wohin heute : Fliehende Visionäre
Im Nachhinein wird die DDR gern als selbstkritisch beschworen. Intern habe man durchaus Skeptisches äußern können, bekommt man immer mal wieder zu hören – insbesondere, was die Arbeitsabläufe in den Betrieben betraf. Auch Hierarchien seien kein Problem gewesen, beteuern einige Ex-DDR-Bürger gern; dies sei der entscheidende Unterschied zum Westen gewesen.
Zur Gänze scheint diese Vision jedoch nicht aufgegangen zu sein, gibt es doch auch die Stimmen jener, die voller Idealismus ins Land des keimenden Sozialismus zogen und 1961 enttäuscht das Weite suchten. Ingrid Kantorowicz ist eine von ihnen – eine West-Remigrantin, die ab 1945 in Leipzig und Berlin die Hochschulen für Angewandte Kunst mit aufbaute. Doch ihre systemkritischen Äußerungen waren zu scharf: Mit dem Entzug der Professur drohte ihr der vernehmlich kreißende Staat. Im Westen heiratete sie den Autor Alfred Kantorowicz, der bereits 1957 aus der DDR ausgereist war; bis 1986 lehrte Ingrid Kantorowicz an der Hamburger Fachhochschule für Angewandte Kunst.
Auch Jan Robert Bloch, Sohn Ernst Blochs, der inzwischen in Potsdam Soziologie lehrt, prägte die Exilerfahrung. Geboren 1937 in Prag, verbrachte er seine Kindheit in den USA und zog 1949 mit den Eltern nach Leipzig. Auch er reiste im Jahr des Mauerbaus aus. Gemeinsam werden Bloch und Kantorowicz von Hoffnung und Desillusionierung berichten. Und von ihrem Scheitern an einem System, das an seiner Paranoia zugrunde ging. PS
heute, 19.30 Uhr, Galerie Morgenland, Sillemstraße 79