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zwischen den rillenFür jedes Terrain: They Might Be Giants reizen ihren Allradantrieb aus

Perfektion des Setzkastens

„Sie könnten Riesen sein, sie könnten Mr. Spocks Begleitband sein, sie könnten Schnee sein, sie könnten was anderes im Schnee sein“, sangen Linnell und Flansburgh, die beiden Johns von They Might Be Giants zu Beginn ihrer Karriere. Über sich selbst, versteht sich.

Von Punk bis Polka quetschten die beiden prototypischen Nerds heiter in den Casio-Fleischwolf, was noch irgendwie Credibility beanspruchte – herauskamen dadaistische Schmuckstückchen wie „Istanbul (Not Constantinople)“ oder „Birdhouse In Your Soul“. „Mink Car“ ist ihr zehntes Album insgesamt, ihre erste Platte nach dem erklärten Ende der Ironie.

Seinen Kitzel hat das intime Nebeneinander von handwerklicher Perfektion und sinnfreiem Dadaismus dennoch nicht verloren, auch wenn’s manchmal knapp wird; „Another First Kiss“ etwa schmachtet dem Wunsch nach dem zauberhaften ersten Mal hinterher, so lange, bis das drohende Pathos nur noch durch einen neckisch eingestreuten Kalauer im Refrain gebannt werden kann: „Just another french kiss, baby“. Und hier wird’s problematisch.

Weil TMBG, einst mit ikonoklastischem Eifer angetreten, inzwischen selbst Ikonen geworden sind – und weit davon entfernt, sich selbst zu demontieren. Im Gegenteil nutzen Linnell und Flansburg inzwischen ihre Talente auch mal, um Titelmelodien für Fernsehserien zu schreiben. Und, ja doch, „Boss Of Me“ aus der Sitcom „Malcolm Mittendrin“ ist natürlich auch auf dem Album. Dort finden sich neben dem üblichen TMBG-Polkagestampfe auch die neuen Singles von den Pet Shop Boys („Man, It’s So Loud In Here“) oder den Pogues („Drink!“) – oder was man dafür halten könnte. Parasitär eben wie jede Ironie, die ohne ihren Wirt keine drei Akkorde überlebt.

„I am interested in things“, sangen TMBG früher einmal mit jener Heimtücke, mit der beim Aikido das Momentum des Angreifers genutzt wird, ihn kurzerhand auf die Matte zu legen.

Welche Dinge? Egal. Sachen eben. Was anderes im Schnee. Alles, wofür wir uns erwärmen können, ohne in Leidenschaft zu entbrennen.

Ist dieser Witz aber erst einmal erzählt, dieses Konzept endlich erfüllt, dann bleibt als Alternative zum aufrechten Abgang nur die behutsame Kommerzialisierung. Wir dürfen, müssen aber nicht über „Mink Car“ lachen. Und weil alles so poppig flutscht, bleibt auch nichts im Halse stecken.

Nu Metal? Folk? College Rock? Dancefloor? Die Schlaumeier von TMBG können alles, jeder Song eine gezückte Trumpfkarte: Seht her, dies beherrschen wir, jenes auch, uns selbst allemal. Als begnadete Nerds bereisen sie ihr Popuniversum, als beflissene Streber ordnen sie die Fund- und Versatzstücke allzu säuberlich in den pittoresken Setzkasten von „Mink Car“ ein.

Sie könnten Riesen sein, sind aber doch nur ein cleverer Geländewagen für jedes musikalische Terrain. Mit getönten Scheiben, zuschaltbarem Allradantrieb und hervorragender Verarbeitung. Aus sicherer Höhe lässt sich der Verkehr ringsum beobachten, ohne wirklich daran teilzunehmen – selbst das tiefste stilistische Schlagloch hinterlässt nichts als einen Schlammspritzer auf dem Kotflügel. Bequem ist das, auf Dauer aber auch einschläfernd. Und im Autoradio läuft auch nichts Vernünftiges.

Einen Hit allerdings wünschten wir ihnen von Herzen, und zwar mit ihrer Coverversion von „Yeh Yeh“. Damit Georgie Fames Klassiker endlich, endlich aus den Klauen von Matt Bianco befreit werde.

ARNO FRANK

They Might Be Giants: „Mink Car“ (PIAS / Connected)

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