wortwechsel: Muss das Demokratie aushalten?
Die Meinungen zum Verbot des „Compact“-Magazins gehen weit auseinander: Muss die Demokratie Schwachsinn aushalten? Oder sich vor antidemokratischer Hetze schützen?
„Compact wird verboten“, „Gegen ein ganzes Netzwerk“
taz vom 16. 7. 24 und 20. 7. 24
Rote Linien
Um nicht dem Toleranz-Paradoxon zu verfallen, bedarf es in einer freien liberalen Demokratie dringend robuste rote Linien. Dazu gehört ein Verbot einer Publikation, die die Demokratie in ihrer jetzigen Form abschaffen möchte und offene fremdenfeindliche Hetze verbreitet.
Darüber hinaus sind aber weitere Schritte erforderlich. Unsere Verfassung, aber auch Landesverfassungen müssen nachgeschärft werden.
Hatespeech_is_not_an_opinion auf taz.de
Schwachsinn aushalten
Das Verbot wird letztlich in Karlsruhe einkassiert, weil die Pressefreiheit einfach ein hohes Gut ist und die Demokratie auch Schwachsinn aushalten muss. Interessant die Schilderung der Biografie des Herausgebers. Man stelle sich mal vor, der Kommunistische Bund oder die RAF hätten die BRD gekippt und wären an die Macht gekommen.
Ludwig Henning
Tendenz zum Autoritarismus
Man kann Elsässer oder andere Compact-Autoren wegen strafrechtlich relevanter Texte verklagen. Über das Verbot von Schriftwerken sollten bei uns Gerichte entscheiden und nicht per Ukas das Innenministerium. Über Jahrzehnte, beginnend mit Otto Schily, wächst bei mir zudem der Eindruck, dass die SPD im Justiz- und Innenressort Tendenzen zum Autoritarismus hat.
Plonitalmonit auf taz.de
Extremistisches Krebsgeschwür
Ich bin absolut für das Verbot. Wann soll sich die Demokratie schützen? Erst wenn sie filetiert am Boden liegt? Nein. Wir müssen viel früher extremistischen Krebsgeschwüren gegenübertreten. Das ist definitiv eine Lehre aus 1933.
Geewe auf taz.de
Meinungsfreiheit eingeschränkt
Das Magazin hätte ich nicht mal mit der Kneifzange angefasst, aber eine Demokratie muss das aushalten. Niemand ist gezwungen, diesen Käse zu lesen. Das Verbot dürfte keinen Bestand haben. Was aber wirklich Angst macht, ist, dass die Meinungsfreiheit jeden Tag weiter eingeschränkt wird. Viele verlieren ihren Job, weil sie sich zu politischen aktuellen Themen äußern, das Internet wird immer mehr kontrolliert, es geht so weit, dass nun sogar die Fußballspieler nicht mehr „meckern“ dürfen, das ist eine ganz üble Tendenz.
Thomas Heidbrink
Demokratie muss das aushalten
Man muss kein Freund von Elsässer sein, erst recht nicht von seinen rechtsgerichteten Allmachtsfantasien. Aber ich halte das Vorgehen der Behörden und des Bundesinnenministeriums für sehr bedenklich. Freie Meinungsäußerung endet nicht dort, wo es gegen die eigene Werte geht. Sollte Herr Elsässer mit seinen Publikationen nicht schwerwiegend strafrechtliche Handlungen begangen haben, würde das kein gutes Bild auf unsere Verfassungsorgane werfen. Heute das rechte Spektrum, morgen das linke und übermorgen all jene, welche nicht linientreu sind. Die Demokratie ist ein Chor aus unzähligen Stimmen. Manche passen uns, manche gehen uns gegen den Strich. Und trotzdem müssen wir sie aushalten.
Mopsfidel auf taz.de
Selbstvermarktung
Erhobene Faust. Breitbeinig, trotzig finsterer Blick – der Compact-Chef J. Elsässer tritt zur Razzia vor die Presse. Die taz dabei. Dann dort ein protziges Riesenfoto, fast über die ganze Titelseite. Transportiert die taz nicht so die verdreht widerständige Selbstvermarktung? Macht sie da nicht unterschwellig mit, tendenziell etwas angesprochen von dem geilen Auftritt? Jedenfalls, so braucht er’s, so will er’s. Extremistische Persönlichkeit, gestern ganz links, heute ganz rechts. Und besonders sein ARES-T-Shirt! „Ares ist in der griechischen Mythologie der Gott des schrecklichen Krieges, des Blutbades und Massakers“ (Wikipedia), bei den Römern Mars, der Gott des Krieges. Und die taz trägt diese Botschaft in die Welt hinaus. Dabei titelt sie: „Einfach mal die Presse halten“. Ja. Und – dringend – auch ihr. Weiterlesen? Nein. Zu abstoßend. – Ein Beitrag der taz zur allgemein „großen Gereiztheit“, zur „Kommunikationsstruktur am Rande des Ruins“.
Konrad Braun, Freiburg
Die Gedanken sind frei
Was das Magazin Compact kennzeichnet, findet sich ebenso in anderen Medien oder Vereinigungen. Dem mündigen Bürger stellt sich die Frage, ob das Verbot einem sachlogischen Begründungszusammenhang standzuhalten vermag – das im aktuellen Verbotswahn konsultierte Vereinsrecht scheint ja nach Auffassung zahlreicher Fachexperten für die Maßnahme unzureichend.
Agitieren gegen die parlamentarische Demokratie und Schüren von Hass gegen Minderheiten – das kennzeichnet zum Beispiel auch Agitationsbühnen wie „Muslim interaktiv“, welches unverhohlen das Kalifat und die Scharia fordert, und dies im öffentlich-rechtlichen Rundfunk von obskuren Rundfunkrätinnen vergöttert werden darf.
Das Letzte jedoch, was geschehen sollte – solche Aktivitäten und Organisationen zu verbieten. Schließlich ergibt sich aus dieser Pressevielfalt ein allumfassendes Bild von der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland.
Frei nach Gerhard Seyfried: „Die Gedanken sind frei“ – da helfen schon gar keine Verbote.
Werner Rosenbecker, Hiddenhausen
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