zahl der woche: In jedem dritten Dax-Unternehmen scheidet der Vorstandsvorsitzende aus. Die meisten wechseln in den Aufsichtsrat
Bedingte Wachablösung an den Spitzen deutscher Konzerne
Bernd Pischetsrieder ist ein Sonderfall. Seit der Ex-BMWler designierter Nachfolger von VW-Vorstandschef Ferdinand Piëch ist, wirbelt er durch den Konzern – dabei übernimmt er die Führung offiziell erst im April 2002. So offensiv hat sich in den Vorstandsetagen kaum einer an seinen Job gemacht. Deshalb fällt kaum auf, dass in diesem Jahr oder demnächst in 10 der 30 Dax-Unternehmen ebenfalls eine Ablösung stattfindet.
Den Anfang machten im März Herbert Hainer, der Robert-Luis Dreyfuss als Mister Adidas, und Gerhard Pegam, der Klaus Ziegler an der Spitze von Epcos folgte. Im April beerbte Hubertus Erlen Guiseppe Vita bei Schering, und im August musste Martin Kohlhaussen den Chefsessel bei der Commerzbank für Klaus-Peter Müller räumen. Für das kommende Jahr ist außer bei Volkswagen auch bei der Deutschen Bank, Bayer, BMW, VW, Linde und RWE ein Wechsel angesagt. Die Allianz, die eigentlich als elftes Dax-Unternehmen auf der Liste stünde, scheint sich dagegen zu drücken: Vorstandschef Henning Schulte-Noelle, der nur bis Ende 2002 bestellt ist, will seine Amtszeit verlängert haben.
Verjüngt werden die Vorstände durch den Generationenwechsel kaum, obwohl etwa Pegam erst 39 Jahre ist. Der durchschnittliche Dax-Vorstandschef ist 56 Jahre alt – und männlich, denn wieder wird kein Unternehmen die Chance nutzen, eine Frau an die Spitze zu stellen.
Auch eine andere deutsche Tradition wird weiter gepflegt: Die meisten Ausscheidenden wollen in den Aufsichtsrat wechseln. Ziegler, Kohlhaussen und Vita haben es schon geschafft, Rolf E. Breuer (Deutsche Bank), Piëch, Manfred Schneider (Bayer) und Joachim Milberg (BMW) melden Ansprüche an. Wenn sie erfolgreich sind, wäre damit ein in der Debatte um Corporate Governance heftig umkämpfter Punkt kalt erledigt – Aktionärsschützer und Prüfer fordern, dass der Übertritt zum Ausnahmefall wird. Begründung: „Wenn ein Vorstand in den Aufsichtsrat geht, wird er alles tun, dass die Leichen seiner Amtszeit nicht aus dem Keller geholt werden.“ Interessanterweise taucht die Forderung im letzten Entwurf zum Corporate-Governance-Kodex, der 2002 in Kraft treten soll, schon nicht mehr auf: Vorsitzender der Kodex-Kommission ist Gerhard Cromme, ehemals einer von zwei Vorstandschefs bei ThyssenKrupp. Als die Hauptversammlung im Oktober beschloss, die Führung auf einen zu konzentrieren, ging er in den Aufsichtsrat.
BEATE WILLMS
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