wortwechsel: Durchbruch: Verfassungsgericht wird Stammtisch
Lügengeschichten, Diffamierungen ohne Grundlage: Die Wahl neuer RichterInnen für das Bundesverfassungsgericht wird nach US-Vorbild mit Hetzkampagnen weiter torpediert

„Wie konnte das passieren? Frauke Brosius-Gersdorf ist eine qualifizierte Rechtswissenschaftlerin. Sie sollte zur Bundesverfassungsrichterin gewählt werden. Kein großes Ding. Eigentlich“, wochentaz vom 19. 7. 25
Wer wird eingespannt?
Ich fürchte, es geht darum, die Zusammensetzung des Bundesverfassungsgerichts so zu beeinflussen, dass ein AfD-Verbot unwahrscheinlicher wird. Für dieses Ziel wurden „Lebensschützer*innen“, Plagiatsjäger und Unionsabgeordnete instrumentalisiert. Die Politik dieser Bundesregierung wird stärker von der AfD bestimmt als vom Koalitionspartner SPD, weil Teilen der Union die mentale Brandmauer fehlt. Matthias Knuth, Hattingen
Die konservativen Kräfte haben sich nicht nur einfach vergaloppiert – hier denken und handeln Geschwister im Geiste. Die konservative Ideologie des Bewahrens der guten alten Zeit, ist eher eine Verstetigung der schlechten und ungerechten Jetztzeit. Dass die Konservativen bereit sind, sich mit den reaktionären und faschistischen Kräfte gemein zu machen, beweist die Geschichte. Uwe Fischer, Berlin
„Vereint im Kampf gegen Brosius-Gersdorf“, wochentaz vom 19. Juli 25
Bereits vor etwa zehn Jahren hatte ich zufällig die Gelegenheit, an mehreren internen, sogenannten „Konklaven“ der im Text genannten, neurechten Akteure teilzunehmen. Meiner Ansicht nach heißen diese Treffen, bei denen die Teilnehmenden aus der EU und den USA auf so genannte Chatham House Rules – also absolute Verschwiegenheit nach außen – verpflichtet werden, nicht von ungefähr so. Die Rolle der katholischen Kirche als Ermöglicherin solcher Aktivitäten wird hier unterschätzt. Schon damals war zudem der neokonservative Einfluss aus den USA mehr als deutlich: Neben der im Text genannten ADF ist hier die HSLDA zu nennen, die als führende Lobbyakteurin mit Sitz in Washington für christlich-fundamentalistisches Homeschooling, auch in Europa, eintritt. Offenbar hat sich die Bewegung im rechtskonservativen und AfD-Umfeld in den vergangenen Jahren erheblich konsolidiert.
Celyn Arden Prystawik
Desinformation = Lüge
Mir selbst ist die Kandidatin piep egal, aber solche rechtsextremen Kampagnen nicht. Selbst Focus online bläst in prominentem Kommentar in dasselbe Horn, obwohl längst klar ist, dass die Positionen der Kandidatin zur Abtreibung völlig falsch wiedergegeben werden, wiederholt sie der Kommentator trotzdem.
Name ist der Redaktion bekannt
Ich habe ein Interview mit Frau Brosius-Gersdorf gesehen und schon nach wenigen Sätzen wurde mir schlagartig klar, warum diese Frau für die CDU nicht wählbar ist. Zu klug, zu differenziert, zu abwägend. Sie weiß, wovon sie spricht und was sie tut. Und sie ist eine Frau. Für eine Roll-back-to-the-1960s-CDU schlicht nicht wählbar. Tanja Hundsdörfer, Stuttgart
Da willst du dir nur nichtsahnend Urlaubsfotos deiner Freunde und Bekannten im Handy ansehen und stutzt Anfang der Woche über ein gepostetes Bild von Herrn Merz mit der sinngemäßen Überschrift „Regierung will Abtreibung bis zum 9. Monat erlauben“. Mit mulmigem Bauchgefühl liest du auch noch den dazugehörigen Kommentar: „In welchem Land leben wir eigentlich?“
Erst Ende der Woche verstehe ich dann den gesamten Zusammenhang: Die Richter(innen)-Wahl diente als Mittel zum Zweck gegen die schwarz-rote Regierung. Ein orchestrierter Hass mit hoch emotionaler Desinformation. Und du fragst dich nun selbst, in welchem Land du eigentlich lebst. Wann wachen Konservative endlich auf und merken, dass den emotional-manipulativen Takt gerade die Feinde der Demokratie setzen? Arno Schelle, Fredelsloh
„When they go low …“
„Die geheime Suche der SPD nach der idealen Ersatz-Richter*in“, wochentaz vom 19. 7. 25
Wenn Frau Brosius-Gersdorf jetzt zurückzieht oder noch schlimmer: die SPD sie schasst – dann haben die Rechten endgültig gewonnen. Sie entscheiden alleinig, wer ins Verfassungsgericht kommt. Denn aus falsch verstandenem Anstand wird eine „zu rechte“ Kandidatin natürlich von der SPD nicht genauso weggehetzt – „when they go low, we go high“. Aber, wer faul spielt gewinnt immer, solange es keinen Schiedsrichter gibt. Eine hoch dekorierte Juristin, nominiert für das höchste Gericht im Staate, wird wie ein Wegwerf-T-Shirt behandelt! Unglaublich, wie schnell das doch wieder geht. 1933 hat es auch nur wenige Monate gebraucht, bis die Demokratie zerfetzt am Boden lag. Kommentar taz Forum
Während sich viele Medienleute in Deutschland tagelang auf Brosius-Gersdorf stürzen und eine Regierungskrise wittern, sterben täglich anderswo Menschen – im Sudan, in der Ukraine und in Gaza, wo Kinder sogar beim Wasserholen getötet werden. Vor unseren Augen entfaltet sich dort ein Genozid, der hier in Deutschland kaum eine Rolle spielt. Das macht mich fassungslos, auch vor dem Hintergrund unserer Geschichte.
Ausführlich wird dagegen Merz in seiner ersten Pressekonferenz als Bundeskanzler über Brosius-Gersdorf befragt. Man/Frau kann diesen Fall als ein weiteres Mosaikstück auf dem Weg zum Fall der Brandmauer sehen, die ohnehin längst bröckelt. Stück für Stück rückt die CDU/CSU näher an die AfD heran und ebnet den Weg für ein mögliches konservativ-reaktionäres Regierungsbündnis in nicht allzu ferner Zukunft.
Peter Lessmann-Kieseyer, Köln
Die Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf ist im laufenden konservativen Kulturkampf nur Mittel zum Zweck radikaler Lebensschützer, evangelikaler Fundamentalisten, rechter Gruppen und internationaler Netzwerke, die unter anderem ideologisch und finanziell von Trumps früherem Chefstrategen Steve Bannon aufgerüstet werden. Das kann bei Bannon und in seinem Netzwerk jederzeit nachgelesen werden!
Jörg Wilhelm, Wiesbaden
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