wortwechsel: Schmerz, Schmalz, Tralala – wie politisch ist der ESC?
Am Eurovision Song Contest (ESC) scheiden sich die Geister: Fest der (homosexuellen) Liebe? Sex-und Kommerzkult? Abstimmung über Länderpolitik oder Qualität der Lieder?

„Es haben die Richtigen gesiegt. Mit JJ hat ein queerer Sänger aus Österreich den ESC gewonnen. Eine gute Wahl, denn ein Sieg Israels hätte den ESC 2026 sprengen können“, taz vom 18. 5. 25
ESC – wer ist „richtig“?
Weil „ein queerer Sänger“ den ESC gewonnen hat, zu schließen, „dass das eurovisionäre Europa es weiterhin nicht mit Kulturkämpfen nach dem Gusto Donald Trumps, Wladimir Putins oder Viktor Orbáns hält“, ist schon eine steile These. ESC ist ESC und nicht Alltag. Musiker und Künstler sind fast immer exzentrische Personen – dafür werden sie ja auch geliebt, weil sie nicht „normal“ sind, sondern aus der Masse stechen. Der Döner ist ja auch der Deutschen liebstes Fast Food und trotzdem wählen 25 Prozent mittlerweile AfD. Der Döner sinkt ja nicht in der Beliebtheit, wenn die AfD steigt und andersrum. Farang auf taz.de
Schöner, ausgewogen differenzierender und einfühlsamer Kommentar.
Günter Picard
Die Behauptung, dass beim ESC „die Richtigen gesiegt“ haben, verwundert mich. Ich dachte, dass die Besten gewinnen sollten. Aber gesiegt haben angeblich die, die queer oder israelisch sind. Aber JJ überzeugte sicherlich als einziger Countertenor und nicht weil er mit „queerer Stimmlage“ sang. Und dass die Israelin beim Publikum mit einer „Hymne“, die den „in den Händen der Hamas befindlichen Geiseln“ galt, vorne lag, ist nicht verwunderlich. Es gab niemanden, der die Stimmen gegen das israelische Vorgehen in Gaza sammeln und sie überholen konnte. Nico Biver, Marburg
Queer ist ja nicht automatisch besser oder schlechter. Yuval Raphael hatte eine einzigartige Story. Ob sie aber auch ein einzigartiges Lied hatte? Gleichwohl schätze ich den Wunsch nach palästinensischen Teilnehmenden. Janix auf taz.de
Der ESC lebt (nur noch) vom Fähnchenschwenken und dem Länder-Voting. Er lebt von kleinen Skandälchen, politischen Zickereien und von ganz viel bombastischer Glitzer-Show, mit der dort am Reißbrett für den Massengeschmack Zurechtgezimmertes, in aller Regel oberflächliches und belangloses Popgedudel aufgeblasen wird, an das sich schon ein Jahr später kaum noch jemand erinnert. Deep South
Die korrekte Frage im Freundeskreis lautet also: habt ihr euch den Schlagerwettbewerb angesehen, oder interessiert ihr euch nicht für Politik?? Jan Schubert
Ein sehr kluger Kommentar. Offenbar fehlt es aber manchen Aktivisten komplett an Empathie, wenn sie versuchen, diese junge Frau, die Opfer des Terrors wurde, als „Täterin“ mit roter Farbe zu markieren. Dr. McSchreck
Geht es beim ESC eigentlich noch um Musik? Oder doch eher um die sexuellen Neigungen der Teilehmer oder um Politik? Hannes Petersen
@Hannes Petersen: Es geht immer um Politik, Und LGBTIAQ+ Rechte sind Menschenrechte und somit auch Politik. Hannah Remark
@Hannes Petersen Ich glaube, es ging noch nie um Musik. Zum Glück. Jutta57
Zitat: „Es empfiehlt sich, auch die Ängste und Nöte israelischer BürgerInnen ernstzunehmen – nicht ein Land als solches zu dämonisieren.“ Zurzeit ist eine sehr große Sorge und Furcht der Bürger, dass diese Regierung einen Vernichtungskrieg in Gaza fortsetzen wird, der den Mehrheitswillen der Bürger missachtet. Was bleibt da übrig von „der einzigen Demokratie im Nahen Osten“? humusaufbau
Der Songcontest hat sich also auf die Funktion eines politischen Signalgebers herabgelassen. Was für ein enormer Aufwand für ein unter künstlerischem Blickwinkel trauriges Schauspiel.
Andreas Schulz
„Israel beim Eurovision Song Contest: Der Wunsch nach Eskapismus. Die Situation in Gaza ist nicht mehr zu rechtfertigen, sagen sogar Israels Verbündete. Israel sollte von Wettbewerben wie dem ESC ausgeschlossen werden“,
taz.de vom 16. 5. 25
ESC für Verständigung?
Jeder Teilnehmer ist ein potentieller Gewinner. Wenn eine israelische Sängerin zugelassen wird, dann hatte man stillschweigend auch beschlossen, dass der nächste ESC in Tel Aviv stattfinden könnte. Dann mit organisiert von einer rechtsextremen Regierung, die die Veranstaltung zur eigenen Legitimierung und Propaganda nutzt. Oppian auf taz.de
Die traumatisierte Sängerin mit ihrem unpolitischen Text und einer guten Ausführung kann nichts dafür. Die Teilnahme wird für sie zum richtigen Karrierestarter. Aber trotzdem ist mein Eindruck, dass ihr Überlebendenstatus von Netanjahu-Anhängern instrumentalisiert wird, um die legitime Diskussion um einen möglichen Ausschluss des kriegsführenden Israels vom ESC im Keime zu ersticken.
Deutschfranzose
Der ESC stand seit seiner Gründung für Frieden und Verständigung. Die Teilnahme Israels steht dieser Maxime spätestens seit letztem Jahr diametral entgegen. Die Lebensgrundlage der Palästinenser im Gazastreifen wird systematisch vernichtet. bouleazero auf taz.de
„Dass man von dort in diesem Jahr eine Sängerin schickt, die den Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 überlebt hat ...“ Ich betrachte das eher als hoffnungsfrohes Zeichen,als Zeichen dafür,dass auch für jüdische/israelische Menschen, trotz ihnen fast von überall auf der Welt entgegengebrachtem Hass und Feindseligkeit, überleben und ja, ein Stück weit „Normalität“ möglich ist. Ich würde das diesen Menschen nicht nehmen wollen. *Sabine*
Es zeigt sich in der ESC-Debatte wieder mal, dass alles, jede Befindlichkeit wichtiger ist als das Leben der Palästinenser, die von israelischen Politikern als Tiere bezeichnet werden. Schleicher
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