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wortwechselDie „Klimaflüsterer“ der Atomenergiekonzerne

Die taz Panter Stiftung veranstaltete einen Workshop zum Thema Klima. Ein Beitrag in unserer Beilage führte zu erheblicher Missstimmung unter den Leser:innen

Immenses Risiko

„Atomenergie als kleineres Übel“, panterworkshop, taz vom 2. 12. 19

Mit Interesse, Erstaunen, ja und auch mit Verwunderung habe ich Ihren Kommentar gelesen. Denke ich doch, dass die von Ihnen dargelegte Alternative Atomstrom statt Kohlestrom falsch ist. Sie mahnen einen Realitätscheck an und suggerieren, dass zum Erreichen der Klimaziele beim Ausstieg aus der Kohleverstromung die Atomenergie zwingend vonnöten sei. „Denn der Erhalt von Kohle ist viel verheerender für die Umwelt als Atomenergie“, schreiben Sie.

Das ist grundfalsch!!

Vielmehr ist das Risiko eines atomaren Unfalls immens. Die Höhe des Risikos setzt sich aus den Komponenten Schadens­ausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit zusammen. Mag auch die Eintrittswahrscheinlichkeit gering sein (?), so sind die kurz- und langfristigen Folgen eines Atomunfalls verheerend – siehe Tschernobyl, Fukushima und unzählige wissenschaftliche Studien dazu.

Die Uranförderung ist keineswegs umweltverträglich. Die „Renaturierung“ der ehemaligen Wismutregion in Ostthüringen, im Erzgebirge und im Elbsandsteingebirge hat bisher mindestens 6 Milliarden Euro gekostet und ist trotz bemerkenswerter Ergebnisse noch längst nicht abgeschlossen. 15.000 Bergleute sind während der Förderperiode an Staublunge verstorben, 8.000 Krebstote (Schneeberger Lungenkrebs) sind zu beklagen, jährlich werden heute 200 Neuerkrankungen gezählt. Ich bin mir sicher, dass in den heutigen Förderregionen Russland, ­Kasachstan, Usbekistan, Niger und ­Namibia, aber auch in Kanada, Australien und den USA eine ähnliche Bilanz vorherrscht.

Das sind nur einige Aspekte, die die Mär von der umweltakzeptablen Strom­erzeugung mittels Atomenergie widerlegen. Die Wahl zwischen Kohleverstromung oder Nutzung der Kernenergie ist also eine Wahl zwischen Skylla und Charybdis. Wir sollten uns vielmehr sehr darauf konzentrieren, erneuerbare Energien aus Sonne, Wind und Wasserkraft in hinreichender Menge zu produzieren und unkompliziert nutzbar zu machen.

Eberhard Seidel, Berlin

Klimademo für AKW

„Atomenergie als kleineres Übel“, panterworkshop, taz vom 2. 12. 19

Wie so oft wurde auch in diesem Artikel versucht zu polarisieren: entweder Kohle oder Atom, andere Möglichkeiten haben wir nicht, und wer das Klima retten will und gegen Kohle ist, muss, diesem logischen Zwang folgend, für Atomkraft sein. So soll dann bitte auch die Kli­ma­bewegung, allen voran die Fridays-for-Future-Gruppen, sich für den Erhalt der Atomkraft starkmachen. So werden beispielsweise dieser Tage ganz gezielt Klimagruppen dazu aufgerufen, sich an einer „Klima-Demo“ am AKW Philippsburg zu beteiligen.

Untermauert wird diese neue Argumentation durch eine ganze Reihe halbseidener, verstaubter Argumente, die Ängste schüren sollen, etwa dass die Erneuerbaren nur dann funktionierten, wenn das Wetter es zuließe, wir bei Flaute in einen Versorgungsengpass gerieten und dann den Strom importieren müssten, sogar aus Ländern, wo keine solch hohen Sicherheitsstandards herrschten wie hierzulande.

Bei genauerem Hinsehen wird dann aber schnell offenkundig, woher in derlei Artikeln der Wind weht: Meist sind es Vertreter der Atomlobby, die beim Verfassen dieser Artikel hilfreich zur Seite stehen. Die „Klimaflüsterer“ im eingangs erwähnten Artikel, der einem Workshop von 21 Nach­wuchs­jour­na­lis­t*in­nen und Ak­ti­vis­t*in­nen von Fridays for Future entsprungen ist, waren diesmal Mit­ar­bei­te­r*in­nen des Energiekonzerns EnBW, eines der größten Nutznießer der Atomwirtschaft.

Und die große überregionale Tageszeitung, in der dieser Artikel zu lesen war, warst leider Du, liebe taz.

Alexander Vent, Lingen

Märchen der Atomlobby

„Atomenergie als kleineres Übel“, panterworkshop, taz vom 2. 12. 19

Mir wurde richtig übel, als ich lesen musste, was ich mit meinen Spenden für die taz Panter Stiftung mitfinanziert habe: einen Klima-„Workshop“, zu dem ausgerechnet Lobbyisten von EnBW eingeladen werden, wo sie Gelegenheit erhalten, die sattsam bekannten Märchen der Atomlobby zu verbreiten. Das stößt mir fast noch übler auf als die Tatsache, dass die 50 Kilometer von meinem Wohnort entfernten vier französischen „Panne“-Meiler in Cattenom noch mindestens 40, wenn nicht 60 Jahre weiterlaufen sollen und dass das geplante Endlager in Bure (Lothringen) auch keine 200 Kilometer entfernt sein wird.

Meine nächste Spende geht daher an „ausgestrahlt“, wo ich mir sicher sein kann, dass mein Geld in sachliche Aufklärung über die Märchen der Atomindustrie fließt und somit auch einem unabhängigen Journalismus zugutekommt. Brigitte Hansen, Trier

Wie bitte?

„Anspruch auf die Führung“, taz vom 29. 11. 19

„So geht gute Klimapolitik“, lobt ihr Großbritannien, jedoch in der Mitte des ausführlichen Artikels steht auf einmal unkommentiert: „Eine entscheidende Rolle bei der klimaneutralen Stromerzeugung spielt die Atomkraft“, gefolgt von: „Es müssen also auch neue Atomkraftwerke her.“ Wie bitte, müssen? Seit wann ist Atomkraft die Lösung für irgendetwas?

Vielmehr soll hier der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben werden. Die Gefahren für Mensch und Natur beim Uranabbau und dem Betrieb von Atomanlagen sind doch hinlänglich bekannt, und kein Land der Welt hat bisher ein sicheres Endlager für hochradioaktiven Atommüll. Und diese brandgefährliche Technologie soll das Klima retten? Also wenn neben dem Klima auch noch Mensch und Umwelt gerettet werden sollen, dann muss ganz fix auf erneuerbare Energien gesetzt werden. Gisela Graf, Magdeburg

Der Lärm des Windrads

„Das ist ein massiver Eingriff in den Markt“, taz vom 28. 11. 19

Aus Sicht der meisten betroffenen Be­woh­ne­r*in­nen kleiner Gemeinden dürfte die Erhöhung des Mindestabstands für Windräder auf 1.000 Meter erst einmal zum Aufatmen geführt haben. Ich vermute, dass Herr Palmer nicht im 700-Meter-Abstand eines Windrads lebt, sonst wüsste er, dass diese riesigen Windräder, die unsere Wälder weit überragen, nicht nur bedrohlich wirken, sondern auch durch ihr Gebrumme eine ständige psychische Belastung verursachen.

Im Odenwald etwa gibt es in bestimmten Waldgebieten bei Wind keine Ruhe mehr. Der Erholungswert der Wälder ist dahin, und die Menschen, die sehr nahe bei den Windrädern leben, müssen sich hinter dicken Glasscheiben im Haus verbarrikadieren, weil einen das Leben im Freien nur noch nervt.

Es ist nichts dadurch gewonnen, wenn infolge der „Energiewende“ Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke abgeschaltet und durch rücksichtsloses Aufstellen von Windrädern nur neue Opfer des gesellschaftlichen Energiehungers produziert werden. Die „Energiewende“ ist völlig verkehrt verstanden, wenn man damit meint, dass durch Wind- und Sonnenenergie die Atom- und Kohlekraftwerke ersetzt werden könnten. „Energiewende“ heißt vor allem auch Energie einsparen, den Verbrauch drosseln und sinnlosen Verbrauch von Energie zu verbieten. Regenerative Energiequellen müssen effizienter werden. Aber wir müssen auch einsehen, dass die Windradindustrie kein ewiger Wachstumsmarkt sein kann. Irgendwann ist Schluss! Und zwar dann, wenn die Flächen bei gesundheitlicher Beeinträchtigung der Menschen mit Windkrafträdern zugestellt sind.

Herr Palmer sollte zur Kenntnis nehmen, dass sowohl aus fossilen Rohstoffen gewonnene Energie als auch regenerative Energie begrenzt ist. Es hat keinen Sinn, die eine Illusion gegen die andere auszutauschen. Vielmehr müssen wir alle unseren Lebensstil gegen einen anderen austauschen! Ulrich Baumann, Reichelsheim

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