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zwischen den rillenDas letzte Röhren: Aerosmith und Rod Stewart

Tränen im Hansa-Bier

Man könnte sie ja mal fragen, warum sie’s überhaupt noch machen. Bei einer Pressekonferenz etwa: „Hey, Mr. Tyler and Mr. Perry, denken Sie nie daran, in Rente zu gehen?“. Die neue Aerosmith ist wie die etwas ältere Aerosmith, wie die davor, die davor und die davor. Auf „Just push play“ sind drei Balladen (von 13 Songs – guter Rock-Durchschnitt), neun mediokre Rocktitel mit viel scheußlich-sauberem E-Piano und der Uptempo-Song „Light Inside“, der mit etwas Fantasie in Richtung Hardcore wippen könnte – wäre da nur nicht dieser „Junge deutsche Kuttenträger machen englische Texte“-Text: „The light inside is very bright. The light makes everything alright“. Wegen solcher Texte mögen auch Teenie-Bopper die Band.

In raren Momenten erreicht die CD, deren Covermotiv – silbernes Cyberrobotergirl mit Marilynkleid – man sich nicht mal unter Strafandrohung auf seinen Manta airbrushen möchte, die Qualität von Led Zeppelin, mit „Kashmir“, 1975. Oder die Qualität von Aerosmith selbst, auch 1975, „Toys in the Attic“, in der Tylers notorisches Rockröhren noch nicht so nervte – einfach weil man nicht wusste, dass es einen das ganze Leben begleiten würde.

Aber das hat er getan. Nach 30 Jahren Bandgeschichte röhrt der Mann, der seiner eigenen Karikatur immer ähnlicher wird, noch immer in der keifigen, hohen Tonlage, die schon „J-j-jaded!“ oder „Love in an elevator“ gekreischt hat, wie . . . ja wie Steven Tyler eben. Fängt ein Song mal schön an, wie das anfangs britpop-gitarrig swingende „Face“, dann kommt Tyler und rockt die Stimmung kaputt.

Aber auch andere Leute haben mehr Vergangenheit als Zukunft. Von Rod Stewart konnte man vor ein paar Jahren Paparazzi-Fotos in einer englischen Boulevardzeitung sehen. „Rod Stewart und seine junge Freundin schmusen heimlich im Garten“, stand darunter. Auf dem Foto saß die Freundin hinter dem massigen Rücken des Briten und drückte ihm Pickel aus.

„Human“ heißen die neue CD und der erste Song von Rod Stewart. Man hat in der Musikszene munkeln hören, dass er eigentlich gar keine Lust mehr hatte, an einem neuen Auswurf der kranken musikalischen Fantasie seiner Produzenten mitzuwirken. Was auch nur allzu menschlich ist! Hätte er doch auf seine ewig betrunkene innere Stimme gehört! Stattdessen hat er, so gruselig wie unerwartet, versucht, ein R ’n’ B-Album zu machen: „Human“ klingt beim ersten Hören wie Jennifer Lopez, die von bösen „Shining“-Geistern besessen ist und darum „in Zungen“ spricht: Leichter, sauber wegproduzierter R ’n’ B-Latino-Rhythmus, sphärische Frauenstimmen im Hintergrund – bei manchen Songs („Don’t come around here“) scheinen sich die Sugarbabes einen echten Sugardaddy geleistet zu haben: Man hört den Produzenten heraus, der die One-Hit-Wonder-Girlgroup „Cleopatra“ geschaffen hat.

Aber Rod Stewart, mit seiner Vokuhila-Frisur, seinen 56 gelebten Jahren, seiner Soulattitüde, die ab und an noch anklingt und seinem Händchen für peinliche Rockballaden wirkt auf dem Album so deplatziert wie ein mit Leopardenfell, Radio und Dimmer ausgestattetes Puffbett vom Möbeldiscount in einer Art-Deco-Wohnung. Oder wie eine Dose Hansa-Pils in einer Cocktail-Lounge. Das Traurigste ist, dass er ein einziges Stück allein produziert hat: „To be with you“ ist eine belanglose, Stewart-typische Pub-Ballade, die von tears in my beer und Schunkeln erzählt. Und es gibt den Hit „I can’t deny it“, das andere Werk, das nach Stewart klingt, was Werk und Künstler auch nichts nützt. Trotzdem. Vielleicht sollte man sich die CD einfach aus Erbarmen kaufen. Bevor solche anachronistischen Künstler ganz ausgestorben sind. JENNI ZYLKA

Aerosmith: „Just Push Play“ (Columbia Sony), Rod Stewart: „Human“ (Atlantic)

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