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wortwechselAbheben oder am Boden bleiben?

Es gibt ein Recht auf Heimatbesuch, notfalls mit dem Billigflieger, schrieb taz-Autor Klaus Hillenbrand. Das sehen taz-Leser erwartungsgemäß anders

Einfach fliegen – egal, was es uns kostetF oto: F.Hörmann/imago

Billigflieger sind ein Segen“, taz vom 21./22. 12. 19

Notwendige Kampagne

Eine „Kampagne gegen Flugreisen im Allgemeinen und Billigflüge im Besonderen“ ist nach wie vor sinnvoll und notwendig. Auch die Tatsache, dass durch manche Billigfluglinien das „Glück“ mancher Menschen (sicher nicht nur in Litauen) befördert oder sichergestellt wird, ändert daran nichts. Jede Tonne CO2, die in die Atmosphäre geblasen wird, ist eine zu viel.

Denen, die die Eindämmung des Klimawandels für das wichtigste Anliegen der Menschheit überhaupt halten und die deswegen für eine drastische Reduzierung von Klimagasen eintreten, kann man doch nicht „Ignoranz“ vorwerfen, weil manche Flugverbindungen für manche Leute auch positive Auswirkungen haben!

Winfried Schumacher, Köln

Journalistische Weihen

Mit derselben Logik, mit der Sie Billigflieger als Segen preisen, ließe sich die Produktion von Billigfleisch gutheißen oder von Billigklamotten legitimieren, im Wissen um all die hinlänglich bekannten unsäglichen Begleiterscheinungen. Verständnis dafür zu äußern, dass Menschen diese Möglichkeiten aus nachvollziehbaren Gründen nutzen, ist das eine. Dies aber sozusagen mit journalistischen Weihen als soziale Errungenschaft, gar als Segen zu feiern, ist das andere, das Fatale. Es heißt, die Logik einer Wirtschaftsweise zu zementieren, die bekanntlich unser aller (wohlgemerkt: unser aller) Existenzgrundlagen aushöhlt.

By the way, jenseits aller Ökologie: Wo bleibt Ihr soziales Herz zum Beispiel für die Flugbegleiter, deren miserabelste Arbeitsbedingungen auch eine Säule der Billigfliegerei sind? Einzig: Es zeichnet die taz aus, auch (solchen) nonkonformen Positionen Raum zu geben.

Anselm Brakhage, Karlsruhe

Erzwungene Mobilität

Sie fragen nicht einmal, warum „viele Menschen gen Westen gezogen“ sind, „weil es dort Arbeit gab“, und dadurch die Familien auseinandergerissen wurden. Seit 1990 hat der Kapitalismus Einzug nicht nur in Litauen gehalten – die kapitalgesteuerte Globalisierung sorgt dafür, dass man in vielen Ländern nicht mehr von seiner Arbeit leben kann und deshalb zum „Wanderarbeiter“ wird, der dann hin und wieder nach Hause möchte.

Die Bahnverbindungen (die es ja früher gab) hat man aus Gründen der Profitmaximierung abgebaut – es bleibt diesen Menschen nur noch der Billigflieger. So erzeugt dieses Wirtschaftssystem erst die Probleme für Millionen von Menschen, die dann durch ebendieses Wirtschaftssystem „gelöst“ werden, indem Rendite­geier wie Ryanair für die Familienzusammenführung „sorgen“: Mobilität wird erzwungen – und dann mit der Massenfliegerei zu einer der schlimmsten Quellen des Klimawandels. Das ist das kapitalistische Grundprinzip: Bedürfnisse schaffen und dann um den Preis der Verwüstung der Lebensgrundlagen auf dem Planeten „befriedigen“, damit die Rendite stimmt.

„Ignoranz“ allerdings muss man Ihnen vorwerfen: Leider verhandelt „das Klima“ nicht, es ändert sich nach physikalischen Gesetzen, Ursache sind die menschengemachten Emissionen. Die soziale Gestaltung unserer Gesellschaften muss sich deshalb in dem Rahmen bewegen, den uns die Erde mit den endlichen Ressourcen und der Reproduktionsfähigkeit der natürlichen Lebensgrundlagen zur Verfügung stellt – und der erlaubt schon seit 30 Jahren keine Steigerung mehr.

Das Problem muss also als soziales Problem mit sozialen Mitteln gelöst werden anstatt durch weitere Zerstörung des Klimas: durch massive Eingriffe der Politik zugunsten der Wanderarbeiter, etwa durch Umverteilung, die ihnen ein Leben mit der Familie ermöglicht und auskömmliches Arbeiten und Wohnen vor Ort. Das sind die „Alternativen“, denn dazu sind nur politische Entscheidungen nötig und Geld, das sich leicht beschaffen lässt.

Wolfgang Neef, Berlin

Es geht um Gerechtigkeit

Wohlmeinend lese ich aus Ihrem Beitrag heraus, dass Sie zu kurz gedachte Maßnahmen gegen den Klimawandel kritisieren. Aber dafür hätten sie nicht so viel schreiben müssen. Das ist ja bekannt. Niemand, die/der sich ernsthaft mit dem Klimawandel und möglichen Gegenmaßnahmen auseinandersetzt, wird alleine Billigflüge anprangern. Lebens-, Arbeits- und Konsummodelle gehören ebenfalls auf den Prüfstand.

Dass Kohlekumpel, die DieselspezialistInnen bei Bosch und die modernen WanderarbeiterInnen mitgedacht werden, entspricht dem Gerechtigkeitsanspruch. Apropos Gerechtigkeit: Den WanderarbeiterInnen die Billigflüge, Herr Hillenbrand – und was den Menschen, denen gerade ihr Land durch den steigenden Meeresspiegel genommen wird?

Ich weiß nicht, was Sie mit „Klassenfrage“ meinen. Mir geht es um Gerechtigkeit. Michael Droß, München

Schon Shantideva sagte

„verboten“, taz vom 24. 12. 19

Ihr habt es auf den Punkt gebracht, denn schon der buddhistische Meister Shantideva aus dem 8. Jahrhundert sagte: „Man weiß nicht, was zuerst kommt, der nächste Morgen oder der eigene Tod.“ Diese wichtige Einsicht gilt auch für die jungen Klimaaktivisten von Fridays for Future, aber erst recht für deren Großeltern, denn das Leben ist nun mal endlich.

„Warum reden uns die Großeltern eigentlich immer noch jedes Jahr rein? Die sind doch eh bald nicht mehr dabei“, hatte FFF getwittert. All diese Heuchelei, die man jetzt Twitter und der Presse entnehmen kann, dass diese Aussage respektlos gegenüber denen sei, die Deutschland wieder aufgebaut haben (übrigens nachdem die meisten Urgroßeltern mit ihrem nationalsozialistischen Wahn dafür verantwortlich waren, dass es in Trümmer gelegt wurde), denen wir unseren Wohlstand zu verdanken haben und so weiter, ist unerträglich. Das Denken an die eigene Vergänglichkeit steht jedem prinzipiell gut zu Gesicht, denen, die sich jetzt über diesen Großelternspruch aufregen, jedoch ganz besonders. Karsten Neumann, Nürnberg

Vorbild Japan

„Macht die Bahn frei!“, taz vom 23. 12. 19

Ihr Bericht über die deutschen „Behinderungsmaßnahmen“ bei der Bahn hat mich erstaunt, weil ich schon in den neunziger Jahren in Japan gesehen habe, wie man’s besser machen kann. Alle Züge an allen Bahnhöfen, die ich gesehen habe, hatten keinen Zentimeter Kante zwischen Zugboden und Bahnhofsboden! Auch nicht beim Shinkansen, dem ICE Japans. Offenbar ist es nicht unmöglich, so zu planen! Klaus Hohle, Berlin

Logische Klemme

„Falscher Grund, richtige Maßnahme“,

taz vom 13. 12. 19

Ich traute meinen Augen nicht, als ich den Kommentar las. Herr Kreutzfeldt lobt Trump für „nicht intendierte Folgen“ seiner America-first-Politik: Zwar wolle er eigentlich nur sein Frackinggas in deutsche Gasleitungen bringen, aber bei Erfolg würde damit ein geopolitisches Ziel, das Herr Kreutzfeldt einfach mal so voraussetzt, nämlich die Stärkung der Ukraine, erreicht. Warum? Die Ukraine belegt einen der vordersten Plätze in der Rangordnung der Länder mit korrupter Verwaltung und Justiz. Entsprechend werden wohl auch die Einnahmen aus den Durchleitungsgebühren verteilt.

Zweitens sei die Ostseepipeline kein Mittel zur klimafreundlicheren Energieversorgung, denn Gas, das durch Fracking gewonnen werde, sei ebenso klimaschädlich wie Öl oder Kohle. Moment mal – welches Gas ist durch Fracking gewonnen? Das amerikanische! Russisches Gas wäre also zumindest klimafreundlicher als das amerikanische. Aus der logischen Klemme rettet sich Herr Kreutzfeldt, indem er das Maximalprogramm, Abkehr von fossilen Rohstoffen, überhaupt hervorholt. Sieht er irgendwo Anzeichen, dass die Politik diesen „ernst gemeinten Ausstieg“ in Angriff nimmt? Susanne Roether, Frankfurt am Main

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