zuwanderung: Die Grünen sind wieder lieb
Bundesinnenminister Otto Schily und die Grünen mögen sich wieder: Konsens über das Sicherheitspaket I, Einigung auf das Sicherheitspaket II und als Zugabe lobt die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth das Angebot Schilys zu einzelnen Verbesserungen am Referentenentwurf des geplanten Zuwanderungsgesetzes. Vergessen scheinen die Tage von Anfang September, als grüne Landesverbände Sturm gegen Schilys Zuwanderungsentwurf liefen, ihn als inakzektabel und völkerrechtswidrig bezeichneten und sogar der Koalitionsbruch drohte. Ein angeschlagener Schily? Schnee von gestern.
Kommentarvon EBERHARD SEIDEL
Der Innenminister ist ein Kriegsgewinnler, er wusste die Wochen nach den Terroranschlägen vom 11. September machtpolitisch zu nutzen. Dem Volk präsentierte er sich einmal mehr als zupackender Zuchtmeister, er signalisierte mit den Sicherheitspaketen die wichtige Botschaft: Wenn Gefahr im Verzuge ist, dann dürfen dreie einmal gerade sein, dann ist Handeln gefragt und kein kleinkariertes, demokratietheoretisches Zaudern.
Der Entwurf zum Sicherheitspaket II fiel denn auch so katastrophal aus, dass neben Bürgerrechtlern und Datenschützern selbst Kabinettskollegen wie die Justizministerin rebellierten. Aber Otto Schily wird dies kaum eine schlaflose Nacht bereitet haben. Denn er weiß inzwischen, wie man die Renitenz besänftigt. Sein Rezept: Serviere Ungenießbares, lasse die Grünen ein wenig in diesem Eintopf herumrühren und würzen. Auch sie werden dann bald mit den Worten: „Wir haben Schlimmstes verhindert!“, Gefallen daran finden.
Nachdem die Sicherheitspakete verschnürt sind, fällt es Schily leicht, dem Koalitionspartner bei seinem Entwurf zum Zuwanderungsgesetz ein paar Zuckerstückchen zu reichen. Den Grünen werden nun sicherlich ein paar gute Gründe einfallen, weshalb die Heraufsetzung des Nachzugsalters von 12 auf 14 statt auf die von ihnen geforderten 18 Jahre ein tragfähiger Kompromiss sein kann. Und weshalb mit einer Anerkennung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung aus einem inkonsistenten Referentenentwurf ein akzeptabler Gesetzentwurf wird.
Die Landtagswahlen in Hamburg und in Berlin sind gelaufen, allzu viel Widerstand ist von den Grünen also nicht mehr zu erwarten. Für die grüne Spitze eine Gelegenheit, die von ihnen zwar propagierten, aber wenig geliebten „Nebenschauplätze“ demokratische Rechte und Einwanderung zu verlassen, um sich Weltbewegenderem zu widmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen