wortwechsel: „Redet über Klimaschutz, nicht Erziehung“
Wöchentlich schwänzen Jugendliche den Unterricht, um auf der Straße das Versagen von Politik und Industrie anzuprangern, den Klimawandel zu stoppen. Gut oder schlecht?
„Soll für Demos der Unterricht ausfallen? Ja – Nein“, taz vom 24. 1. 19
Wir sind unzufrieden!
Lieber Herr Pauli, lieber Herr Hillenbrand! Jetzt ist es aber mal gut! Ich begrüße, dass FridaysForFuture das Thema der heutigen Ausgabe ist. Das ist toll, die mediale Aufmerksamkeit ist uns Bestätigung. Aber es stört mich als Aktivistin bei der Bewegung immens, dass die Debatte über die Schulstreiks auf die Frage beschränkt wird, ob es okay ist, dass die Schüler*innen unter uns zwei Stunden weniger in der Woche zur Schule gehen. Auch dass die Pro-Argumente sich darauf konzentrieren, dass die Proteste ja ach so gut für unsere politische Persönlichkeitsbildung seien, das nervt.
Wir gehen auf die Straße, weil wir unzufrieden sind und für unser eigenes Recht auf Zukunft protestieren. Wir haben uns bereits eine politische Meinung zu einem Thema gebildet, wir haben verstanden, was Meinungs- und Versammlungsfreiheit bedeuten. Ich habe es satt, dass bei unter 18-Jährigen immer davon ausgegangen wird, man könne sie pädagogisch formen. Dass wir für die Auslebung dieser Rechte jetzt Schule „schwänzen“ oder dazu aufrufen, das hat schon auch den Hintergrund, dass wir so mehr Aufmerksamkeit bekommen. Aber die Debatte über uns muss sich um Klimaschutz drehen, nicht um Erziehung. Denn für uns geht es wirklich um etwas. Wir meinen die Demos ernst, wir machen das nicht aus Spaß. Wir mahnen jede Woche vor den Rathäusern und Parlamenten, auch wenn nur die Großdemos wahrgenommen werden. Alles aus einem einfachen Grund: Weil es uns gegen den Strich geht, dass unsere Zukunft verspielt wird. Wenn wir mehr politische Bildung wollten, dann müssten wir nicht demonstrieren. Dann würden wir den fluter bei der Bundeszentrale für politische Bildung abonnieren, unsere Lehrer*innen fragen, ob wir über Thema x diskutieren können und fertig.
Bitte, bitte, liebe tazler nutzen Sie doch Ihre Zeitung nicht, um in das gleiche Horn zu blasen, wie ohnehin jeder dieser Tage es tut. Machen Sie am Freitag Interviews mit Protestierenden oder was auch immer Ihnen einfällt, das mal eine inhaltliche Diskussion auslösen kann. Dies ist eine echte gesellschaftliche Bewegung, kein Spiel. Lucia Parbel, Ostfildern
Für die Kinderrebellion!
Herr Hillenbrand, in diesem Fall geht es nicht um Meinungen, sondern schlicht und einfach um das Überleben der Menschheit, um unsere Lebensgrundlagen. Da haben Sie wohl etwas übersehen. Unsere Kinder möchten morgen nämlich auch noch was zu essen haben. Ich bin begeistert, dass Kinder rebellieren gegen das, was wir hier auf dem Globus anrichten. Mögen alle Kinder dieser Erde die Schule schwänzen und massenhaft auf die Straßen gehen. Lisa Bäuml, Bremen
Im Auftrag der Schule
In Paragraf 1 des Berliner Schulgesetzes ist als Auftrag der Schule definiert, Persönlichkeiten heranzubilden, „welche fähig sind, der Ideologie des Nationalsozialismus und allen anderen zur Gewaltherrschaft strebenden politischen Lehren entschieden entgegenzutreten sowie das staatliche und gesellschaftliche Leben auf der Grundlage der Demokratie […] und im Einklang mit Natur und Umwelt zu gestalten.“ Ferner geht es um die „Anerkennung der Gleichberechtigung aller Menschen“.
Demos für Klimaschutz mit solchen gegen Asylbewerber gleichzusetzen, wie Klaus Hillenbrand es tut, ist daher nicht nur moralisch, sondern auch aus schulrechtlicher Perspektive mindestens fragwürdig. Kai Brokopf, Berlin
Bedenkenträgerei
Aus dieser besten aller Meldungen einen Ja/Nein-Firlefanz machen – das schlägt dem Fass den Boden aus! Endlich sagen die am schärfsten Betroffenen: „Wir lassen uns nicht unsere Zukunft stehlen!“, und dann diese Bedenkenträgerei! Herr Hillenbrand, Sie gehören bestreikt!
Nein: Redakteure sind auch nur Menschen – und dürfen auch mal einen Fehler machen. Seien wir also gnädig und drücken wir ein Auge zu. Wer wird schon der taz „die Zukunft stehlen“ wollen!
Sigmar Fischer, Kaufungen
„Fleisch muss teurer werden“, Interview in der taz vom 16. 1. 19
Krimineller Kuhhandel
Ich wundere mich über manche Fragestellung in manchen Interviews. „Ist Fleisch zu billig?“ Ist das wirklich ernst gemeint als Frage? Jede Industrieplörre im Regal ist pro Liter oft teurer als ein Liter Milch, immerhin das Produkt eines Lebewesens, und wir stellen ernsthaft noch die Frage, ob Fleisch, das man zuweilen im Kilo zu gerade mal 3 Euro bekommt, vielleicht zu billig wäre? „Wäre es okay, wenn Arme sich weniger Fleisch leisten könnten als Reiche?“ Überraschung: Wir sollten alle weniger Fleisch essen. Und … jahaaa … in der Landwirtschaft, aber auch bei den Landwirten muss sich was ändern. Massentierhaltung ist grauenvoll und ein Verbrechen an Tieren. Die Tatsache, dass Menschen von diesem „kriminellen Kuhhandel“ leben, ändert daran nichts. Was moralisch schlecht ist, kann politisch doch nicht richtig sein, oder? Ein Interview mit wenig Erkenntnisgewinn. Hildegard Meier, Köln
Nur noch Biospielwiesen
Wenn man täglich mit Bauern zu tun hat,fragt man sich, wo Herr Schröder vom Tierschutzbund lebt. Es handelt sich bei den Bauern nicht um eine Bande von Tierquälern, die aus Profitgründen Tiere halten. Auch sind in den Schweinemastställen nicht kranke, gequälte Tiere, die der Schlachtung entgegenhumpeln. Natürlich muss einiges verbessert werden, aber das muss auch bezahlt werden. Neuinvestitionen gehen schnell in die Millionen.
Fleisch aus Biohaltung gibt es schon seit Jahrzehnten und erreicht im Schweinesektor nicht einmal 1 Prozent. Durch Maßnahmen, die dem Tierwohl dienen sollen, aber noch nicht einmal in der EU abgestimmt sind, verlieren wir immer mehr Bauern. Wer soll denn die Regionalvermarktung machen? In Hessen ist eine regionale Vermarktung im Ferkelbereich schon schwierig. Vonseiten der grünen Agrarministerin ist so ein Druck auf die Sauenhalter aufgebaut worden, dass der Rückgang der Sauen in Hessen mit Abstand am höchsten ist. Die Folge: mehr und weitere Tiertransporte zu den Schweinemästern. Bald gibt es nur noch eine Biospielwiese für Reiche. Jürgen Hammer, Schwalmtal
Keine Gemeinsamkeit
„Wahres Rätsel 332“, Interview in der taz vom 16. 1. 19
Ich bin ein wirklich großer Fan des Wahren Rätsels, vor allem dann, wenn die Fragen geistreich und witzig und die Antworten wirklich findungsreich sind. Aber diesen Samstag war ich dann doch ein wenig irritiert. Da wird in Frage 16 nach der Gemeinsamkeit von Ulrich Haberland und Werner Seelenbinder gefragt. Gemeinsamkeiten hatten die beiden aber keine: Haberland war NSDAP-Mitglied und Profiteur des Nazi-Regimes. Seelenbinder war Kommunist und Opfer des Nazi-Regimes, welches ihm nach mehreren KZ-Aufenthalten am Ende auch den Tod brachte (Enthauptung 1944). Beide zusammen in einer lapidaren Rätselfrage nach „Sportstätten“ unterzubringen, als ginge es um Rummenigge und Seelers, oder Allianz-und AOL-Arena, finde ich gedankenlos. Henrike Adebar, Bremen
Auszug aus der EU-WG
„Nicht hinter Irland verstecken“, taz vom 23. 1. 19
„May hätte diese Lage für sich nutzen und den Deal für tot erklären können. Dann wäre der Schwarze Peter in Brüssel gelandet“, schreiben Sie. Was in Brüssel vor einiger Zeit gelandet war, ist eine Kündigung. Seit wann organisieren die MitbewohnerInnen einer WG, wenn eine oder einer auszieht, auch noch den Umzug für sie oder ihn? Reisende soll man nicht aufhalten, das stimmt, aber die Reise organisieren müssen sie schon selbst. Dazu hören wir von der „Mutter aller Parlamente“ bisher nicht einen einzigen konstruktiven Beitrag. Dort liegt der Schwarze Peter, oder genauer und nach wie vor: das Heft des Handelns. Jürgen Wrobel, Oberursel
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