wortwechsel: Krieg in Europa? Alle Diplomatie gescheitert?
Putin schafft militärische Fakten. Die Sanktionsspirale wird angekurbelt. Kriegslogik über-nimmt jetzt die Diplomatie? Mit welchen Folgen? Territorien zählen – und die Menschen?
Diplomatie ausgehebelt
Die diplomatischen Bemühungen Europas und der USA im Ukraine-Konflikt sind gescheitert, weil man den politischen Machtpoker des russischen Präsidenten Putin von vornherein falsch eingeschätzt hat und Putin nicht gleich von Anfang mit einer einschneidenden Sanktionsliste in seine Schranken verwiesen hat. Die nunmehr vorgenommene Anerkennung von Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten durch Russland und die gleichzeitige Entsendung von sogenannten russischen Friedenstruppen in die Ostukraine kommen einer Kriegserklärung gleich. Das ukrainische Volk hat es verdient, dass man seinen demokratischen Weg und seine Souveränität mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt und verteidigt. Thomas Henschke, Berlin
Verrückte Kriegslogik
„Osteuropa-Historiker über Putin: ‚Keine Politik ohne Raum‘“, taz vom 20. 2. 22
Das Interview mit Karl Schlögel am 19./20. Februar zum Thema „Russland und Ukraine“ verdeutlicht einmal mehr, dass es gilt, Abschied von der Vorstellung des „Väterchen Russland“ zu nehmen: „Eigentlich“ ist Putin lieb, wenn nur die USA nicht so böse wären.
Ebenso erhellend ist der Kommentar von Tobias Schulze vom 21. Februar: Ja, es stimmt, die Feindbilder der Friedensbewegung sind veraltet. Es ist doch immer wieder angenehm, durch die Lektüre der taz noch klüger zu werden!
Gisela Wülffing, Seinebach an der Wied
Post- oder prämodern?
Was Herr Schlögel erwartet: „Die Dinge beim Namen nennen. Schluss machen mit der postmodernen Rede, dass es eigentlich keine Wahrheit, sondern nur unterschiedliche Sichtweisen gäbe. Sich eingestehen, dass es Situationen gibt, in denen Politik und Diplomatie auch erst einmal am Ende sind.“ Danke, Herr Schlögel!
Barbara Falk auf taz.de
@Barbara Falk Sehen Sie, ausgerechnet diese Interviewpassage hat mir weniger gut gefallen. Wenn wir die „postmoderne Rede“ überwinden sollen … na, was blüht uns denn dann? Eine „prämoderne Rede“ etwa, mit Rückfall in den Nationalismus und unabwendbarer Kriegslogik, wie 1914? AbdurchdieMitte auf taz.de
Territorien! Menschen?
Russland hat nun die beiden selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk als Staaten anerkannt – und ermöglicht so den Einmarsch russischen Militärs in die Ukraine, ohne (in seiner Logik!) ukrainisches Territorium zu verletzen. Warum hatten der Westen und die Medien dieses Szenario nicht deutlicher auf dem Schirm, öffentlich benannt? Damit hätte man frühzeitig die scheinheilige Versicherung Putins entlarven können, die Ukraine nicht anzugreifen. Damit hätte die eindringliche Warnung der USA vor dem bevorstehenden Einmarsch des russischen Militärs in die Ukraine inhaltliche Substanz bekommen.
Siegfried Bogdanski, Wetzlar
Im Land bleiben?
Sollte Russland in die Ukraine einmarschieren, entweder ganz oder nur in Teilen – das Szenario in den Gebieten von Donezk und Luhansk bereitet es doch sehr eindrücklich vor –, ist das Versagen der Diplomatie und des Westens komplett! Die Chancen der Ukraine, verlorene Gebiete zurückzuerhalten, sind minimal bis gering, wie die Annexion der Krim hinlänglich beweist. Damit hat Putin schon mal ein Ziel erreicht und in ein paar Jahren sind mögliche Sanktionen auch kein Thema mehr, wetten?
Schlimmer aber ist, dass der Westen die Ukraine faktisch alleine lässt, indem Botschaften abgezogen werden und alle Ausländer das Land verlassen sollen – was auch bedeutet, es gibt keine AugenzeugInnen mehr oder einen gewissen „Schutzwall“ vor Angriffen mit dem Risiko möglicher westlicher Opfer. Schon jetzt ist es doch schon so, dass die OSZE angeblich nicht in der Lage ist, zu verifizieren, wer wen angreift, eigentlich ein Unding in unserer heutigen Zeit!
Aber es müsste andersrum sein, denn je mehr Menschen sich in der Ukraine aufhalten, desto riskanter werden Angriffe – und ob Putin viele westliche Opfer riskiert? Jörg Wilhelm, Wiesbaden
„Die veralteten Feindbilder der Friedensbewegung. Kommentar über die Proteste zur Münchner Sicherheitskonferenz“,
taz vom 21. 2. 22
Frieden – undenkbar?!
Erwartet die taz, dass die Friedensbewegung einen Frieden über Russland mit militärischer Gewalt einfordern soll? Dieser Artikel katapultiert uns zurück ins 19. Jahrhundert mit dem Unterschied, dass wir heute Atomwaffen zur Verfügung haben. Jim Biehm auf taz.de
@Jim Biehm Genau. Wir brauchen die Friedensbewegung – damit sie die Mobilmachung der Nato unterstützt. Eine wirkliche Friedensbewegung, die ihren Namen verdient, fordert Waffen für die Ukraine, mehr Nato-Truppen für Osteuropa und Raketensysteme an der Grenze zu Russland. Old Frank auf taz.de
Veraltete Feindbilder? Ist das so zu verstehen, dass sich die Friedensbewegung „Neue Feindbilder“ suchen muss?
Rolf Vogelbacher, Waghäusel
Ich finde den Standpunkt der Demo-Veranstalter eigentlich recht plausibel: „Unsere Aufgabe ist ebenso unverändert, aber umso dringender: Die Kriegstreiberei der Nato zu entzaubern und uns weder auf die eine noch auf die andere Seite imperialistischer Machtkämpfe zu schlagen.“ In der taz daraufhin empört fordern, dass sich die Pazifisten klar gegen eine Konfliktpartei wenden und damit zumindest mittelbar die andere unterstützen: Kann man natürlich machen. Ist halt nur ziemlich traurig. Igby Ybgi auf taz.de
@Igby Ybgi Dass „die Kriegstreiber der Nato“ allesamt militärische Optionen kategorisch ausgeschlossen haben, scheint bei den Demo-Veranstaltenden irgendwie nicht angekommen zu sein. Passt nicht ins Weltbild. Ingo Bernable auf taz.de
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