wortwechsel: Rassemblement Irrationnel: Aus für Madame Le Trump?
Welchen Radius hat die französische Fußfessel für Marine Le Pen? Wird die Berufung ein Tribunal für rechtsextremes Polit-Theater oder sind endlich vor dem Gesetz alle gleich?

„Pro & Contra: Verurteilung von Marine Le Pen. Recht so?“,
taz vom 2. 4. 25
Was für eine Frage! Wer gegen Gesetze verstößt, muss bestraft werden, und das Strafmaß liegt beim Gericht. Das ist unabhängig von der Politik! So wollen wir das in einer Demokratie – wie es anders geht, erleben wir ja selbst in der EU andauernd. Also ist das Strafmaß zu akzeptieren! Andreas Braun
Meine Anmerkung: „Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“ (Karl Popper)
Wolfgang Geppert, Ludwigshafen
Der französischen Justiz gebührt Respekt. Wie auch andere Prozesse zeigen, nimmt sie ihre Unabhängigkeit und den Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz sehr ernst. Hinzu kommt, dass das Berufungsgericht mitgeteilt hat, bis Mitte 2026 entscheiden zu wollen, also rechtzeitig, um Frau Le Pen eine Kandidatur zur Staatspräsidentin zu ermöglichen. Das nennt man Rechtsstaat. Was will man mehr? A. Claussen
Die extremen Rechten kopieren Trumps dämlichen Schachzug, jegliche strafrechtliche Würdigung ihres Gebarens als politisch einzuordnen. Sie nehmen quasi gedanklich schon vorweg, dass es keinen für sie relevanten Rechtsstaat gäbe. Im Kern ist das eine Reichsbürgerdenke. Ward Ed auf taz.de
Ein kleiner Postbote bekommt Berufsverbot, nur weil er KPD-Mitglied ist. Null Problemo. Eine Politikerin, die verurteilt wird, weil sie und ihre Getreuen bewiesenermaßen Millionen veruntreut haben, darf ein paar Jahre nicht gewählt werden. Unverhältnismäßig! Das muss diese Zeitenwende sein, von der immer geredet wird. Nansen auf taz.de
Es geht darum, dass immer wieder Europaabgeordnete Gelder aus dem Brüsseler Fundus für private Zwecke abzweigen. Wenn aber jemand wie Madame Le Pen Europa um Millionen zugunsten ihrer demokratie- und absolut europafeindlichen Partei betrügt, ist das kein „Kavaliersdelikt“. Trump hätte sofort nach dem von ihm angezettelten Sturm auf das Capitol eingesperrt werden müssen. Zu spät. Die französische Demokratie hat noch rechtzeitig einen Riegel vorgeschoben.
Heinz Mundschau, Aachen
Wenn es geltendes Recht in Frankreich ist, dass ein wegen Korruption oder Veruntreuung rechtmäßig verurteilter Straftäter während der Dauer der Strafverbüßung kein hohes Staatsamt ausüben darf, dann gibt es keine Relativierungen aus politischen Opportunitätsgründen. Punkt.
Wilhelm Neurohr, Haltern am See
Welch eine Erleichterung! Das Urteil bricht endlich einmal mit der Verharmlosung und Bagatellisierung rechtswidrigen Handels von PolitikerInnen. Besonders bei rechtsextremen und rechtsnationalistischen PolitikerInnen scheint sich die Haltung festzusetzen, dass sie straflos bleiben und Gesetze für sie nicht gelten. Korruption gehört bei denen schon zum guten Ton. Auch die Öffentlichkeit zuckt eher zusammen und befürchtet ein Aufbäumen der Rechten. Die Reaktionen der Rechtsextremen in Europa und den USA offenbaren die Scheinheiligkeit, die Gier, die Verlogenheit, die Gesetzlosigkeit und Willkür und das Korrupte der Rechten. Eine demokratische Öffentlichkeit darf das nicht hinnehmen.
Aber auch in Deutschland: Wie ist es möglich, dass ein Nazi (Sven Krüger) im Gemeinderat (Gägelow) sitzen kann, obwohl er wegen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verurteilt wurde?
Jeannette Kassin, Hamburg
Es ist von den Anklagepunkten her etwas schief: Wenn das, was Le Pen getan hat, zum Entzug der Wählbarkeit führen muss, weil es das Gesetz so will, dann müsste es derartige Urteile hageln. Nicht nur bei den Rechten. Nafets Rehcsif
Einer der wichtigsten Pfeiler des Rechtsstaates ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Einen der aussichtsreichsten Bewerber für das Amt des Präsidenten aus dem Rennen zu nehmen, weil parlamentarische Assistenten es mit der Trennung zwischen Fraktions- und Parteiarbeit nicht so genau genommen haben, überschreitet jedes angemessene Strafmaß. Dies umso mehr angesichts des Umstandes, dass (fast) alle französischen Parteien ganz ähnlich wie Le Pen und Co. zu agieren pflegen.
Norbert Faulhaber
Das Urteil hat doch nur vorläufigen Charakter! Das Berufungsgericht wird im Sommer 2026 entscheiden. Ich denke, der Entzug des passiven Wahlrechts wird dann eliminiert, der Rest bleibt. Und somit wäre es dann ein super Boost für das Le-Pen-Marketing. Maestroblanco auf taz.de
Ganz ehrlich, ich verstehe diese Diskussion nicht. Den Feinden der Demokratie den Weg zu versperren, ist immer richtig. Zahnow Gregor auf taz.de
Madame Le Pen hat selbst klare Strafen für jedwede Verbrechen gefordert. Soll sie nun für ihre Verfehlungen nicht bestraft werden, nur weil sie eine Rechtsextreme ist? Thomas Kreß
Das Argument, dass in Frankreich andere Politiker ja das Gleiche machen, entlastet nicht von der Schuld. Und Le Pen muss noch nicht mal ins Gefängnis: Zwei Jahre Bewährung und Fußfessel, wobei mich schon interessieren würde, wie groß der Radius ist, in dem sie sich bewegen darf. Armin Deußer
Auf eines können sich Rechtsextremisten und Nazis immer verlassen: Auf den Schutz „liberaler“ und konservativer Bedenkenträgerei! Ihr werdet die bürgerlichen Rechte (auf die ahndungslose Begehung von Straftaten!) der Rechtsextremisten so lange verteidigen, bis sie euch aufhängen. Schytomyr Shiba
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