wonderful copenhagen: Glücksbotschaft
Es ist wieder so weit: Am Samstag singt Europa um die Wette. Wir machen mit: täglich eine Spalte Vorfreude.
Botschafter Johann Dreher, ein Herr in den Fünfzigern, war ganz außer sich: Der erste Mann Deutschlands in Dänemark stand schon eine halbe Stunde vor Beginn seines eigenen Empfangs im Hof der St. Petrikirche, mitten im schönsten Teil der Altstadt Kobenhavns. Und dann endlich kam sie, im güldenen Hosenanzug, dazu High Heels mit flacher Spitze, auf einer Harley angebraust: Michelle.
Mädchen der deutschen Gemeinde baten brav um Autogramme, eine bekam sogar einen Händedruck: „Wahnsinn“, rief das originalblonde Girl und hüpfte über den frisch eingesäten Kirchhofrasen.
Dann sagte der Botschafter noch, dass er sie viel besser fände als so andere Leute und meinte wohl Stefan Raab und Guildo Horn. Aber so plump ließ sich Michelle nicht aufs Glatteis führen und meinte rührend diplomatisch vor den 400 anderen Gästen, dass sie jegliche Musik möge, die den Menschen zu Herzens geht.
Zu Essen gab es natürlich auch, asiatisch-italienisch, was beinahe zu landsmannschaftlicher Verwirrung geführt hätte. „Ist Curry denn ein deutsches Gewürz?“, fragte jemand vom russischen Fernsehen. – „Ja, schon lange“, erwiderte geistesgegenwärtig eine Dame aus dem deutschen Legationsrat.
Und alle waren wieder glücklich. Vor allem der NDR, weil er erstmals eine Deutsche Botschaft überreden konnte, zum Empfang für deutsche Popkünstler zu laden. (In Israel lehnte vor zwei Jahren die dortige Botschaft solches Ansinnen noch kategorisch ab: Hochkultur hätte man natürlich gerne promotet, aber so was ...)
Jetzt in Kopenhagen war man bei der Botschaft umso erfreuter, weil man endlich einmal nicht nur Kammerorchester oder Lesungen als „Made in Germany“ preisen durfte: „Michelle ist einfach toll.“
Die sang dann noch „Wer Liebe lebt?“ im Vollplayback, um die Stimme zu schonen, herzte die dänische Olsen-Brüder, ohne die der ganze Grandprix gar nicht nach Dänemark gekommen wäre – und fuhr auf der Harley wieder ins Hotel zurück. Botschafter Dreher winkte ihr noch lange selig hinterher.JAN FEDDERSEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen