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wie machen sie das?Der Blinde

Thomas Schmidt, 55, ist von Geburt an blind. Er ist gelernter Klavierstimmer, hat im Telefonmarketing gearbeitet und ist heute Hilfsmittelreferent und Organisator beim Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverein (ABSV) in Berlin.

taz am wochenende: Herr Schmidt, Sie haben soeben einen Korridor passiert, den Fahrstuhl genommen und sind zu Ihrem Büro gelaufen. Dann haben Sie das Türschloss mit der Präzision eines Herzchirurgen anvisiert und geöffnet. Wie machen Sie das?

Thomas Schmidt: Das ist ja mein Arbeitsbereich. Hier im ABSV kenne ich mich aus. Wenn ich mich hier oder zu Hause bewege, brauche ich keinen Blindenlangstock zur Orientierung. Für Orte, die ich nicht kenne, brauche ich ihn. Dafür gibt es für uns Blinde extra ein Orientierungs- und Mobilitätstraining. Das muss man bisweilen wiederholen, vor allem wenn man umzieht oder sich der Arbeitsweg ändert.

Sie organisieren im ABSV jährlich eine Messe für Blindenzubehör. Was sind das für Hilfsmittel?

Ganz verschiedene. Da gibt es zum Beispiel taktile Knöpfe, mit denen ich den Herd nachrüsten lassen kann. Es gibt Schuhe mit Sensoren, die Hindernisse erkennen. Oder wir haben sogenannte Knochenleit-Kopfhörer. Die setze ich mir hinters Ohr und kann Navigationsanweisungen vom Smartphone hören, habe aber trotzdem meine Ohren frei, um mich zu orientieren. Und dann natürlich so Klassiker wie sprechende Uhren, Küchenwaagen oder Taschenrechner.

Sie müssen sich im Alltag sehr auf Ihr Gehör und Ihren Tastsinn verlassen. Ist das stressig?

Ja, das ist mit Stress verbunden. Wenn ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahre, kostet das sehr viel Konzentration, egal ob mit Blindenlangstock oder mit dem Blindenhund. Die Orientierung durch das Gehör spielt eine große Rolle. Das ist anstrengend, kann man aber sehr gut trainieren.

Sie arbeiten oft am Computer. Wie geht das?

Mit Hilfe der Brailleschrift, die 1825 von Louis Braille für Blinde entwickelt wurde und uns Blinden auch erst den Zugang zu Bildung verschafft hat. Ich habe auf meinem Computer eine Software, einen sogenannten Screen-Reader, der mir den Inhalt auf dem Computerbildschirm vorlesen kann, aber auch als Brailleschrift auf meinem speziellen Keyboard wiedergibt. Die Textzeile wird dabei in Brailleschrift umgewandelt. Das funktioniert aber nur, wenn die Inhalte der entsprechenden Internetseite barrierefrei sind und dabei vom Screen-Reader gelesen werden können.

Lesen Sie lieber Bücher oder Medienseiten?

Ich lese zum Beispiel Spiegel online. Ansonsten höre ich gern Hörbücher oder Deutschlandfunk. Ein Tag ohne Deutschlandfunk ist für mich schwer vorstellbar.

Interview: Boris Messing

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