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wortwechselAtomkraft bringt uns um. Dafür rettet sie das Klima?

Eine breit angelegte taz-Debatte zur Zukunft der Energiepolitik in der Klimakatastrophe stößt auf sehr viel Widerspruch, zum Teil aber auch auf offene Ohren für offene Debatten

„Debatte über die Energiepolitik: Mut zum Befreiungsschlag. Kernkraftwerke sind Marathonläufer, erneuerbare Energien Sprinter. Eine kluge Klimastrategie setzt auf beide. Der Anti-AKW-Katechismus hat ausgedient“, taz vom 25. 1. 22

„Tabuthema Atomkraft. Die Klimakrise ist eine Überlebensfrage für die Menschheit. Dennoch werden in Deutschland AKWs statt Kohlekraftwerke abgeschaltet. Wir müssen reden“, taz vom 13. 1. 22

Die Kosten und Gefahren

In meinem ersten Leserbrief nach all den Jahren als Abonnent widerspreche ich vehement den Behauptungen von Anna Veronika Wendland. Sie möchte die Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängert wissen und redet Kosten, Gefahren und CO2 -Ausstoß dieser klein. Dabei müsste sie nur das machen, was sie den Gegnern abspricht, nämlich auf die Wissenschaft hören. Das Magazin Schrot und Korn brachte in der Dezembernummer 2021 ein Interview mit Dr. Claudia Kempfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Ihr Schlusssatz am Ende des Gesprächs lautete: „Eine Vollversorgung aus erneuerbaren Energien in Deutschland ist möglich, technisch machbar und auch effizient.“

Walter Tinnacher, Waren (Müritz)

Veronika Wendland ist eine Wissenschaftlerin ohne kritische Distanz, sie hat die Argumente und Werbesprüche, die die Atommanager früher auftischten, verinnerlicht und gibt sie routiniert wieder. „Die deutsche Kerntechnik war nie gefährlich“ und beruhe auf einem „robusten Sicherheitskonzept“. Sie ignoriert die allgemein akzeptierte Sicherheitsdefinition (Größe das Schadens mal Eintrittswahrscheinlichkeit) und schließt aus dem Ausbleiben eines GAU auf absolute Sicherheit. Die gibt es auch für deutsche AKW nicht.

Frau Wendland weiß vermutlich auch, dass das Plutonium als Alphastrahler Hunderttausende von Jahren gefährlich ist und schon extrem geringe Mengen davon tödlich sind. Aber sie greift beim Thema Atommüll lieber die Gammastrahlung heraus, die nach „schon“ 500 Jahren weitgehend abgeklungen ist.

Eduard Belotti, Augsburg

Der ewig tödliche Müll

So, nun veröffentlicht die taz also auch mit reißerischer Schlagzeile Meinungen und Themen, nur weil sie denkt, dass interessiert die taz LeserInnen … das Thema Atomkraft ist bestimmt ein Schlüsselwort, aber warum bekommt jetzt jeder Platz, auch noch so abwegig für Atomkraft zu schreiben? Frau Wendland, wie passend der Name, hat geforscht und habilitiert, aber leider nix Neues und vor allem keine Auseinandersetzung mit der ungelösten Entsorgung. Vielleicht wäre es spannend, mal zu schauen, wer die Marburger Uni so nebenbei finanziert – für welche Forschungen? Timm Lehmann, Berlin

Die Erläuterungen von Frau Dr. Wendland sind nicht fair. Sie nimmt keine Stellung zum Verklappen radioaktiver Abfälle ins Meerwasser. Regenerative Energien benötigen keine Notfall- und -kühltürme, keine Bergwerke, keine meterdicken Betonstahl- und Bleiglaswände, kein Sicherheitspersonal. Und sie bleiben bedenkenlos bei einem Volltreffer eines Großraumflugzeuges. Jochim Geier, Hamburg

Die Technikgläubigkeit

Die Leier von der „Renaissance“ der Atomenergie hat die Geschichte dieser Technik und ihre Tücken nicht im Blick: Es handelte sich ja bei den Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima um Unfälle, die man vorher für unmöglich gehalten hatte. Ein Desaster wegen der vielen seit Jahrzehnten ungelösten Probleme. Warum eigentlich glaubt Frau Wendland, dass sie bis 2050 gelöst sind? Diesen Technik-Gläubigen fehlt die soziale Fantasie. Wolfgang Neef, Berlin

Wer behauptet, dass die Erde uns Uran „schenkt“, unterschlägt in unglaublich fahrlässiger Weise die Umwelt- und Gesundheitsschäden, die die Förderung von Uran mit sich bringt.

Frank Stenner, Cuxhaven

Hat bei der taz eine neue Zeitrechnung begonnen? Als Insider in der kerntechnischen Branche muss ich Ihnen jedoch sagen, diese Diskussion kommt mindestens fünf Jahre zu spät. In unserer Branche hat man spätestens seit dem ersten Ausstiegsbeschluss unter Kanzler Gerhard Schröder vom Fadenriss gesprochen. Mit der konsequenten Umsetzung des Ausstiegsfahrplans der Kanzlerschaft Merkel ist dieser Faden jetzt tatsächlich gerissen. Die Politik hat de facto die Unumkehrbarkeit erreicht, die sie haben wollte. Natürlich ist am Ende nichts unumkehrbar, und jeder gerissene Faden kann durch einen neuen ersetzt werden oder auch wieder zusammengeknotet werden. Hagen Höfer

Neue Atomkraftwerke kämen viel zu spät, um die Klimakatastophe noch zu bremsen. Das Kind wäre, wenn wir darauf hoffen, in den Brunnen gefallen, und schon unsere Kinder müssten in einer Welt voller Kriege und Völkerwanderungen leben, die durch die Klimakatastrophe ganz sicher hervorgerufen werden. Wir bürden den nächsten 30.000 Generationen unseren tödlichen Müll auf. Stefan Bluemer, Essen

Auf diese klarsichtige Analyse von Veronika Wendland habe ich lange gewartet. Dass die taz sich traut, dieses heiße Eisen anzufassen, ist für mich Beweis ihrer Glaubwürdigkeit. Wenn es um die Lösung eines komplexen Problems geht, sollte die Gesinnung zugunsten valider Argumente in die zweite Reihe treten.

Marco Wehr, Tübingen

So einen Unsinn muss ich als jahrzehntelanger Atomkraftgegner nicht auch noch mitfinanzieren. Wir sind nicht mehr dabei, unser Abo ist nach rund 25 Jahren jetzt gekündigt. MKBOE16 auf taz.de

@MKBOE16 Es geht doch nur darum, dass angesichts der Klimakatastrophe nicht unbedingt die Kernkraftwerke vor den Kohlemeilern abgeschaltet werden sollten. Auch wenn Sie für die Taz bezahlen – muss dann immer nur Ihr Standpunkt darin vertreten werden? Saile auf taz.de

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