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wir lassen lesenPerfekt terminiert: Ein Buch für Bayern-Antipathen

Das Zum-Hals-Raushängeschild

Benno Möhlmann kann es. Selbst Ottmar Hitzfeld kann es. Nur ein paar ganz besonders Rote können es mal wieder nicht: Die Sache mit dem FC Bayern-Hass-Buch mit Humor nehmen. Als Torsten Geiling und Niclas Müller nach dem ersten Bayern-Heimspiel dieser Saison gegen Bielefeld vor der Pressekonferenz den Journalisten und Vereinsoffiziellen ein DIN-A4-Blatt mit dem Cover ihres demnächst erscheinenden Buches in die Hand drücken, ist Gelegenheit, wahre Größe zu zeigen – oder eben nicht. Bielefeld-Coach Möhlmann grinst – logisch. Auch über Hitzfelds strenges Faltenensemble huscht ein Lächeln. Aber schon ein Stuhl neben ihm greift FCB-Pressesprecher Markus Hörwick empört zum Kugelschreiber: Vermerk im Tadelbuch! Später sagt er noch, dass er solche Bücher gar nicht gut findet, das hetze die Fans bloß gegeneinander auf. Manager Uli Hoeneß sagt, dass er das Buch nicht gelesen habe und auch nicht lesen werde. Warum auch? Wie sich Bayern-Hass anfühlt, weiß er mit am besten.

Perfekter kann man das Erscheinen eines Buches eigentlich nicht terminieren. Kaum war es in den Läden angelangt, schon schlidderte der FC Bayern in die größte Pleite seiner jüngeren Geschichte. Aus in der Champions League, am Sonntag als Zugabe eine 0:2-Klatsche beim alten Erzfeind Werder Bremen. Genau der Stoff, aus dem die Träume jedes Bayern-Hassers sind. Dabei ist es gar kein Hass-Buch. Eher ein Schadenfreu-Buch oder ein „Nicht-mögen-Buch“, wie Geiling sagt. Wie auch immer: Überfällig war es auf jeden Fall. Mindestens so überfällig wie Loddas Karriereende, Effes Abschied oder Kaiser Franzens Heiligsprechung. Ein Buch für Bayern-Hasser also – wunderbar! Warum ist da eigentlich nicht früher einer draufgekommen?

Die Genese des Werks ist schnell erzählt: Geiling und Müller müssen als feste freie Sportjournalisten bei sueddeutsche.de, dem Online-Angebot der Süddeutschen Zeitung, schon im Beruf ständig Bayern-Siege melden, haben zudem eine harte Fußball-Sozialisation hinter sich: Müller (Jahrgang 77) ist Bremen-Fan, Geiling (Jahrgang 75) wird weder seine Cluberer-Wurzeln noch seinen kleinen Bruder (Bayern-Fan!) los – zwei Vereine also, die in der ewigen Tabelle der Bayern-Hasser einen Spitzenplatz einnehmen. Bei einer der gemeinsamen Frustbierrunden über den chronischen Bayern-Dusel war es so weit: Wir schreiben das jetzt alles mal auf. Die ungerechtesten Bayern-Siege (die acht Seiten sind konsequenterweise mit einer Schere zum Ausschneiden versehen), die wunderbarsten Niederlagen (Manchester! Porto! 1:6 in Saarbrücken anno 77!!), die schönsten Schmähgesänge, das Team der Lederhosen-Auszieher (Solskjaer, Sheringham, Madjer, Basler, Killer-Kuffour) und all die Geschichten über weggekaufte Spieler, durchgeknallte Torhüter, kurzzeitig redegewandte Trap-Trainer, geschenkte Elfmeter, zu wenig rote Karten – und überhaupt.

Die sind doch nur neidisch – so die gängige Replik auf Müller/Geilings gesammelten Unmut. Auch wenn die beiden Werder oder den Club lieber vor den Roten sehen würden: „Es geht nicht nur ums Gewinnen“, sagt Geiling. Die Bayern-Hasser werfen den Bayern-Fans vor, Erfolgs-Fans, Schickimicki-Fans, Luxus-Fans zu sein: „In der Mehrzahl der Fälle ist es eine billige, leidenschaftslose und charakterschwache Entscheidung, die Bayern zu seinem Lieblingsklub zu küren. Ein typischer Bayern-Fan kennt nicht das Gefühl der Verzweiflung, wenn sein Klub mit dem Rücken zu Wand steht. Er liebt die Bequemlichkeit, wählt den Weg des geringsten Widerstandes, scheut das Risiko, enttäuscht zu werden.“

Der Underdog ist der Sympath, vor allem, wenn er so gewitzt formuliert wie das Hass-Duo. Allein für das Objekt ihrer Abneigung haben sie so viele Synonyme gefunden, dass Günther Koch & Kollegen genug für eine komplette Radio-Saison haben: FC Großkotz, FC Dauerdusel, Kotzbrockenklub, das Zum-Halse-Raushängeschild des deutschen Fußballs etc. Brillant auch einige Charakterstudien: Jancker („die fleischgewordene Brechstange, der zweibeinige Baseballschläger“), Hoeneß („das wutrote Gesicht des FC Bayern“), Effe und Lothar, („Symbole des Bayern-Hochmutes schlechthin“).

Kein Wunder, dass die fleißigen Rechercheure allein aus der Zeit seit etwa Mitte der Achtzigerjahre Stoff für einen dicken Wälzer gesammelt hatten – schade nur, dass der Verlag nicht mehr als 140 Seiten hergab. Und auch noch das falsche Titelbild wählte: King Kahn liegt zwar am Boden, richtig schön unten. Aber der Ball, der liegt noch unter ihm: gehalten! Vorteil FC Bayern, wie immer. Es ist zum Hassen. THOMAS BECKER

Torsten Geiling, Niclas Müller: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus! – Das FC Bayern Hass-Buch“, Eichborn Verlag, 7,95 €

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