vorlesungskritikPopeye und die Campbell-Suppe: Vom Erkenntniswert des Lachens
Wusste Barnett Newman, dass sein Bild unter gewissen Umständen wie ein Heizkörper funktionieren würde? An einem nasskalten Morgen glüht seine monochrom-rote Fläche von der Wand, und alle scheinen dankbar dafür. Newman hätte sich über die Zweckentfremdung vermutlich geärgert. Schließlich sollten seine Bilder visuelle Totalitäten sein, wie Susanne von Falkenhausen bemerkt – und nicht nur eine willkommene Ablenkung im Leben verfrorener Kunststudenten.
Die Leichtigkeit, mit der sie durch eine wichtige kunstgeschichtliche Episode im Amerika der 50er- und 60er-Jahre führt, lässt sich durchaus zerstreut genießen. Obwohl methodische Ausführungen nicht fehlen. Sie wolle den historischen Sinn für die Synchronizität der Geschehnisse im Kunstbereich schärfen, sagt Falkenhausen. Denn die Hauptstränge der Kunstgeschichte seien immer das Ergebnis späterer Abstraktionen – nähere man sich ihnen, lösten sie sich wieder in eine Vielzahl von Verflechtungen auf. Die Umsetzung des hehren methodischen Ansatzes ist allerdings nicht so einfach. Allein die visuelle Gegenüberstellung exemplarischer Werke der Pop-Art und des Abstrakten Expressionismus treibt zwangsläufig wieder in die Vorstellung hinein, hier folge eine Richtung linear auf die nächste.
Die Ausführungen geben jedoch eine Ahnung von den Verhältnissen in der Entstehungsphase der Pop-Art, als Andy Warhol noch als Werbegrafiker nur nebenbei Kunst machte, während die „Künstler“ Robert Rauschenberg und Jasper Johns ihre Designertätigkeit unter Pseudonymen verrichteten.
Falkenhausen bezeichnet Pop-Art Bilder als „Spielwiesen der Assoziation“ – die Bezüge und Bedeutungen herzustellen sei zu einer Angelegenheit der Betrachter geworden. Ist denn nicht die Spinatdose, die dort unten links in Lichtensteins Popeye-Bild wackelt, schon eine Vorwegnahme von Warhols Campbell-Dose? Der ironisch gemeinte Bezug sorgt für Gelächter im Publikum. Wenn das ein Beispiel für eine Kunstgeschichte sein sollte, die methodisch nicht mehr haltbar ist, so ist es jedenfalls gelungen. Seine Zeit als Student muss man bei Falkenhausen nicht vergeuden. MATTHIAS ECHTERHAGEN
Susanne von Falkenhausen: „US-Amerikanische Gegenwartskunst: Über die Lesbarkeit von Differenz“, Di 10–12 Uhr im Hauptgebäude der HU, Raum 3075
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