weihnachtskeller, zweite lieferung: das beschert dem zuschauer herrlich altbackenes, jede menge sinkender luxusliner und garantiert keinen „seewolf“
Erster Weihnachtstag
Die Weltgeschichte, wie Italiens Kinoepiker sie sahen, bestimmt die Nachmittagsstunden auf Kabel 1. Angefangen mit „Die Arche Noah“ (12.15 Uhr) führt die Zeitreise über „Die Schlacht von Marathon“ (13.45 Uhr) bis zum „Untergang des Römischen Reiches“ (15.20 Uhr). Nach einer kleinen Pause erfolgt dann ein Blick aus viktorianischer Vergangenheit in eine vage Zukunft, wenn „Tolldreiste Kerle in rasselnden Raketen“ (18.30 Uhr) die Reise zum Mond vorbereiten.
Britische Wunderlichkeit prägt im Weiteren den gedämpft inszenierten Kriminalfilm „Mord im Spiegel“ (16.50 Uhr), dem die ARD mit „Das Böse unter der Sonne“ am Dienstag eine zweite Agatha-Christie-Verfilmung folgen lässt.
Die Waliserin Catherine Zeta-Jones verwandelt sich im ZDF in eine sehr aparte „Katharina die Große“(15.30 Uhr), womit die Brücke nach Russland geschlagen wäre, das die ARD wenig später vom allzeit sattelfesten „Kurier des Zaren“ (18.30 Uhr) abreiten lässt. Um 20.15 Uhr sticht Milchbart Leonardo DiCaprio in See und wähnt sich bei RTL im Bug der „Titanic“ schon als König der Welt, geht mit dieser Idee aber gehörig baden. Ob man Kabel 1 Ironie unterstellen darf, weil es dem alles beherrschenden Luxusliner mit John Hustons Kipling-Verfilmung „Der Mann, der König sein wollte“ (20.15 Uhr) begegnet?
RTLs Wassermassen werden kaum zu überbieten sein, aber die Schwester Vox beweist immerhin Sportsgeist und schickt „City Hunter“ (20.15 Uhr) in die Regatta um die Festtagsquoten. Diese Seefahrt ist eine lustige, auch wenn üble Banditen ein Kreuzfahrtschiff kapern. Der zufällig anwesende Jackie Chan schaut sich im Bordkino noch schnell ein paar Kniffe seines Amtsvorgängers Bruce Lee ab, ehe er damit beginnt, die Gesichtszüge der Kanaillen zu derangieren.
Ist dies zufriedenstellend erledigt, bricht die Nacht der Könige an. Nick Nolte ernennt sich auf Kabel 1 zum „Dschungelkönig von Borneo“ (22.40 Uhr) und Sat.1 sendet„The Last of the High Kings“ (2.10 Uhr, Sat.1), eine von Gabriel Byrne mitverfasste Teenagerkomödie mit den Hauptdarstellern Jared Leto, Christina Ricci und Stephen Rea ins Rennen.
Zweiter Weihnachtstag
Gestern mit vollem Bauch über „Titanic“ eingeschlummert? Macht nichts, RTL lässt den aus dem Ruder laufenden Dampfer am Nachmittag (15.10 Uhr) gleich noch mal vom Stapel, während Sat.1 kollegial mit „Titanic - Das letzte Geheimnis“ (16.05 Uhr) die nötigen Sachinformationen beisteuert.
Maritim geben sich zuvor schon ProSieben mit dem jugendtauglichen Abenteuerfilm „Das Geisterschiff“ (10.50 Uhr) und Kabel 1 mit dem auch für ältere Zielgruppen geeigneten „Der alte Mann und das Meer“ (10.45 Uhr).
Wie an allen hohen Feiertagen sind heuer erneut Auswüchse monarchistischen Gedankenguts zu verzeichnen. Im ZDF zieht Robert Wagner als „Prinz Eisenherz“ (12.30 Uhr) zu Felde, auf Kabel 1 muss „Der Doppelgänger des Königs“ (16.50 Uhr) den amtlichen Herrscher vor größerem Schaden bewahren, ehe Errol Flynn als „Der schwarze Prinz“ (18.40 Uhr) den aufmüpfigen Franzmännern Manieren einbläut. Der weibliche Adel gerät darüber ein wenig ins Hintertreffen und muss mit Auftritten in den dritten Programmen vorlieb nehmen. Dafür sind den jungen Damen aber auch märchenhafte Erlebnisse vergönnt. Das gilt für „Die Prinzessin mit dem goldenen Stern“ (14.25 Uhr, MDR) ebenso wie für „Die wahnsinnig traurige Prinzessin“ (14.15 Uhr, ORB).
Gerade richtig kommt da auf Pro Sieben Kevin Reynolds „Robin Hood - König der Diebe“ (20.15 Uhr), denn schließlich befiehlt der Sheriff von Nottingham aus Wut über Hoods tollkühne Streiche: „Und sagt Weihnachten ab!“ Hätte er sich doch nur durchgesetzt ...Dargestellt wird der unbeherrschte Usurpator immerhin von Alan Rickman, dem zuzuschauen immer eine wahre Wonne ist.
Die tragische Größe eines zur Schurkerei verdammten Individuums arbeitet desgleichen John Malkovich fein heraus, wenn er in Stephen Frears’ „Mary Reilly“ (22.20 Uhr, Sat.1) den Dr. Jekyll wie auch Mr. Hyde zu spielen hat und der treuherzigen Julia Roberts manchen Grund liefert, ihre bovinen Kulleraugen aufzureißen.
Fies wie nur was – und das auch noch in der ARD – ist erst recht Christopher Lee in dem schnurrigen Schauerstück „Ich, Dr. Fu Man Chu“ (23.55 Uhr). Alter Gewohnheit folgend, strebt der krötige Genius nach der Weltherrschaft und wird dies auch noch an den folgenden Abenden tun, denn das Erste hat die gesammelten Schandtaten des unermüdlichen Schwerverbrechers zu einer gefälligen Reihe zusammengestellt.
Sollte dies alles nicht hinreichen, die angesichts verbissener Weihnachterei angesammelten Aggressionen abzuführen, empfehlen sich noch „Zum Töten freigegeben“ (23.00 Uhr, ProSieben), „Judge Man – Blutrausch“ (23.00 Uhr, RTL II) und „Showdown in der Hölle“ (2.20 Uhr, Sat.1) mit Julias Bruder Eric Roberts. Dann ist aber wirklich Ruhe unterm Antennenbaum.
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