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wende für den adelWie die Junker zurück in den Osten kamen

Hallo, Herr Kaiser

Karl-Eduard von Schnitzler wusste, wovon er sprach. „Junkerland in Bauernhand“ habe es in der BRD nie gegeben, im Gegenteil, die Junker seien dort fürstlich entschädigt worden und gäben immer noch den Ton an. Dieser Behauptung hatte man kaum etwas entgegenzusetzen, man musste nur einen Blick ins Fernsehen werfen, um sich davon zu überzeugen, dass sie stimmte. Während es bei uns nur Manfred von Ardenne gab, der aber immerhin für die DDR das Fernsehen erfunden hatte und den später nur die Wende daran hindern konnte, seine Methode des grenzenlosen Alterns und der Krebsheilung mittels Oxygen-Duschen zu Ende zu entwickeln, spielten die Adligen drüben in allen Bereichen des Lebens lange nach Franz von Papen immer noch die erste Geige. Wir lasen nicht Christian Graf von Krockow, sondern Theodor Fontane, und wir wussten, wie unwillig er das „von“ angenommen hatte – nicht nur, weil „John Maynard von Theodor von Fontane“ komisch klang. Johann Wolfgang von Goethe, Wilhelm von Kügelgen, Malwida von Meysenburg, Bertha von Suttner, Walther von der Vogelweide hätten bei uns einen schweren Stand gehabt.

Im Westen dagegen moderierte ein Fritz von Thurn und Taxis die geschönten Fußballübertragungen, und Ulrike von Möllendorff sprach die gefälschten Nachrichten. Wolf von Lojewski, Hoimar von Ditfurth, alles Adlige. Peter von Zahn, Jürgen von der Lippe, warum nicht gleich Steffen vom Ohrläppchen? Das ganze Fernsehen ein Adelsnest, und die, die kein „von“ im Namen hatten, ließen sich „Kaiser“ rufen oder hießen mit „bürgerlichem“ Namen Steffi Graf.

Mit Thomas von Heesen waren die Junker sogar in der Bundesliga vertreten, die Finanzen lagen in den Händen von Otto Graf Lambsdorff, Graf Zahl hätte sie nicht souveräner veruntreut. Die Holländer waren natürlich nicht richtig, aber dafür fast alle adlig, vielleicht weil sie noch weiter im Westen lebten? Dass ihr „van“ bei ihnen nur „der von der Burg“, „die von der Heide“, „der aus dem Torf“ hieß, konnte den Namen Lou van Burg, Hanni van Haiden und Hermann van Veen nicht den Hautgout des Reaktionären nehmen.

War es Zufall, dass die Wende uns mit Lothar „die Misere“ und Graf von Einsiedel die ersten Junker in die Politik spülte? Dass die Kritik sich auf Werke von Benjamin von Stuckrad-Barre, Alexander von Schönburg und Moritz von Uslar stürzte? Renegatentum wie das von Jutta (von) Ditfurth war out, Marion Gräfin Dönhoff hieß die gute Fee, Klaus von Dohnany, der Edle von der Elbe, schrieb uns 1990 einen „Brief an die deutschen demokratischen Revolutionäre“, und bei Alexander von Stahl zitterte man schon vor dem Namen.

Aber Adel heißt immer auch Verfall. Die letzten Abkömmlinge jedes großen Geschlechts haben schmale Hände, durch deren pergamentene Haut bläulich das dünne Blut schimmert. Sie essen wenig, neigen zu Schwermut und eigenartigen Hobbys. Trifft das nicht wunderbar auf Tocotronics Dirk von Lowtzow zu? Werden eines Tages auch die anderen Geschlechter zur Gitarre greifen und mit betörendem Duft verblühen? JOCHEN SCHMIDT

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