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vorlaufAnd Justice for All

„Ich habe es nicht gewollt – Anatomie eines Mordfalles“ (Arte, 20.45 Uhr)

Zunächst einmal die Gretchenfrage eines jeden halbwegs aufrechten Journalisten, wie sie dereinst der Satiriker Kurt Tucholsky formulierte: „Ach du liebes Publikum, bist du wirklich so dumm?“ In Norbert Kückelmanns Film „Ich habe es nicht gewollt“ überlegt der Staatsanwalt angesichts sensationsheischender Schlagzeilen über den Mord an einem jungen Mädchen, „ob die Leute das so lesen wollen oder ob die Zeitungen sie erst dahin bringen“. Die Antwort ist banal: „Dann können Sie genauso gut fragen, ob der Kaffee vom Zucker süß wird oder vom Umrühren.“ Des Weiteren stellt sich die Frage, wie ein junger Rechtsanwalt (Fabian Busch), der in Prozesse verspätet und unvorbereitet stolpert, seinem Ideal nahe kommen kann. Das da wäre: „Die Welt ein wenig gerechter gestalten.“ Auch erfährt man, ob es einer engagierten forensischen Gutachterin, einer Newcomerin, gelingen kann, einer altbekannten Koryphäe zu widersprechen.

Kückelmanns Justizdrama wirft einen augenzwinkernden Blick hinter die Kulissen der Gerichtsbarkeit. All die kleinen Schwächen und Eitelkeiten der Prozessbeteiligten werden detailscharf geschildert. Und es geht um etwas: Im Mittelpunkt des Dramas steht die unpopuläre Sichtweise des jungen Anwalts, einen Gewalttäter mit schwerer Persönlichkeitsstörung therapieren und nicht nur wegschließen zu wollen. Und dieser Film zeigt: Spielen sich mehrere Nobodys, ohne Referenzen, die Bälle zu, so muss das zwar nicht unbedingt erfolgreich sein, kann jedoch öffentliche Denkprozesse auslösen.

Gegen Ende des Films verselbstständigt sich das Genre: Gerichtsszenen mit Pathos satt. Plädoyers des zuvor stoffeligen Anwalts entgleisen zu aalglatten Paragraphenlehrstücken. Die Entwicklung vom Saulus zum Paulus – allzu hurtig. Auch der schwer gestörte Angeklagte begrüßt seinen Anwalt zu eloquent: „Es gibt keine Verteidigung in der Hölle.“ Dennoch, der Film hat ein Anliegen, was man ja derzeit nicht von vielen Fernsehstücken behaupten kann: Es ist gefährlich für die Gesellschaft, wenn psychisch kranke Täter wie normale Kriminelle im Gefängnis sitzen und untherapiert wieder entlassen werden. GITTA DÜPERTHAL

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