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vorlautKindermund tut Unfug kund

„Die Schiller Gang“

(So., 22.30 Uhr, WDR)

„Jeder dritte Hamster ist schwul“, weiß Linda (11) aus eigener Anschauung. Und auch das Meerschwein lässt, wenn es Vater geworden ist, seine Pflichten gerne schleifen. Da können Steffi (10), Dini (15) und Nora (10) nur zustimmend kichern, jaja, so ist das im Leben.

Viel mehr bleibt auch dem ratlosen Zuschauer nicht übrig, der zu arg vorgerückter Stunde den Auftakt zur sechsteiligen Serie „Die Schiller Gang“ verfolgt hat. Petra Seeger, verdiente Doku-Einseiferin („Abnehmen in Essen“) hat für dieses Projekt kurzerhand das eigene Töchterchen Nora und deren Freundinnen mit der Handkamera verfolgt – ohne sie dem „Blick der Erwachsenenwelt“ auszusetzen, wie sich der Spiegel freute. Oder ärgerte, je nach Blickwinkel.

Die namensgebende Schillerstraße aber, in der die „Gang“ ihr harmloses Wesen treibt, ist ein idyllischer Winkel juveniler Glückseligkeit. Im heimischen Garten schmusen die Mädels mit süßen Nagetieren und erörtern dabei sattsam bekannte Fährnisse des Alterns, was – in diesem Alter – noch „Erwachsenwerden“ heißen muss. Im problemfreien Raum zwischen Badesee und Pizzeria räsonieren die Freundinnen über Jungs, die Backstreet Boys, Tätowierungen, Liebe und all die anderen Themen, mit denen auch die Bravo ihre Seiten füllt. Petra Seeger enthält sich jeden Kommentars, gibt aber mit ihren Fragen durchaus den Rahmen vor, in dem das kinSSdliche Geplapper sich zu bewegen hat – und lässt das Quartett zum Vollplayback Britney Spears „Oops! I did it gain“ in der Garage nachspielen.

Was genau nun wen genau daran interessieren soll, was verwöhnte Mädchen vor der Pubertät so umtreibt, bleibt allerdings eine offene Frage. Auf dem wenig kindgerechten Sendeplatz nämlich gehen die vorlauten Weisheiten der kleinen Diven seltsam ins Leere.

Hätte Frau Saager – statt verwöhnter Gören – etwa eine fettsüchtige Elfjährige mit streitenden Eltern, Depressionen und Blauen Briefen begleitet, wäre die „Schiller Gang“ nicht ganz so belanglos ausgefallen. So aber wird versendet, was im Privaten ohnehin überhand genommen hat: der verklärte DigiCam-Blick stolzer Eltern auf ihren wohlgeratenen Nachwuchs. FRA

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