wenn journalisten ihr lebenswerk krönen:
von ANDREAS MILK
Der Gedanke, eines Tages in der Erde verscharrt und vergessen zu werden, ist nicht eben erfreulich. Und sicher ist es kein Zufall, dass der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) seinen Mitgliedern just im traditionellen Top-Monat für unerfreuliche Gedanken, im trüben November, Lebens- respektive Lebensabschlusshilfe bietet: Hilfe im Kampf gegen die Vergänglichkeit. „Nichts ist vergänglicher als die Nachrichten oder die Tageszeitung von gestern“, beginnt die DJV-Service-Gesellschaft eine Offerte im DJV-Blatt journalist. Und weil wir hier schließlich das Volk der Dichter und Denker sind, kann die Lösung des Problems mit Namen Vergänglichkeit nicht lauten: Haus bauen, Baum pflanzen etc. pp. – sondern: Buch schreiben. „Wer schreibt, der bleibt – Bücherträume werden wahr“, lockt das DJV-Inserat. Möglich mache dies eine Zusammenarbeit von DJV und „Books on Demand“ – das sind die, bei denen man gegen Geld einen Text digital oder auch auf richtigem Papier publizieren lassen kann; durchs Internet geschickt oder eben gedruckt wird der Text, wenn ihn zufällig jemand haben will und ausdrücklich anfordert. Für Zeitungsschreiber eine gewöhnungsbedürftige Umkehrung liebgewonnener Verhältnisse – wir kennen es halt nur andersrum: per Knebelvertrag wehrlos gemachte Abonnenten, die unseren Artikeln ausgeliefert sind. Jetzt also auf die alten Tage umdenken und selber latzen, damit die da . . .? Nun, der Weg zu ewigem Ruhm ist dornenreich. Ihn zu gehen vor dem Biss ins Gras, ist eine Pflicht – Zitat DJV: „Gerade Journalisten haben besonders viel Wissenswertes zu sagen.“ Soll heißen: schlimm, wenn man es für sich behielte. Beziehungsweise wenn man es, wie in manch tragischen Fällen, einfach nicht für sich behalten will oder kann – die Herren Scholl-Latour und Wickert werden das bestätigen. Die müssen leider nichts hinblättern für ihre Druckwerke.
Nach Sichtung meiner Konten gebe ich den literarisch interessierten Kreisen zur Kenntnis, dass epochale Buchveröffentlichungen meinerseits wohl fürs Erste ausbleiben werden. Tja. Immerhin: Die Leute von „Books on Demand“ wären bereit, gegen erschwingliche Gebühr meinen Erstling aus dem Jahre 1982 ins Internet zu stellen, einen Klassiker über die Erweiterung der Kleingartenanlage Kamen-Westick-Kaiserau mit der unvergessenen Sentenz: „Ein buntes Unterhaltungsprogramm schloss sich an, auch das Tanzbein wurde geschwungen.“ Ein Satz, dessen Bedeutungstiefe und ironische Verspieltheit sich freilich nur im damaligen Gesamtzusammenhang erschlösse, den zu referieren an dieser Stelle der Platz fehlt.
Weil man allerdings auch in meinem Beruf noch träumen darf, schmiede ich nachts Pläne für den Fall, dass ich zu sehr viel Geld komme. Dann sollen ausgewählte Berichte von Jubilarehrungen der örtlichen Industriegewerkschaftsgruppe Bergbau-Chemie-Energie als Sammelband erscheinen. Ledereinband! Goldschnitt! Wie gesagt, finanziell ist die Sache noch nicht in trockenen Tüchern. Spendenschecks bitte an die Redaktion, Verwendungszweck: kein Haus, kein Baum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen