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wortwechselArme Frauen, arme Galeristen, arme Umwelt

Stichwörter Frauenwahlrecht, Buchmesse, Solaranlagen und Windkraftwerke, Sexismus und Rassismus – so viele Themen, so viele Meinungen

Feministische Empörung

„Heiraten! Kinder kriegen! Haushalt führen!“, taz vom 10. 10. 18

Es ist mir ein Rätsel, wie die Widersprüchlichkeit und Ignoranz eines Artikels über die vergessenen Protagonistinnen der Frauenbewegung im Kampf für das Frauenwahlrecht übersehen werden können, der auf die Wichtigkeit des Buches eines Mannes (August Bebel) pocht und die Nichtnennung ebendieses Mannes in einer Ausstellung namens „Damenwahl! 100 Jahre Frauenwahlrecht“ als grobe Informationslücke inszeniert. Vorausgesetzt, dem Ganzen liegt keine augenzwinkernde Meta-Ironie zugrunde, empfinde ich diesen Kommentar als äußerst unangebracht. Lasst den Frauen ihre Errungenschaften! Eine empörte Feministin, Sophie Weichert, Konstanz

Bitte vorsichtig

„Trumps zweiter Wahlsieg“, taz vom 8. 10. 18

Genau wie Dorothea Hahn freue ich mich, dass die Demokraten in den USA ihre Kräfte bündeln, um gegen solch eine fatale Fehlbesetzung im Falle Brett Kavanaugh zu reagieren. Ich wäre jedoch vorsichtig, Anschuldigungen wegen sexueller Gewalt ungefragt durchzuwinken: Auch wenn Kavanaugh ein noch so selbstverliebtes Arschloch ist, so bleibt er bis zu einem Urteil offiziell unschuldig! Was ist, wenn die Anschuldigungen nicht stimmen? Das gibt den reaktionären Säcken noch mehr Grund zu feixen. Ein sexistisches Arschloch ist er, hat er ja gezeigt, aber eine (versuchte) Vergewaltigung ist eine andere Nummer.

Sexueller Missbrauch ist furchtbar, mit die schlimmste Form von Machtmissbrauch. Und muss bekämpft werden! Nur: Es ist typisch USA, dass jetzt die Anschuldigungen erhoben werden, kurz vor der Berufung! Das riecht nach verzweifelten Versuchen, ihn von der Berufung abzuhalten. Dieser Aspekt muss mit berücksichtigt werden. Ute Petershagen, Berlin

Galerien benachteiligt

„Bedrohte Spezies“, taz vom 9. 10. 18

Digitalisierung und ein geändertes Lese-/Kulturverhalten sind sicherlich Faktoren, die den Buchmarkt und insbesondere kleine Verlage ökonomisch bedrohen. Für den Kunstmarkt sieht das ähnlich aus: Nur die ganz großen Galerien werden bestehen bleiben. Auch hier ist die kulturelle Vielfalt bedroht; eine oft bewährte Aushilfe ist die komplette Selbstausbeutung.

Diese Tendenzen der Marktverödung abzubremsen oder in neues Wachstum zu überführen, scheint mir am kulturellen Verständnis der Bundesregierung und insbesondere an dem von Frau Grütters zu scheitern. Dort sieht man Künstler*innen romantisch verklärt als die schutzbedürftigen Produzenten von Kulturgütern und privilegiert sie deshalb mit diversen Mitteln (zum Beispiel die Verwertungsgesellschaften VG Wort, VG Bild-Kunst; die Künstlersozialkassenabgaben und das Folgerecht im Bereich der bildenden Kunst; verschiedene Steuersätze von 7 Prozent für Künstlerverkäufe, aber 19 Prozent für Galerieverkäufe; diverse Auflagen des Kulturschutzgesetzes).

Die Vermittler dagegen – Verlage oder Galerien – sieht man unter den Gesichtspunkten der Marktökonomie sich selbst überlassen, statt sie als integralen Bestandteil der künstlerischen Produktion, sozusagen als Mitschöpfer zu begreifen. Diese irrige Haltung singt das Lied vom armen Künstler und vom reichen Galeristen/Verleger. Doch lässt sich Kunst immer nur in einer gemeinsamen Anstrengung dem Publikum vermitteln. Besser wäre von daher eine aktive Förderung auch der Vermittler, um das Verschwinden der kulturellen Vielfalt zu verhindern und damit auch die Künstler*innen zu unterstützen.

Cai Wagner, Berlin

Sein wichtigstes Buch

„Der Arzt, dessen Leben eine Täuschung war“, taz vom 9. 10. 18

Wie schön, dass Sie auf Emmanuel Carrères Buch aufmerksam machen! Mag er sich danach literarisch weiterentwickelt haben (davon verstehe ich zu wenig), für mich persönlich bleibt dies sein wichtigstes Buch wegen Thema und Inhalt.

Es ist 2001 schon einmal auf Deutsch erschienen, bei Fischer unter dem Titel „Amok“! Der alte Titel passte überhaupt nicht zum Inhalt. Der neue Titel „Der Widersacher“ ist vielleicht nicht werbewirksam, aber passender – eine wörtliche Übersetzung des französischen adversaire. Marianne Bayer, Gießen

Warum diese Überschrift

„Mädchen neigen zu subtileren Formen von Gewalt“, taz vom 6. 10. 18

Ich würde gerne wissen, warum der genannte Artikel diese Überschrift trägt.

Ich würde gerne wissen, wie Sie die Relation und Wirkung dieser Überschrift im Verhältnis zu dem Umstand sehen, dass der interviewte Experte mehrfach darauf verweist, dass Männer eindeutig mehr Gewalt ausüben als Frauen und Frauen oft die Opfer sind. Sabine Stövesand, Hamburg

Billiger als Kohlestrom

„Rettet die kleinen Verlage“, taz vom 9. 10. 18

Klaus Hillenbrand schreibt: „Jede Solaranlage wäre unrentabel ohne das Erneuerbare-Energien-Gesetz.“ Das ist falsch. Das war so, solange die Generierung des Stroms mehr als 10 Cent/kWh kostete. Heute liegen die Kalkulationen in unseren Breiten bei 4 bis 6 Cent. Das ist billiger als Kohlestrom. Denn Kohlestrom wird an der Strombörse zu Preisen gehandelt, die die Schäden durch Abluft (CO2, S, N), die ungefähr 10 Cent/kWh betragen, nicht abdecken. Diese Folgekosten trägt die Gesellschaft , und das ist die stärkste Subventionierung der fossilen Rohstoffe überhaupt. Wind und Sonnenstrom sind heute billiger als Kohlestrom. Anderenfalls würden nicht schon mehr als 50 Prozent der Energieinvestitionen in Erneuerbare fließen. Ein Vorschlag an die taz: Stellt die Herausgabe der Zeitung unter den Vorbehalt der Umweltredaktion, um solche folgenreichen Fehlmeldungen zu vermeiden. Solch ein Verfahren wäre Vorbild für Gemeinden, Städte, Bundesländer, ja die Bundesregierung.

Ab heute, dem vermeintlich letzten Rettungsruf des Weltklimarats, ist definitiv klar, wo die Prioritäten für unser zivilisatorisches Überleben sind. Nicht bei unserem gesellschaftlichen Wollen, nicht bei der wirtschaftlichen Machbarkeit, sondern bei der Abmilderung des Klimawandels. Eigentlich bei der Einhaltung des Rio1-Protokolls. Zurück zum Anfang. Ja, rettet die kleinen Verlage. Ordnet nicht alles der Wirtschaftlichkeit unter. Auch wenn die Generierung von erneuerbarem Strom noch 50 Cent/kWh kosten würde, wie 1992 zu Rio1-Zeiten, 50 Cent wären billiger als unter Einrechnung aller Folgekosten des Klimawandels. Klaus Warzecha, Wiesbaden

In einem Drittland?

„Eine Chance nutzen“, taz vom 11. 10. 18

Werner Schiffauer schreibt: „Was mit der Diskursverschiebung verloren ging, war die spezifische Chance für das Verhältnis von Juden und Muslimen. Diese liegt darin, dass beide in einem Drittland leben, in diesem Fall Deutschland …“ Er scheint also der Meinung zu sein, dass sie allesamt nicht wirklich hierhergehören – weder die deutschen Juden noch die deutschen Muslime –, doch damit beteiligt er sich selbst an Ausgrenzung. Die „spezifische Chance“ liegt doch darin, dass sich Angehörige zweier Minderheiten zusammentun und gegen Ausgrenzung, Rassismus und Antisemitismus vorgehen, und zwar als Deutsche in Deutschland und nicht als Ausländer in einem „Drittland“. Manuela Kunkel, Stuttgart

Twitter, Loops, Tweets

„Dumm bleibt, wer nicht aufs ­Smartphone starrt“, taz vom 11. 10. 18

Twitter, gepostet, Tweets, Einzeltweets, Smartphones, Snapchat, YouTube, Instagram Stories, Loops, Accounts, Follower, twittern. Die angeführten Wortgebilde im Beitrag von Herrn Brake wurden teils wiederholt eingesetzt. Mich stören nicht neue Wortkreationen. Aber: Dumm wird, wer nur aufs Smartphone starrt. Jürgen Groschupp, Großbrettlingen

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