an die Revolution durch Pop glauben wollte, und, solange das nicht klappte, sich mit dem überbordenden Glamour von ABC und dank der Tiefenwirkung von Clearasil eine fetzige Zeit machte. Die Violent Femmes dagegen waren Straßenmusiker, und das sind sie bis heute geblieben. In der Retrospektive nahmen sie damals fast prophetisch die Rückkehr des Folk ebenso vorweg wie das Lo-Fi- und Homerecording der Neunziger. Auch wenn sie ihrer Zeit voraus waren, spätestens jetzt spielen sie Mitteilungen aus einer untergegangenen Welt, in der das Leben noch nicht in beats per minute gemessen wurde. Hier wird nicht mal forsch gegangen, hier geht es eher um „Sleepwalkin'“ – den unsicheren nächsten Schritt bei der Erforschung des eigenen Ich. Punkrock-Anfälle wie „Mosh Pit“ dagegen klingen noch antiquierter, als sie es in grauen Urzeiten schon getan haben. Dass sie satirisch gemeint sind, erklärt zwar manches, aber macht es nicht besser.

Auch wenn sie in einigen wenigen Songs ganz vorsichtig mit Elektronik experimentieren – das irgendwie Grandiose passiert auf dieser Platte in den ruhigeren, bluesigeren Stücken, die zwar abgehangen, aber trotzdem niemals nach Alterswerk klingen. Selbst die Single „All I Want“, eine für Gano ungewohnt ungebrochene Liebeserklärung, hat sich trotz einer durch 20 Jahre Muckertum abgesicherten Souveränität die typische Tapsigkeit der Femmes bewahrt. Und die ist einfach zeitlos.

Wo bei den Violent Femmes der Reiz aus einer Ahnung von Dilettantismus erwächst, sorgen sich die Eels bei ähnlicher Musik um den entgegengesetzten Ansatz. So ist „Daisies of the Galaxy“ nicht einfach nur die fünfte Platte von Mark Oliver Everett alias „the man called E“ und die dritte unter dem Namen Eels, sondern ein Konzeptalbum zum Thema Tod. Dafür stehen auch die Gänseblümchen aus dem Plattentitel, denn „push up the daisies“ heißt so viel wie sich die Radieschen von unten zu betrachten.

Den Selbstmord seiner Schwester und den Tod seiner Mutter verarbeitet E in mitunter sarkastischen Songs über den Autounfall von Grace Kelly, die Vögelleidenschaft seiner Mutter, das runtergekommene Kino einer x-beliebigen Kleinstadt oder die Kleinanzeigen im Rolling Stone, wo man Asche von Rockstars kaufen kann. Im Song „Estate Sale“ allerdings, der den Verkauf des Elternhauses würdigt, indem er versucht, der dort verbrachten Kindheit Töne zu geben, verzichtet E völlig auf Gesang.

Wenn er singt, dann zwischen wundervollen Arrangements aus akustischen Gitarren, sanften Streichern, vorsichtigen Blasinstrumenten und einer leicht deplatzierten Orgel. Seinen schmerzhaft persönlichen Songs gibt E eine Stimme, die sich schon fast verzweifelt um objektive Distanz bemüht. In ihrer rissigen Emotionslosigkeit aber macht sie diese Verzweiflung erst hörbar – und lässt einen zugleich die Hoffnung spüren, die es geben muss, weil ein Ende ja immer auch ein Anfang ist. Diese Platte, so ließ E verlauten, sei doch eigentlich recht optimistisch. Wann und ob überhaupt die andere Hälfte der Aufnahmesessions, die wirklich depressiven Songs, erscheint, ist nicht entschieden.

Noch ein Rädchen weiter drehen Lambchop diese Idee vom symphonischen Folk. Auf „Nixon“ sind zwar Folk und Country noch die Grundlagen, Lo-Fi aber ist getilgt, und dazu wird Soul gefeiert wie die Entdeckung des elektrischen Lichts. Mit der Ernsthaftigkeit einer Big Band betreibt die bisweilen 17-köpfige Kapelle aus Nashville die Volksmusik Country und die sonst von ihrer Schlichtheit lebende Form Folk. Die Melodielinien sind ausladend, die Arrangements üppig, der Schlagzeuger swingt entspannt im mittleren Tempo, und der langsam wohl größenwahnsinnig werdende Kurt Wagner versucht sich als Crooner.

Wäre man böse, könnte man meinen, James Last und sein Pseudo-Fingerschnippen hätten sich in der Studiotür geirrt. Tatsächlich hat „Nixon“ etwas von Easy Listening, zieht die Musik weite Kreise, ohne wirklich etwas zu bewegen, schwingt sich ständig zu Großem auf, um dann in sich zusammenzufallen. Heiße Luft wird zum beeindruckenden Hörerlebnis. Vielleicht hat ja auch George Clinton plötzlich die böse Musik des weißen Mannes entdeckt. Nicht nur „The Book I Haven't Read“, so Wagner, ist von Curtis Mayfield inspiriert, von dem Lambchop schon auf der Vorgängerplatte einen Song gecovert hatten.

So oder so, Meisterwerke wie dieses beruhigen ungemein, weil sie von ihrer eigenen Größe zu wissen scheinen. Man lehnt sich im Sessel zurück und kann den grauen Haaren ganz vorzüglich beim Wachsen zuhören. THOMAS WINKLER

Violent Femmes: „Freak Magnet“ (Volgato/Zomba) Eels: „Daisies of the Galaxy“ (Dreamworks/Motor) Lambchop: „Nixon“ (City Slang/EFA)

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