wortwechsel: Corona und Staatsform, Bildnisse, Establishment
Kommen nichtdemokratische Staatsformen mit dem Virus besser zurecht? Leser:innen empfinden neue Coronaregeln als Kollektivstrafe. Erdoğan-Karikatur, Merz ist last season
Mittelbeschaffung
„Und das Wachstum?“,
taz vom 17. 10. 20
Danke der Autorin für einen wichtigen und sehr informativen Kommentar zu den Wunschträumen eines grünen Wachstums und einer nicht klar positionierten, unvollständigen Studie des Wuppertal Instituts! Dieser Studie fehlt nach Ansicht der Autorin eine makroökonomische Analyse, die auch die Arbeit von Fridays for Future klären und unterstützen könnte.
Es ist unumgänglich, sich schnell mit einem veränderten Wirtschaftsmodell auseinanderzusetzen und ein wirtschaftliches Konzept zu entwickeln, wenn wir wirksame, gesamtgesellschaftliche Maßnahmen für den Klimaschutz umsetzen wollen. Wenn nun aber die GLS-Bank keine weiteren 30.000 Euro mehr spendet, um diese Erweiterungsstudie durchzuführen zu lassen, und bisher keine solche Studie vorliegt, ja, die makroökonomische Lücke sich übergreifend in diversen Studien zeigt, bitte ich hier die Autorin und die Taz um eine Crowdfunding-Aktion! Ich wäre sofort dabei! Karoline Morales, Ottobrunn
Staatsformen
„Chinas Wirtschaft ist wieder voll auf Spur“, taz vom 20. 10. 20
Die Schwäche „unserer“ Demokratie im globalen Wettbewerb wird gerade durch Corona noch deutlicher: In China wurde durch einschneidende Maßnahmen der Pandemie-Schock relativ kurzfristig überwunden (wenn man der Berichterstattung trauen kann) und damit die Produktion rasch wieder in Gang gebracht, im Gegensatz zu allen anderen Wettbewerbern auf dem Weltmarkt.
Schon vorher hatten die Despoten globalisiert auftretenden Unternehmen die Verlagerung der Produktion zu Lasten der konkurrierenden Arbeitsmärkte erleichtert, ohne schwerwiegende Umweltauflagen bei deutlich günstigeren Arbeitskosten. Dazu kommt noch, dass es Investoren leichter fällt, neueste Technologien einzuführen, wobei die demgegenüber unwirtschaftlichen Produktionsmittel als Brache zurückgelassen werden. Es ist absehbar, dass – kontrolliert von einem diktatorischen System – die profitgetriebene Wirtschaft aus den demokratisch kontrollierten Märkten abwandert und damit auch Maßnahmen zum Klimaschutz unterläuft.
Dietmar Rauter, Kronshagen
Bannung im Wort
taz-Briefeseite vom 24. 10. 20
Im Augenblick ist der Islam, was die größte Anzahl mörderisch verblendeter Anhänger betrifft, unter den Religionen vermutlich in der Tat an der Spitze. Mit der jeweiligen heiligen Schrift hat das aber wohl kaum zu tun. Die Leserbriefschreiberin verweist auf Sure 8 und 9, um dem Islam schon historisch Hang zum Mörderischen nachzuweisen. Sicher, da steht – geschrieben mitten im Krieg – schlagt die Ungläubigen tot. Aber im Koran steht, später im Frieden geschrieben, auch viel anderes.
Was aber steht denn so in der heiligen Schrift der Christen und Juden? Da ordnet Gott, wieder und wieder, den organisierten Völkermord an völlig Unschuldigen an. Empfohlen sei insbesondere die Lektüre von 4. Mose 31 und 32, 5. Mose 19, Josua 6–11. Besonders schön; 5. Mose 20,16: Aber in den Städten dieser Völker hier, die dir der HERR, dein Gott, zum Erbe geben wird, sollst du nichts leben lassen, was Odem hat […].
Und das wird dann auch konkret durchgesetzt, 4. Mose 31,14 ff: Und Mose wurde zornig über die Hauptleute des Heeres […], und sprach zu ihnen: Warum habt ihr alle Frauen leben lassen? […] So tötet nun alles, was männlich ist unter den Kindern, und alle Frauen, die nicht mehr Jungfrauen sind; aber alle Mädchen, die unberührt sind, die lasst für euch leben. – Im Vergleich dazu finde ich die Suren des Korans eher harmlos. – Wie gesagt: An den Büchern liegt es also wohl nicht.
Silke Karcher, Berlin
Kollektivstrafe
„Ab Montag gelten schärfere Regeln“,
taz vom 28. 10. 20
Nachdem die Coronazahlen weiterhin exponentiell steigen, hat die Bundesregierung weitere einschneidende Maßnahmen beschlossen. Das ist zwar richtig, doch die Kontaktbeschränkungen kommen zu spät und werden kaum zu dem schnell erwünschten Erfolg führen! Zu lange hat man gezögert und hat vor allen Dingen in Berlin seit den letzten Sommermonaten zu wenig kontrolliert und hart durchgegriffen, wenn private Partys und große Familienfeste gefeiert wurden.
Es wird noch eine harte Zeit kommen, wenn Restaurants, Hotels, Theater, Kinos und Konzertsäle geschlossen werden und perspektivlos in die Zukunft schauen. Die große Pleitewelle ist vorprogrammiert, weil einige Menschen in unserer Gesellschaft in der Vergangenheit weder Vernunft noch Verstand haben walten lassen und lieber ihren Egoismus zur Schau getragen haben!
Und nun müssen wir alle darunter leiden. Thomas Henschke, Berlin
So letztes Jahrhundert
„Frontalangriff aufs Adenauer-Haus“,
taz vom 27. 10. 20
Friedrich Merz’ ziemlich klare „Ungehaltenheit“ über die Verschiebung des CDU-Parteitages offenbart emotionale wie intellektuelle Taktlosigkeit. Genau das dürfte auch einer der Gründe sein, warum der Sauerländer bei dem sogenannten Establishment nicht erste Wahl für den CDU-Vorsitz und die Kanzlerkandidatur der Union ist – und hiernach ebenso wenig werden wird.
Die Union will vor allem politische Macht; und ohne machtvolle linksliberale Kompatibilität kann daraus nichts werden. Denn Friedrich Merz wird insbesondere beim mutmaßlich künftigen Koalitionspartner mitunter als wenig demokratischer und kaum progressiver Politikrentner aus den Untiefen des 20. Jahrhunderts eingeschätzt. Es fehlt die Überzeugung, dass Friedrich Merz die höchst notwendige, zukunftsgerechte ökonomisch-ökologische Wende unter sozial ausgewogenen Bedingungen gestalten kann. Ira Bartsch, Lichtenau-Herbram
Besitzstreit
„Frontalangriff aufs Adenauer-Haus“,
taz vom 27. 10. 20
Ich protestiere vehement gegen die überfallartige Aneignung des Begriffs Establishment durch gewisse reaktionäre Kreise. Der Begriff Establishment ist unzweideutiges Eigentum der Alt-68er-Bewegung, mit dem sie Schwarze-Null-Meyer zu bezeichnen pflegte, die, das stimmt schon, manchmal auch aus dem Sauerland kommen.
Außerdem soll der – von Merkel geschasste – Gegen-AKK-Verlierer mal sein vorlautes Mundwerk halten. Wenn der sich über das Establishment auslässt, steht er doch vorm Spiegel und meckert sich selber an.
Klaus-Joachim Heuser, Gütersloh
Kein Bildnis machen
„Lüstling Erdoğan auf dem Cover“,
taz vom 28. 10. 20
Ein Mensch mit Größe kann auch über sich selber lachen und würde eine Karikatur über sich gar amüsant finden. Ein Mann mit fehlender geistiger Größe, der sich über eine Karikatur über sich ärgert und gar aggressiv Vergeltung fordert, zeigt vor allem seinen Kleingeist. Der türkische Ministerpräsident Erdoğan zeigt mit seinem Verhalten, dass er in seinem stramm-islamischen reaktionären Kurs und seinem Verhalten eines Staatspräsidenten unwürdig ist. Begriffe wie Despot, Diktator, religiöser Eiferer oder Fanatiker passen perfekt zu seinem autoritären Gehabe und religiösem Übereifer, der Intoleranz gegenüber dem Andersdenkenden zur Normalität in der Türkei und leider durch gleichgesinnte Türken und Araber hier in Europa werden lässt – leider.
Das dürfen wir nicht hinnehmen und akzeptieren. Wir müssen als säkulare aufgeklärte Gesellschaft aber enorm aufpassen, dass der politische Islam hier in Europa keine Wurzeln schlägt, denn damit geht auch unsere religiöse Toleranz zwangsläufig verloren.
Sven Jösting, Hamburg
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